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Der Kapitalismus, so Slavoj Zizek, gleiche einer Comicfigur, die stolz über den Dachfirst hinaus ins Leere läuft - um dann jäh abzustürzen. In seinem neuen, kämpferischen Buch setzt sich Zizek mit den Perspektiven der Linken auseinander: Er entlarvt die Widersprüche des Neoliberalismus, diskutiert die Positionen von Alain Badiou und Antonio Negri und erklärt, warum wir angesichts von Wirtschaftskrise, Biotechnologie und Umweltkollaps der Diktatur des Proletariats eine neue Chance geben sollten. Dabei erweist er sich wieder einmal als das externe Hirn seiner Leser: Er sieht die Filme,…mehr

Produktbeschreibung
Der Kapitalismus, so Slavoj Zizek, gleiche einer Comicfigur, die stolz über den Dachfirst hinaus ins Leere läuft - um dann jäh abzustürzen. In seinem neuen, kämpferischen Buch setzt sich Zizek mit den Perspektiven der Linken auseinander: Er entlarvt die Widersprüche des Neoliberalismus, diskutiert die Positionen von Alain Badiou und Antonio Negri und erklärt, warum wir angesichts von Wirtschaftskrise, Biotechnologie und Umweltkollaps der Diktatur des Proletariats eine neue Chance geben sollten. Dabei erweist er sich wieder einmal als das externe Hirn seiner Leser: Er sieht die Filme, registriert die Nachrichten und macht sich darüber die Gedanken, für die wir keine Zeit haben.
Autorenporträt
Slavoj iek wurde am 21. März 1949 in Ljubljana, Slowenien geboren und wuchs auch dort auf. Er studierte Philosophie und Soziologie an der Universität in Ljubljana und Psychoanalyse an der Universität Paris VIII. Seit den achtziger Jahren hat iek zahlreiche Gastprofessuren im Ausland inne, unter anderem an der Tulane University, New Orleans (1993), der Cardozo Law School, New York (1994), der Columbia University, New York (1995), in Princeton (1996) und an der New School for Social Research, New York (1997). Von 2000 bis 2002 leitete er eine Forschungsgruppe am kulturwissenschaftlichen Institut in Essen. Er war jahrelanger Herausgeber der Zeitschrift der slowenischen Lacan-Schule Wo Es war und setzte sich unter anderem mit der Philosophie des Deutschen Idealismus, mit Hegel und mit Karl Marx auseinander, sowie mit zeitgenössischen Denkansätzen aus dem Bereich des Poststrukturalismus, der Medientheorie, des Feminismus und der Cultural Studies. Heute lehrt an der European Graduate School, am Birkbeck College der University of London und am Institut für Soziologie der Universität von Ljubljana. Seine erste englischsprachige Buchveröffentlichung The Sublime Object of Ideology erschien 1989. Seitdem veröffentlichte iek über 20 Monographien, in denen er sich zunächst um eine lacanianische Lesart der Philosophie, der Populärkultur und in den letzten Jahren zunehmend der Politischen Theorie bemühte.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.11.2009

Im Banne des Z
Über Slavoj Zizek und sein Buch „Auf verlorenem Posten”
Wer den mittlerweile auch schon 60-jährigen slowenischen Philosophen und Zeitdiagnostiker Slavoj Zizek je leibhaftig denken gesehen hat, der weiß, dass das ein sehr eigenes Erlebnis sein kann. Zizek schwitzt stark und tippt sich mit seinen Fingern unausgesetzt an Stirn, Ohren, Nase und Haare. Seine Körpersprache strahlt eine Unruhe und Nervosität aus, die es den Betrachter kaum für möglich halten lässt, dass es Zizek gelingen könnte, auch nur einen einzelnen halbwegs klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn zu formulieren. Aber es klappt doch immer wieder. Und es ist, allen vernichtenden Kritiken zum Trotz, natürlich kein Zufall, dass es diesem Philosophen nicht nur gelingt, in Ljubljana, Paris, London oder New York Hörsäle zu füllen, sondern auch in Buenos Aires vor ein- oder zweitausend Menschen zu sprechen.
Seine philosophische Wachsamkeit ist schließlich eine, die zwar extrem sprunghaft, aber sich doch im besten Sinn für nichts zu schade ist. Denker dieser Art sind rar. Pornographie, die Figur „Borat” des Komikers Sacha Baron Cohen, die deutsche Metal-Band Rammstein, Hollywood-Beziehungskomödien mit Jennifer Aniston – das kommt alles vor bei Zizek, sogar im selben Buch. Und meistens fällt ihm wirklich etwas Aufregendes, Verblüffendes auf an diesen zeitgenössischen Phänomenen, das die Gegenwart etwas weniger verrückt erscheinen lässt. Oder noch viel verrückter als gedacht. Denker, die dies vermögen, sind noch rarer. Der dichte Zeichenwald der Popkultur verlangt Mut, zeitdiagnostische Sensibilität, Neugier, Vorurteilslosigkeit und Humor, nichts davon lernt man in der Regel an der Universität. Schon gar nicht an einer deutschen.
Bemerkenswert am neuen Buch Zizeks, „Auf verlorenem Posten”, ist allerdings, dass all das stärker denn je in den Hintergrund rückt. Sehr deutlich lässt sich vielmehr ein roter Faden erkennen, woran die von Suhrkamp (in Abstimmung mit dem Autor) vorgenommene Kürzung von neun auf sechs Kapitel ihren Anteil hat, aber ebenso wohl auch die Tatsache, dass es Zizek diesmal sehr ernst ist. So ernst, dass schon auf der ersten Seite der Einleitung steht: „Die Zeit der großen Erzählungen ist vorbei, vielmehr sollte die gewaltsame Durchsetzung großer Lösungen spezifischen Formen des Widerstands Platz machen. Sollten Sie auch nur die geringste Sympathie für diese Position empfinden, können Sie aufhören zu lesen und das vorliegende Büchlein wegwerfen.” Im Kern ist das Buch ein dementsprechend beinhartes, sogar gewaltbereites Plädoyer gegen jede Spielart des demokratischen Liberalismus und für eine zweite Chance des autoritären Kommunismus.
Den Zizek, der noch 2003 wütend Jörg Laus im Merkur vorgebrachten Vorwurf bestritt, er suche den guten Terror, und der in Umkehrung der 11. Marx’schen These dafür plädierte, nicht zu versuchen die Welt zu verändern, sondern sich von ihr zurückzuziehen und sie zu interpretieren – diesen Zizek gibt es nicht mehr. Damals stimmte er noch emphatisch Adornos Antwort auf die allgegenwärtige Frage „Was tun?” zu: „Ich weiß es nicht.” Jetzt hat er das dritte und letzte Kapitel einer Antwort gewidmet. Es heißt „Was zu tun ist”. Die Finanzkrise hat offensichtlich auch bei ihm Spuren hinterlassen. Seitdem die Frage nicht mehr allein ist, ob gegenüber dem Bankraub nicht nur die Gründung einer Bank das eigentliche Verbrechen ist, sondern vor allem auch die Rettung einer Bank, seitdem mag auch Zizek nicht mehr das hohe Lied des Nichtstuns singen.
Aber der Reihe nach.
Im ersten, diagnostischen Teil knöpft sich Zizek Demokratie, Liberalismus und westlichen Humanismus vor und enthüllt deren ideologischen Charakter im postideologischen Zeitalter. Der vermeintlich demokratische Kapitalismus scheitere an seinem eigenen Anspruch, gebäre Passivität und vereinzelte Glückssüchtige statt Teilnahme und wirklich freie Menschen. Frei wählen könne nur, wer die im Sinne des Systems richtige Wahl treffe. Und der vielbeschworene Multikulturalismus sei auch nicht mehr als eine scheinheilige imperiale Geste. Ohne Zweifel hat Zizek hier den Finger auf manch offene Wunde gelegt. Liberalismuskritik ist nötiger denn je. Ob er angesichts der Untiefen seiner Alternative, nicht doch zu fest zudrückt, ist natürlich eine andere Frage.
Bevor man jedoch davon erfährt, nimmt er in den beiden Kapiteln des zweiten Teils die Ideen so gut wie aller bekannten linken Theoretiker der Gegenwart von Giorgio Agamben über Frederic Jameson bis Ernesto Laclau und Chantal Mouffe auseinander: alles windelweiche Reformer des Bestehenden. Insbesondere geht es Simon Critchley und Antonio Negri an den Kragen. Critchley wolle das Unmögliche: eine „liberal-kapitalistische Demokratie mit menschlichem Antlitz”. Negri wiederum überschätze die Möglichkeiten sozialer Bewegungen und unterschätze die Notwendigkeit des Staates. Ohne staatliche Macht, so Zizek, gebe es schließlich keinen Raum für neue soziale Bewegungen. Als Beitrag zur Diskussion und pointierte Zusammenschau der unterschiedlichen linken Positionen ist das zweite Kapitel nicht zu unterschätzen. Zur eigentlichen Sache geht es jedoch erst im dritten und letzten Teil des Buchs.
Chinas „merkwürdige Kombination aus Kapitalismus und kommunistischer Herrschaft” hält Zizek für einen Segen. Das riesige Land habe sich nicht trotz, sondern wegen der autoritären kommunistischen Herrschaft so schnell entwickelt. Dass auch anderswo eine „aufgeklärte Elite” mit „nichtdemokratischen Mitteln” die Macht übernehme, um die Grundlage einer „wirklich stabilen Demokratie” zu schaffen, ist das favorisierte politische Modell. Auch was die Figur eines Führers betrifft, „sollte man die radikale Schlussforderung nicht scheuen”. Um „Begeisterung für eine Sache auszulösen”, sei er unverzichtbar.
Die „Sache”, die Zizek anstrebt, ist die „Diktatur des Proletariats”, bei der der „totalitaristische Exzess” auf der Seite des „Anteils der Anteilslosen” liege, den Einzigen, die in der Lage seien, im Sinne der „Allgemeinheit” zu handeln. Möglich erscheint ihm dies, weil sich die liberale Demokratie in unauflösbare Widersprüche verwickelt habe, der Klimawandel, die Biogenetik, die unübersehbare Uneinigkeit in Fragen des geistigen Eigentums und die Verslumung der Welt machten den Umsturz wahrscheinlicher. Unser Schicksal, die große (Umwelt-) Katastrophe sei jedoch nur abwendbar, wenn endlich „egalitäre Gleichheit” eingeführt werde, wenn es zur „schonungslosen Bestrafung aller” komme, die gegen „verordnete Schutzmaßnahmen” verstießen, wenn die liberalen „Freiheiten” „massiv eingeschränkt” werden könnten, wenn „potentielle Gesetzesbrecher” technisch überwacht würden und wenn „Vertrauen in das Volk” herrsche. Man solle sich auch nicht davor scheuen, die Gestalt des Informanten wiederzubeleben, „der die Schuldigen bei den zuständigen Stellen denunziert”. Die ökologische Herausforderung biete die „einmalige Gelegenheit, die ,ewige Idee‘ des egalitären Schreckens” neu zu erfinden.
So weit, so atemraubend. Gänzlich unerwartet kommen diese Ansichten für Beobachter des Denkens des slowenischen Philosophen natürlich nicht. Mehr oder weniger schreibt Zizek schließlich immer schon an ein und demselben Buch. Viele Motive und Einzelheiten sind bekannt. Die Radikalisierung, die unverhohlene Gewaltbereitschaft haben jedoch einen neue Qualität.
Dass aus dem Originaltitel „In Defense Of Lost Causes” der deutsche Titel „Auf verlorenem Posten” wurde, ist deshalb natürlich erstaunlich. Das Todernste, Kämpferische des Buchs wird so doch arg verschleiert. Die nun hindurchscheinende Lakonie ist Zizeks Sache überhaupt nicht, was man auch an den Teilen der amerikanischen Ausgabe sehen kann, die nicht in die (von Frank Born einwandfrei übersetzte) deutsche fanden. Unter anderem nämlich das fünfte Kapitel mit dem vorhersehbar provokanten Titel „Stalinism Revisited. Or, How Stalin Saved the Humanity of Man”. Es geht darin - „abgesehen davon, dass es (sc. der Stalinismus) die größte Katastrophe war, die Russland heimsuchen konnte” – unter anderem darum, dass in den stalinistischen Schauprozessen die Angeklagten immerhin wie „autonome ethische Subjekte” behandelt worden seien, weil sie persönlich für Taten verantwortlich gemacht wurden (die sie nicht begangen hatten, aber darum geht es Zizek hier natürlich nicht). Im Gegensatz zu Stalins Gegnern, die eine „umfassende modernistische Technisierung” des Lebens im Sinn gehabt hätten, und die dementsprechend Menschen nur als „Objekte von Biopolitik” angesehen haben. Puh. Dazu kommt eine sonderbare rhetorische Strategie: In dem Zizek obige Gedanken gleichzeitig selbst als „kontraintuitiv” und „paradox” und die Schauprozesse als „obszön” einordnet, scheint er munter zündelnd immer auf allen Seiten zugleich stehen zu wollen.
Das ist es, was ihm (neben seinem wüsten, mitunter erratischen Schreib- und Kompositions-Stil) den Ruf eingebracht hat, bei allem analytischen Gespür, ein intellektueller Clown zu sein. Dass er auch diesmal „mit erbitterter Konsequenz eine intellektuelle Konsequenz zu meiden” versucht, wie es ihm anlässlich seines 2005 erschienen Buchs „Die politische Suspension des Ethischen” vorgeworfen wurde, kann man inzwischen allerdings nicht mehr behaupten.
Die große Erzählung, die er wieder ins Werk setzen will, ist nichts anderes als ein Rechtfertigungsstrategie für Leid und Elend. Wie alle großen Erzählungen, weshalb ihre Abschaffung, nicht ihre Existenz ein Akt der Humanität waren.JENS-CHRISTIAN RABE
SLAVOJ ZIZEK: Auf verlorenem Posten. Aus dem Englischen von Frank Born. Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2009. 319 Seiten, 14 Euro.
Einer muss die Schuldigen bei den zuständigen Stellen denunzieren
„Zizek!” in der Regie von Astra Taylor Foto: Real Fiction/Cinetext
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jens-Christian Rabe ist sich bewusst, dass der schwitzende, hoch nervöse Slavoj Zizek zu der raren Spezies unterhaltsamer Allesdenker gehört. Den sprunghaften Philsophenclown kann Rabe in diesem neuen Buch allerdings nicht entdecken, stattdessen gibt es sogar einen roten Faden, offenbar geht es um die Wurst. Und wie! Rabe spricht von einem beinharten, gar gewaltbereiten Plädoyer gegen den demokratischen Liberalismus und für den autoritären Kommunismus, das kein gutes Haar an linken Positionen von Giorgio Agamben bis Toni Negri lässt. Gut weg kommt bei Zizek eigentlich nur der chiensische Herrschaftsstil, aber auch den Moskauer Prozessen kann er noch Positives abgewinnen. So weit, so drastisch, wobei dem Rezensenten aufgefallen ist, dass das Stalin-Kapitel der amerikanischen Ausgabe nicht in die deutsche Eingang gefunden hat. Richtig zur Sache, meint Rabe, geht es allerdings erst im letzten Teil des Bandes. Hier nämlich schießt Zizek mit seinem radikalen Lösungsvorschlag einer Diktatur des Proletariats nach Rezensentenmeinung weiter über jedes Ziel hinaus.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Zizek ist ein seltenes Originalgenie, sein Denken frech, sprunghaft und anekdotisch, es ist witzig und seitenweise ein großes Vergnüngen.« Thomas Assheuer DIE ZEIT 20090730