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Produktdetails
Trackliste
CD
1La forza del destino (Die Macht des Schicksals, Oper in 4 Akten) (Auszug)
2Mein Vater! - Schändlicher Schuft00:02:30
3Holla! - Nun kommt und setzt euch - Beim Schalle der Trommel - Ein Student bin ich00:10:44
4Hier bin ich - Mutter der reinsten Gnaden00:07:02
5Das Leben ward für mich zur Hölle - Du steigst empor zur Seligkeit00:09:27
6Das ist Verrat! - Zwei Freunde auf Tod und Leben - Gott! Er ist verwundet00:04:41
7Vorsicht! Setzt nieder - In heiliger Stunde00:05:58
8O schreckensvolles Schicksal - Was ihr auch berget, Blätter des Schicksals00:06:15
9Tarantella - Vivat! Vivat! - Welch ein Lärmen00:05:15
10Ach, lasst doch! Lass ihn laufen - Rataplan00:03:42
11Umsonst, Alvar', suchst du im Kloster00:07:57
12Gnade, Gnade, mein Heiland00:05:12
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.01.2023

Jetzt kommt Sinn ins Ganze

Gut gekürzt: Peter Konwitschny inszeniert Verdis "Macht des Schicksals".

Von Reinhard Kager, Linz

Ärgerlich wirft Don Alvaro den Revolver in die Bühnenmitte. Da knallt es laut. Unversehens hält die Musik inne, als ein leuchtender Feuerball in Zeitlupe auf den Marchese di Calatrava zufliegt, mit glänzenden Augen verfolgt von bleichen, grau bekleideten Choristen, die sich in zwei ausgebrochenen Türportalen drängeln. Erinnyen, die sich schon darauf freuen, dass Alvaro bald auch Don Carlo tödlich verwunden wird? Oder bloß kriegslüsterne Menschen, die mit ihren Blicken gierig die Kugel geradewegs ins Ziel zu lenken scheinen? Es ist eine gespenstische Szene, mit der Peter Konwitschny in seiner neuen Inszenierung am Linzer Musiktheater den ersten Akt von Giuseppe Verdis "La forza del destino" enden lässt. Zugleich wirft sie weitere Fragen auf: Ist es wirklich ehernes Schicksal, das Alvaro und Leonora ereilt und ihre Liebe zerstört? Oder bloß schrecklicher Zufall, der durch den unabsichtlich gelösten Schuss zum Tod des Marchese führt und letztlich darauf basiert, dass Menschen überhaupt Waffen bauen und Kriege führen? Solche Fragen zu stellen ist nur eine der Stärken von Konwitschnys erster Inszenierung der 1862 in Sankt Petersburg uraufgeführten Oper Verdis. Ein noch größerer Verdienst gebührt ihm für seine Strichfassung: Auf knapp eindreiviertel pausenlose Stunden verdichtet Konwitschny die von Francesco Maria Piave verwickelt erzählte Geschichte nach einem Drama von Ángel de Saavedra und bringt dadurch die Familientragödie auf den Punkt. Gewiss sind musikdramaturgisch einige Einbußen hinzunehmen, weil die Figur des Franziskaners Melitone sowie fast alle Szenen mit Soldaten, Marketenderinnen, Bauern und Bettlern eliminiert wurden, doch der Gewinn, den Kern des Stücks gleichsam herauszuschälen, ist bei Weitem größer. Zumal Konwitschny die Präsenz des Kriegs - die Oper entstand wenige Jahre nach Ende des Krimkriegs - keinesfalls unterschlägt.

Das zeigt sich schon am Bühnenbild, das Konwitschny selbst entworfen hat und mithilfe von Anna Beck auf die große Drehbühne in Linz stellte: das Innere eines dunklen, meterhohen Betonbunkers, der offensichtlich gewaltsam verwüstet wurde, ohne dass der Schutt in den Ecken beseitigt worden wäre. Licht fällt nur durch kleine Fensterschlitze hoch oben an den schräg zueinander stehenden Wänden. Kaum dreht sich die Bühne, so erscheint - ob als Kulisse des Palasts der Calatravas, des Klosters oder der Einsiedelei - stets dasselbe düstere Bild. Ein beklemmendes Symbol für die Omnipräsenz des Krieges, der noch in die vermeintliche Weltabgeschiedenheit dringt.

Mit konziser Personenführung präzisiert Konwitschny gleich zu Beginn des Übels Wurzel: das autoritäre, patriarchalische Gefüge in Gestalt des Marchese di Calatrava (Michael Wagner) und seines nicht minder intoleranten Sohns Don Carlo (Adam Kim). In dieser abgespeckten Version erscheint es noch aberwitziger, dass sich Carlo, obwohl befreundet mit Alvaro, der ihm das Leben rettete, wie ein Besessener auf diesen stürzt, als er durchschaut, den Schuldigen am Tod seines Vaters vor sich zu haben. Nicht minder plausibel ist Leonoras Reaktion auf die mahnenden Worte ihres Vaters, der sie offenkundig von der Außenwelt abschirmt: Kaum ist der Marchese weggegangen, da schlüpft sie schon in ein schickes, rotes Kleid und will dieser Enge mit einem Köfferchen auf High Heels entfliehen (Kostüme: Anna Beck und Karin Waltenberger).

Durch geschickte Umstellungen einiger Szenen bringt Konwitschny noch weitere Spannung ins Spiel. Als gleichsam abstrakte Einschübe sind immer wieder Chöre aus den ursprünglichen Volksszenen zu sehen, allesamt gesungen von dem bravourös-gespenstischen Furienchor (Einstudierung: Elena Pierini). Dass "Nella guerra e la follia" ans fatale Ende des ersten Akts rückt, macht ebenso Sinn wie das zackig skandierte "Rataplan" mit Preziosilla (Manuela Leonhartsberger) direkt nach dem tödlichen Duell zwischen Alvaro und Carlo. Glänzend begleitet wird der straffe szenische Ablauf vom Bruckner Orchester Linz. Der Italiener Enrico Calesso am Pult lässt nicht nur manche Bilder hochdramatisch erstrahlen, ohne der Musik die Transparenz zu nehmen, sondern leuchtet auch mit großer Elastizität förmlich in die Seelen der Protagonisten. Vor allem lässt er das Orchester stets im Einklang mit dem Bühnengeschehen musizieren. Mit der jugendlich-frischen, stets gut fokussierten südafrikanischen Sopranistin Erica Eloff steht auch eine ausgezeichnete Leonora auf der Bühne, die in dem höhensicheren koreanischen Tenor Sung-Kyu Park einen ebenbürtigen Partner findet. Die beiden stehen an der Spitze eines tadellosen Ensembles, das am Ende dieses beklemmenden Theaterabends noch ein unerwartetes Fünkchen Hoffnung bereithält: Da treten alle Mitwirkenden gemeinsam aus dem Bunker ins Licht, um das aus dem zweiten Akt stammende Gebet der Pilger zu singen, "Padre Eterno Signor pietà di noi" (Vater, Gott in Ewigkeit, erbarme dich unser) - eine wie auch immer utopisch anmutende Friedensbotschaft in unserer krisenhaften Zeit.

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