129,95 €
129,95 €
inkl. MwSt.
Sofort per Download lieferbar
payback
0 °P sammeln
129,95 €
129,95 €
inkl. MwSt.
Sofort per Download lieferbar

Alle Infos zum eBook verschenken
payback
0 °P sammeln
Als Download kaufen
129,95 €
inkl. MwSt.
Sofort per Download lieferbar
payback
0 °P sammeln
Jetzt verschenken
129,95 €
inkl. MwSt.
Sofort per Download lieferbar

Alle Infos zum eBook verschenken
payback
0 °P sammeln
  • Format: PDF

PLESSNER: STUFEN D. ORGANISCHEN U. D. MENSCH E-BOOK

Produktbeschreibung
PLESSNER: STUFEN D. ORGANISCHEN U. D. MENSCH E-BOOK

Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2019

Am Leitfaden des Leibes
Verhaltenslehre: Helmut Plessners letzte Vorlesungen

Beschreibungen des Menschen gibt es viele. Das wusste Hans Blumenberg, der in einer Edition aus seinem Nachlass, die just den Titel "Beschreibung des Menschen" trägt, einen Reigen von einschlägigen Kurzbeschreibungen aufführte, darunter: der Mensch, das "indirekte Wesen" (Simmel); das Wesen, das sich "an alles gewöhnt" (Dostojewski); das "Seiende, das redet" (Heidegger). Hält man Ausschau, was Helmuth Plessner am nächsten käme, so fiele die Wahl auf Benjamin Franklin: der Mensch, ein Werkzeug herstellendes Wesen.

Denn die Figur des Werkzeugmachers spielt eine zentrale Rolle in der aus dem Nachlass veröffentlichten Vorlesung zur "Philosophischen Anthropolgie", die der Philosoph und gelernte Verhaltensbiologe Plessner als Abschiedsvorlesung 1961 gehalten hat. Darin findet sich die Formulierung: der Mensch, das ist das Wesen, das "Sinn für Sachlichkeit" hat, aber sich nicht immer darauf verstehe. Ein ernster Scherz: Denn Sachlichkeit bedeutete für Plessner Distanzfähigkeit zu sich. Diese Formulierung entspricht der spröden Ironie der Vorlesung. Es ist ein Ton, der noch die Aura von Weimars Neuer Sachlichkeit atmet, jener Zeit, in der Plessner die wesentlichen Figuren seines Denkens entwickelte. Zugleich sind darin die nachdenklicheren Züge jener Bonner Republik herauszuhören, insofern sie sich auf ein Ethos verstand, das zur Selbstrelativierung fähig war.

Doch verbirgt sich hinter der Sachlichkeitsgeste unterschwellige Sorge. Plessner handelt von vier Beunruhigungen: Die Fraglichkeit der Sonderstellung des Menschen (Darwin), die Sorge um das Leib-Seele-Verhältnis (Freud), die Sorge um die Schere zwischen Lebens- und Weltzeit - und die Fraglichkeit der Person in der sozialen Welt an der Grenze von Privatheit und Gesellschaft, wie er es in seiner Schrift "Die Grenzen der Gemeinschaft" skizziert hat. Und im Schatten des Nationalsozialismus kommt eine fünfte Sorge hinzu: um die Ideologieanfälligkeit der Anthropologie.

Sein Ansatz, so Plessner, diene nur der "Beschreibung einiger Kriterien des Humanen", sie sei "Lehre vom Verhalten" am "neutralen Leitfaden" des Körpers. Eine Formulierung, die verständlich macht, wie Plessner zur Schlüsselfigur in Helmut Lethens "Verhaltenslehre der Kälte" werden konnte, die zur Plessner-Renaissance beitrug. Eine Verhaltenslehre aber ist keine Ethik, sondern Meinen in einem Schema, das auf Abrichtung oder Anpassung abzielt. So macht Plessner nie den in der Phänomenologie gängigen Unterschied zwischen Verhalten und Sich-Verhalten deutlich; erst Letzteres aber öffnet den Weg zu den menschlichen Erfahrungen wie Trauer oder Sorge.

Die Sache kommt vielleicht in anderes Licht, wenn man Plessners Lebensthema, die Leiblichkeit, von allzumenschlicher Seite anschaut. Auffällig betont Plessner stets das Missverhältnis zwischen Leibsein und Körperhaben - ist der Körper wie ein "Futteral". Plessner, das geht aus den Lebensbeschreibungen seiner Frau Monika hervor, wurde mit einem verkrüppelten Arm geboren. Diesen Arm gilt es im Blick zu haben, wenn Plessner "Verdinglichung" und "Instrumentalität" als "natürliches Handicap" des Menschen bezeichnet. Die drei Warnungen, die er in seinen Vorlesungen ausspricht, sind die Warnungen eines Versehrten, der um die Korruptibilität des Menschen weiß.

Da ist die Warnung vor der Anfälligkeit der Anthropologie, in die Nähe einer Apotheose des Kriegers abzugleiten, wie es Plessner vom Exil aus erlebte. War die Figur des "Invaliden seiner höheren Kräfte" bei Herder noch auf "geistige Gaben" gerichtet, fände in der "Kriegeranthropologie" vom Schlage Arnold Gehlens eine Umwertung statt: "Aus der Intelligenz werden Waffen." Die Abwertung des Geistes gehe mit einer Aufwertung von Herrschaftswissen einher, die seelische Brachen hinterlassen habe.

Die zweite Warnung betrifft, was man ziviles Ethos nennen kann. Was Plessner dabei über französische Komik, englischen Humor und den jüdischen Witz als eine Vorschule höherer Nachdenklichkeit sagt, gehört zum Besten dieser Texte. Auch hier fließt eine Warnung ein: Plessner diagnostiziert eine "Anästhesie der Gefühle" in der Nachkriegskultur. Ein "Unterdrückungsstil" des Emotionalen sei in der Dichtung auszumachen, der die "Gefühlsmöglichkeiten" für "innere Erneuerung" verhindere. - Dachte Plessner an Jünger oder Benn? Hier klingt er wie ein Therapeut deutscher Mentalität.

So auch am Ende, wenn Plessner das unendliche Aggressionspotential des Menschen hervorhebt. Wir hätten, gibt er seinen Zuhörern auf den Weg, mit den "Dunkelstellen unseres Selbst" zu rechnen. Ob Plessner damals jemanden mit seinen Worten erreichte, ist ungewiss. Was er mit diesem schmalen Band hinterließ, ist, was philosophische Anthropologie avant la lettre schon einmal war: eine Erfahrungskunde des Allzumenschlichen.

TILL GREITE

Helmut Plessner: "Philosophische Anthropologie". Göttinger Vorlesung vom Sommersemester 1961. Hrsg. von Julia Gruevska, Hans-Ulrich Lessing und Kevin Liggieri.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2019. 256 S., br., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr