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Ein Schiff voll exotischer Lebewesen Im Jahre 1643: Der junge Piemontese Roberto de La Grive ist in geheimer Mission unterwegs. Als Spion im Dienste Frankreichs begibt er sich auf die Suche nach dem Nullmeridian, dem zur exakten Navigation notwendigen Fixpunkt der Erde. Doch genau in dem Moment, als er der Aufklärung des Rätsels nahe gekommen ist, sinkt sein Schiff in einem Sturm und nur Roberto kann sich retten. Tagelang treibt er im Pazifik, bis er auf ein verlassenes Schiff stößt. Aber nach einer Weile merkt er, daß noch jemand außer ihm an Bord ist. Und der Fremde ist, wie sich zeigt,…mehr

Produktbeschreibung
Ein Schiff voll exotischer Lebewesen
Im Jahre 1643: Der junge Piemontese Roberto de La Grive ist in geheimer Mission unterwegs. Als Spion im Dienste Frankreichs begibt er sich auf die Suche nach dem Nullmeridian, dem zur exakten Navigation notwendigen Fixpunkt der Erde. Doch genau in dem Moment, als er der Aufklärung des Rätsels nahe gekommen ist, sinkt sein Schiff in einem Sturm und nur Roberto kann sich retten. Tagelang treibt er im Pazifik, bis er auf ein verlassenes Schiff stößt. Aber nach einer Weile merkt er, daß noch jemand außer ihm an Bord ist. Und der Fremde ist, wie sich zeigt, hinter dem gleichen Ziel her wie Roberto ...

Dennoch sieht Roberto in dem Fremden seinen Schicksalsgenossen. Von seinem Versuch, zu der Insel des vorigen Tages, die östlich der Datumsgrenze liegt, zu gelangen, kehrt der Fremde jedoch nicht mehr zurück. In seiner Verlassenheit beginnt Roberto sich einen Roman auszudenken, in dem sich Wahn und Wirklichkeit immer mehr vermischen. Dies führt zu einer waghalsigen Entscheidung ...
Autorenporträt
Eco, Umberto
Umberto Eco, 1932 in Alessandria (Piemont) geboren, lebte bis zu seinem Tod am 19. Februar 2016 in Mailand und lehrte Semiotik an der Universität Bologna. Er verfasste zahlreiche Schriften zur Theorie und Praxis der Zeichen, der Literatur, der Kunst und nicht zuletzt der Ästhetik des Mittelalters. Der Roman 'Der Name der Rose' (dt.1982) machte Eco weltberühmt, viele weitere Romane folgten und wurden Bestseller. Er war einer der bedeutendsten Schriftsteller und Wissenschaftler unserer Zeit. Für sein Werk wurde er mit nicht weniger als neunundvierzig Ehrendoktorwürden aus aller Welt geehrt.

Kroeber, Burkhart
Burkhart Kroeber studierte in Tübingen, Heidelberg und Paris die Fächer Ägyptologie, Romanistik und Politikwissenschaft. Er wurde 1968 in Tübingen promoviert. Seine Übersetzungen der Werke von Umberto Eco aus dem Italienischen (seit Der Name der Rose) sind im deutschsprachigen Raum weit verbreitet. Er übersetzt ebenfalls Texte von Italo Calvino (seit Wenn ein Reisender in einer Winternacht) und anderen Autoren, auch literarische Texte aus dem Amerikanischen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.1995

In dieser zufälligsten aller Welten
Odyssee im Meer des Zweifels: Umberto Ecos "Insel des vorigen Tages" Von Kurt Flasch

Der dritte Roman von Umberto Eco, im Oktober in Mailand erschienen und soeben glänzend übersetzt, spielt nicht in einer Bibliothek. Zwar gibt es auch diesmal am Ende ein Riesenfeuer, aber bis dahin bewegen wir uns überwiegend in Gottes freier Natur (wenn man so sagen darf). Die Geschichte spielt - nach einem Vorspiel in Oberitalien und in Paris - weit draußen bei den Fidschi-Inseln, vor dem 180. Längengrad. Schulatlanten zeigen diesen Meridian als einen Strich, auf dessen rechter Seite "Sonntag", auf dessen linker Seite "Montag" steht. Ein Seemann, der an diese Linie heranfährt, sieht auf der anderen Seite der Datumsgrenze die Inseln von gestern. Daher der Titel des neuen Romans.

Diesmal geht es um Liebe, nicht nur um Sex und Sünde, sondern um eine verträumt-zögerliche, eine unrealisiert-romantische Liebe. Nun wissen wir seit Kierkegaard: Zum Helden wird man - nicht durch das Mädchen, das man kriegt. So wird Roberto zum Helden dieses Romans durch die Frau, die er nicht kriegt. Nie hat er sie berührt. Er sehnt sich nach ihr. Die Sehnsucht verschmilzt mit der Suche nach der Insel, die im Gestern liegt. Roberto hat die Insel in Sichtweite vor sich, und der Roman handelt von der Schwierigkeit, hinüberzukommen und damit dem Zeitfluß entgegenzuschwimmen. Wie das ausgeht, soll nicht verraten werden; Robertos Liebe jedenfalls spielt einzig in der Liebesgeschichte, die er sich für die Geliebte ausdenkt und die nur funktioniert, weil die Geliebte den Mann, mit dem sie aus Paris verschwindet, fälschlich für Roberto hält.

Doch das ist vorgegriffen. Der Roman erzählt zunächst eine spannende Geschichte, eine Art Polit-Thriller: Ein junger Mann aus Alessandria (wir sind in der Welt der Zufälle, und zufällig stammt Eco auch aus dieser Stadt) kommt nach Paris. Dort geht soeben die Herrschaft Richelieus zu Ende. Mazarin drängt an die Macht. Frankreich kämpft mit England um die Vorherrschaft auf den Weltmeeren. Mazarin erkennt, daß Frankreich den Welthandel nur in die Hand bekommt, wenn neuentdeckte Gebiete wieder aufgefunden, also eindeutig nach Längen- und Breitengrad identifiziert werden können. Mazarin läßt Roberto entführen und zwingt ihn, seinen Auftrag entgegenzunehmen: Er soll den Fixpunkt aufsuchen, nach dem die Längengrade bestimmt werden können.

Er schickt Roberto mit einem Forschungsschiff in die Südsee, aber das Schiff geht im Sturm zugrunde: Roberto überlebt als einziger den Schiffbruch; er kann sich auf einer Holzplanke retten und wird auf ein verlassenes Schiff zugetrieben. Er betritt es. Bei näherer Untersuchung zeigt sich, daß es für eine ähnliche Expedition ausgerüstet war. Die Weltmächte des siebzehnten Jahrhunderts gierten nach dem geographischen Fixpunkt wie die Militärblocks des zwanzigsten Jahrhunderts nach Uran. Drüben, jenseits der Zeitgrenze, sieht Roberto die Insel des gestrigen Tages. Davor liegen unüberwindliche Korallenriffe. Roberto unternimmt alles, sie zu erreichen.

In dieser Krisensituation philosophiert er. Um überleben zu können, erzählt Roberto sich Geschichten. Er geht seine Vergangenheit durch. Dabei trifft er immer wieder auf seinen Widersacher. Alles Unglück schreibt er, der Zauderer, seinem erdachten Zwillingsbruder zu, dem bedenkenlosen Ferrante. Immer mächtiger baut sich die Figur des Bösen vor ihm auf. Er malt sich dessen Liebesglück mit der angebeteten Signora aus. Schließlich kommt es zum tödlichen Zweikampf; Ferrante fällt. Roberto begreift, daß er Ferrante und Roberto ist.

Ecos dritter Roman ist spannend erzählt; manche werden ihn als Abenteurer- und Seefahrerroman lesen. Er schildert eine Episode aus dem harten Kampf um die Seeherrschaft anno 1643. Passagenweise sieht er aus wie ein historischer Roman. Aber Eco reflektiert ironisch sein Erzählen; insofern handelt sein Buch vom Romaneschreiben. Das Erfinden von Geschichten vergewissert uns, daß es zumindest eine Möglichkeit gibt, die Knäuel des Lebenswirrwarrs aufzudröseln.

Aber hinter diesen Kulissen öffnen sich andere Veduten: Roberto denkt nach über eine Welt, in der es keine von der Natur vorgegebenen Fixpunkte mehr gibt. Die Erde ist aus dem Zentrum des Universums gerollt; sie hat seit Kopernikus ihr eindeutiges Oben und Unten verloren. Ecos neues Buch erzählt die Odyssee des "großen Jahrhunderts": Das Zeitalter der Vernunft sucht einen definitiven Halt und gerät dabei an die Ränder seiner Welt und seines Denkens. Die Vernunft, soeben von Galilei und Descartes zum Triumph über alte Vorurteile geführt, gebiert am Tage darauf utopische Visionen und Träume metaphysischen Erschreckens. Sie erfährt, wie zufällig diese Welt und damit sie selbst ist. Roberto bewegt sich am Rande von Raum und Zeit; er protokolliert das Scheitern einer selbstsicheren Vernunft. Sie trifft in der Natur nichts eindeutig Festes mehr an. Statt wohlgeformter Dinge sieht sie Zufallswirbel der Atome; von der Erde aufblickend, sieht sie die Zufallswirbel der Galaxien. Der Rückzug des Denkenden auf sich selbst bietet keinen Halt mehr: Er ist Roberto und Ferrante; er kann die Gedanken Ferrantes denken und zerstört damit die cartesianische Gewißheit "Ich denke, also bin ich".

Dieser Roman handelt von der Zerstörung der "klassischen Vernunft". Er feiert keineswegs das Ende aller Vernunft, denn sie gewinnt sich zurück als Zweifeln, als ständiges Zurückgehen hinter anerkannte Prämissen. Die traditionelle Vernunft - nicht nur die der Jesuiten, sondern die der Aristoteliker ebenso wie die ihrer Gegner - forderte, daß die Welt eine sei, geordnet von einem weisen Urheber, aufgebaut nach logischen Regeln. Die Welt, sagte Galilei, sei ein Buch, mit mathematischen Lettern geschrieben. Eco läßt Denker des siebzehnten Jahrhunderts auftreten, die an dieser klassischen Konzeption rütteln. Er hält sich nicht an die Denkriesen, die sich einstweilen durchgesetzt und die europäische Aufklärung begründet haben, also nicht an Galilei und Descartes, sondern an Ketzer und einsame Zweifler, an altmodische Käuze, retardierende Sammler und metaphysisch motivierte Bastler, also an Übergangsfiguren, die noch etwas von den älteren Harmoniebildern retten wollten.

Bald werden die Eco-Philologen über den Text herfallen und uns mit Quellennachweisen überschütten. Sie werden die Überfülle gelehrter Anspielungen entschlüsseln. Doch bis dahin sucht der Leser einen Faden in diesem Labyrinth. Natürlich gibt es da mehr als einen Faden, und es gibt auch nicht nur ein Labyrinth. Aber der Leser wird sich etwas leichter zurechtfinden, wenn er sich klarmacht: Roberto, der naive junge Landadlige, gerät in Paris in die Salons der Freigeister. Einer von ihnen kehrt in Robertos Erinnerungen und Reflexionen immer wieder; Roberto nennt ihn nie beim Namen, sondern spricht von ihm immer nur als dem "Kanonikus von S. Digne". Robertos Leben bildet die Probe auf die Exempel dieses Denkers. Die Philosophiegeschichte kennt ihn als Gegner des Descartes und nennt ihn mit Namen: Pierre Gassendi.

Gassendi dachte den Kosmos als ein unendliches Spiel von Atomen; es gibt also unendlich viele Welten. Was wir für Dinge ansehen, sind Konglomerate von Atombewegungen. Was kompakt und dingfest scheint, ist teilbar ins Unendliche, wenn auch vielleicht nicht schon durch uns. Unser Sinnesapparat täuscht uns stabile Dinge und eine geordnete Welt vor. Aber Gassendi war schließlich ein Kirchenmann, und so wollte er trotz seiner Zufallsphilosophie festhalten an der Allursächlichkeit Gottes. Ein ewiger Weltenplan ordnet die unübersichtliche Summe der Zufallsbewegungen und -begegnungen. Das ist ein widerspruchsvolles System, gewiß, aber es dient dem sinnierenden Roberto als Modell.

Er erprobt es im Blick auf seine Erfahrungen. Es verschafft ihm Abstand zu den Jesuitendenkern mit ihrem Versuch, Glauben und Wissen zu versöhnen. Es erklärt ihm, warum er den Fixpunkt der Zeitbestimmungen nicht finden kann. Denn der denkende Blick geht über alles Fixierte hinaus ins unendlich Kleine und zugleich ins unendlich Große. Giordano Bruno hatte diese Unendlichkeiten entdeckt; er war dafür verbrannt worden. Er hatte aus den Beweisen des Kopernikus die philosophischen Konsequenzen gezogen und die neue Unendlichkeit mit ihrer Vielzahl der Universen enthusiastisch bejaht.

Unser Roman spielt in der Generation danach; ihre Außenseiter erfassen die Folgelasten des Fortschritts; sie erfahren die Unendlichkeit als Bodenlosigkeit und als Bedrohung. Die Wortführer des Zeitalters unternehmen alles Erdenkliche, um Chaos und Endlosigkeit fernzuhalten, aber sie können den Schrecken der unendlichen Räume nicht bannen. Der Denker dieses Erschreckens war Blaise Pascal. Er tritt im Roman zunächst nur wie beiläufig auf, als ein bleicher junger Mann, der nicht mehr daran glaubt, daß die Natur vor dem Vakuum zurückschreckt. Er wird beweisen, daß es einzig die Professoren der Sorbonne sind, die davor zurückschrecken.

Der Schlußteil des Buches steht dann wieder unter dem Zeichen Pascals. Der Roman spielt in Wirklichkeit nicht auf dem 180. Längengrad, sondern auf der Oszillationslinie zwischen Gassendi und Pascal. Am Schluß entschließt sich Roberto, alles zu wagen, um zur Geliebten zu kommen, die er drüben auf der Insel des vorigen Tages ahnt. Und dabei greift er vor seiner letzten Entscheidung zurück auf die Spiellogik Pascals. Pascals "Wette" lehrt, das Dasein Gottes bejahen, weil es nicht zu beweisen ist, weil aber nur durch Bejahung eine unendliche Seligkeit - eventuell - zu gewinnen sei. Mit dieser Motivation wagt Roberto den letzten Sprung. Die verlorene Insel des Anselm von Canterbury, die Insel Utopia des Thomas Morus, sie sind so unerreichbar, wie sie unentbehrlich sind. Die Insel, das ist "unerreichbare Nähe". Roberto lernt, was ihr Name bedeutet: Sie hat in der Erfahrung keinen Ort.

Es gibt unzählige Seefahrergeschichten, und literarische Muster lassen sich in Ecos Roman mit Händen greifen. Dennoch ist dieses Buch zunächst nicht nach seinen Vorgängern, auch nicht nach dem "Namen der Rose", zu bewerten, sondern nach seinem eigenen theoretischen Gehalt und seiner künstlerischen Form. Es ist ein "Candide" des zwanzigsten Jahrhunderts. Es erforscht die Rolle der Vernunft in der Gegenwart: Was wird aus der Vernunft, wenn sie eingestehen muß, daß sie nicht nur abhängt von allen Zufällen der Außenwelt, nicht nur von berauschenden-täuschenden chemischen Substanzen, sondern auch von Liebestollheit und törichten Traditionen? Was wird aus ihr, wenn sie erfährt, daß sie eine Insel im Meer des Unbewußten ist? Wenn sie Gedanken denkt, die ihr entgehen, heimliche, unmerkliche Gedanken?

Eco verschafft sich objektivierende Distanz, indem er diese Erprobung zurückverlegt ins Zeitalter der Vernunft. Er verdeckt seinen Kunstgriff mit allen Raffinessen der Gelehrsamkeit und des literarischen Mimikry. Was herauskommt, ist ein Bildungsroman, die Geschichte einer "langsamen, langen Erziehung" mit genau angebbaren Bildungsstufen. Das beginnt mit der väterlichen Erziehung zum agrarisch-militärisch tüchtigen Landadligen; es folgen verschiedene Kindereindrücke von Frömmigkeit und den Kuriositäten eines Hauslehrers, eines reisenden Karmelitermönchs, dem man nachsagt, er sei auf seinen Wanderungen zum Islam übergetreten. Roberto fängt an, das Zweifeln zu lernen. Er versucht es mit dem enzyklopädischen Bildungsstil der Spätrenaissance, der auf Analogien, nicht auf kausaler Analyse beruht. Sein Kinderglaube ringt mit der Freigeisterei. Gelehrte Jesuiten eilen dem bedrängten Glauben mit ihrer "Wissenschaft" zur Hilfe, aber dieser "moderne" Jesuitenstil wird bedrängt vom skeptischen Atomismus.

Wir erleben mit Roberto die Geschichte des Naturbegriffs vom Konzept der universalen Sympathie zum Mechanismus: Was einmal "Schöpfung" hieß, wird zum Tanz von Atomen. Der Mensch wird zur Maschine, ein Wesen ohne Seele. Einer der Lehrer Robertos hat eine Denk- und Metaphernmaschine entwickelt; aber da sie über die Kombination von Vokabeln nicht hinauskommt, geht die Entwicklung des Wissenskonzepts weiter - von der Mechanisierung der Begriffs- und Bilderbeziehungen zur kausalen Analyse. Dies sind klar sich abzeichnende Stufen, aber es sind Stufen, die ins Nichts führen. Die "Reife" ist die Zersetzung.

Die neue italienische Rechte hat bereits lautstark gegen den "Nihilismus" und Individualismus dieses ruinösen Bildungsganges Robertos protestiert; sie hätte es gern etwas gemütlicher, etwas sozialer und "positiver". Ihre Wortführer haben ihre Gewißheiten bislang nicht begründet. Und sie haben übersehen, daß von Nihilismus ohnehin nicht die Rede sein kann, da Eco mit einer zaghaften Anspielung auf Spinoza offen läßt, ob nicht die Bejahung der unvermeidbaren Zufälligkeit die einzig mögliche Befreiung wäre, die "intellektuelle Liebe zu Gott".

Eco gestaltet sein Programm in einem komplexen System von Erzählungen. Genau besehen handelt es sich um ein Anti-System von Erzählungen. Es wird Leser geben, die sich an der Nase herumgeführt fühlen. Autor und Leser spielen öfter einmal Igel und Hase: Kaum ist der Leser eine der Furchen entlanggehastet, tritt ihm von der Stirnseite her der Autor mit lächelnder Überlegenheit entgegen und sagt ihm: Ich konnte dir doch nicht schon zu Anfang sagen, daß alles nur Fiktion ist.

Dieses Buch tritt nicht wirklich hinaus in die rauhe Natur und in die Stürme der Liebe. Es riecht nicht nach Salzwasser, sondern nach Bibliotheken. Aber dies gehört noch zu seiner künstlerischen Form. Es verschmäht vorgetäuschte, dumpfe "Lebensnähe". Es ist das ironisch gebrochene Logbuch einer surrealistischen Existenz. Es ist nicht aus dem Bauch geschrieben, sondern mit dem Kopf und dem Computer, mit einer Unzahl alter Scharteken im Rücken. Es hat Längen und andere Schwächen, aber gegen alles dies hat der Autor intelligente Gegenmittel beigegeben. Der Leser, immer wieder verblüfft und zuweilen verwirrt (vor allem über die entscheidende Rolle des "sympathetischen Pulvers"), endet mit Bewunderung. Natürlich ist auch das die falsche Reaktion. Sie gehört noch zur Warenwelt, mit der der Büchermacher Eco seine wunderlichen Allianzen schließt. Denn es kann nicht darum gehen, die Virtuosität des Verfassers zu bewundern, sondern sich aufzumachen zur Odyssee der Vernunft.

Umberto Eco: "Die Insel des vorigen Tages". Roman. Aus dem Italienischen übersetzt von Burkhardt Kroeber. Hanser Verlag, München 1995. 512 S., geb., 49,80 DM.

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"Eco ist ein geistreicher, auf seine Art vollkommener Autor." Claus-Ulrich Bielefeld, Tagesspiegel Messebeilage, 03/95

"Eco schafft es, daß sich der Leser plötzlich für das Problem der Meridiane, für die Entdeckung der Südsee, für das Weltbild des 17. Jahrhunderts zu interessieren beginnt. Ecos untrügliches Gespür für ideengeschichtliche Konstellationen und Kuriositäten läßt ihn auch in der Insel des vorigen Tages nicht im Stich." Konrad Paul Liessmann, Der Standard, 03.03.95

"Autor in Fabula: Umberto Eco durchbricht immer wieder die Illusion, die seine Geschichte gerade inszeniert, holt den Leser auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Nicht, um ihm diese Wirklichkeit bedeutend zu machen, sondern im Gegenteil das Verlangen nach dem Roman zu stärken. Ein hochgescheiter, mit viel historischem, theologischem, astronomischem und philosophischem Wissen aufgefüllter Kosmos ... Schon Don Quijote verlor sich in der Welt der Romane - und Eco zeigt uns, daß es mit dieser wie mit so mancher Gefahr ist: Man kann daran sein Vergnügen und im Überwinden Erkenntnis finden." Urs Bugmann, Luzerner Neueste Nachrichten, 08.03.95

"Ein Buch von brillantem intellektuellem Background. Ein Abenteuerroman zwar, doch einer, der in den faszinierenden Grenzbereich zwischen Wissenschaft und Scharlatanerie führt." News, 09.03.95

"... spannend erzählt, eine Art Polit-Thriller. Es erzählt die Odyssee des Großen Jahrhunderts: Das Zeitalter der Vernunft. Der Leser, immer wieder verblüfft, ... endet mit Bewunderung." Frankfurter Allgemeine Zeitung…mehr