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Geschichten und Berichte: über ein Gelage und über die Winde, die dabei entschlüpfen; über Liebesbriefsteller und ihren zweifelhaften Nutzen; über die Entdeckung der Stadt Schleich-di; über die Wiederkehr des Che Guevara; über Gedichte einer Frau, die immer alles gewußt hat, und über Gedichte einer Frau, die sich nie überschätzt hat; immer wieder über Menschen, denen der Autor zugetan ist - in fester Umarmung.

Produktbeschreibung
Geschichten und Berichte: über ein Gelage und über die Winde, die dabei entschlüpfen; über Liebesbriefsteller und ihren zweifelhaften Nutzen; über die Entdeckung der Stadt Schleich-di; über die Wiederkehr des Che Guevara; über Gedichte einer Frau, die immer alles gewußt hat, und über Gedichte einer Frau, die sich nie überschätzt hat; immer wieder über Menschen, denen der Autor zugetan ist - in fester Umarmung.
Autorenporträt
Erich Hackl, geboren 1954 in Steyr, hat Germanistik und Hispanistik studiert und einige Jahre lang als Lehrer und Lektor gearbeitet. Seit langem lebt er als freier Schriftsteller in Wien und Madrid. Seinen Erzählungen, die in 24 Sprachen übersetzt wurden, liegen authentische Fälle zugrunde. 'Auroras Anlaß' und 'Abschied von Sidonie' sind Schullektüre. 2018 erschien die vielbeachtete Erzählung 'Am Seil. Eine Heldengeschichte'. Hackl wurde unter anderem 2017 mit dem Menschenrechtspreis des Landes Oberösterreich ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.1996

Ab nach Schleich-di
Erich Hackls Berichte und Geschichten / Von Ulrich Weinzierl

Schriftsteller, das weiß man aus Erfahrung und aus Biographien, sind oft nicht eben angenehme Zeitgenossen. In puncto Politik und Moral zumindest stehen sie im Ruf sehr unsicherer Kantonisten. Bewundernswerte Talente können jenseits ihrer Kunst, zum Beispiel im Privatbezirk, von erlesener Scheußlichkeit sein. Jedenfalls zählen gütige Dichter in der literarischen Fauna zu den eher seltenen Vögeln. Auch wer den Österreicher Erich Hackl nicht persönlich, sondern nur aus seinen Schriften kennt, wird ihn ohne Zögern der merkwürdigen Spezies zurechnen: Dieser Autor ist zweifellos begabt und wirkt trotzdem sympathisch, märchenhaft fern von jeglichem Zynismus. Noch seltsamer mutet an, daß Hackl damit Erfolg hat wie wenig andere im deutschsprachigen Raum.

1985 hatte das Debüt des Einunddreißigjährigen, "Auroras Anlaß", mehr als Aufsehen erregt: Alsbald erklomm das schmale Buch mit dem aufrüttelnden Einleitungssatz "Eines Tages sah sich Aurora Rodríguez veranlaßt, ihre Tochter zu töten" die Bestsellerlisten und erhielt außer einem Preis das Prädikat "Kleistisch erzählt". Auch was folgte, "Abschied von Sidonie" und zuletzt "Sara und Simón", fand ein großes Publikum und stieß bei Rezensenten unterschiedlicher ästhetischer Bekenntnisse auf Zustimmung, wenn nicht gar Begeisterung. Die Diskrepanz zwischen dem hohen Emotionsgehalt tragischer Mutter-Kind-Beziehungen und strengster Nüchternheit in der Diktion bewahrte Hackls Prosa vor dem Abgleiten ins Triviale, in den Kitsch. Nie jedoch verbarg der "poetische Historiograph", wie er einmal genannt wurde, seine innere Anteilnahme an den von ihm mit kunstvoller Lakonie aufgezeichneten Schicksalen; zumal da es sich stets um authentische Fälle und reale Personen handelte. Immer steckt in seinen Darstellungen auch ein Quentchen von "fabula docet", somit von Exemplarischem: Ohne aufdringlich zu sein, will er belehren.

Aus seiner Gesinnung hat Erich Hackl von Anfang an kein Hehl gemacht. Er war schon "links", bevor es modern wurde, und ist es in den Tagen der konservativen Wende mit ihren ideologischen Massenbekehrungen geblieben. Obwohl er das abgedroschene und allzu häufig mißbrauchte Wort "antifaschistisch" meidet, sind seine Geschichten durchweg vom Geist des Widerstands gegen rechte Gewalt und Diktatur beflügelt. Doch zuallererst schreibt Hackl wider das Vergessen an, den "einzigen Tod, der wirklich tötet".

Davon zeugt auf vielfältige Weise seine jüngste Veröffentlichung, eine Sammlung fast ausnahmslos bereits publizierter Texte. "In fester Umarmung" bietet ein kunterbuntes Allerlei aus Literaturgeschichte und Kritik samt einer Prise Polemik, aus Porträts und historischen Studien mit Parabelcharakter. Immer erzählt Erich Hackl Geschichte von unten, aus der Perspektive der Opfer. Das indes ist keine Frage der Erzähltechnik, sondern von Empathie und Identifikation. Genaue Recherche steht jeweils am Anfang seines Arbeitsprozesses, und manchmal wird Hackl die Humanarchäologie zum Hauptthema. So wenn er den Archivar der österreichischen Spanienkämpfer, Hans Landauer, aufsucht und mit dessen Hilfe zahlreiche abenteuerliche Lebensläufe aus der Bürger- und Weltkriegsepoche präsentiert. Hier schlüpft der epische Miniaturenmaler in die Rolle des Detektivs und Rekonstrukteurs all des Vergangenen. Mit Walter Benjamin zu sprechen, den Erich Hackl gerne zitiert: "Der Chronist ist der Geschichts-Erzähler." Neben Österreich im zwanzigsten Jahrhundert gilt das Interesse des gelernten Hispanisten Hackl in erster Linie dem lateinamerikanischen (Sprach-) kontinent.

Provinziellen Antisemitismus, die Verstocktheit schlechten Gewissens in seiner engeren oberösterreichischen Heimat, entlarvt er ebenso wie die schicke Geschwätz- und Freßkultur in Wien. Mit schöner Nachdrücklichkeit erinnert er an zwei aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängte Gestalten der österreichischen Literatur, an Henriette Haill und Susanne Wantoch. Frei von Verklärungstendenzen, möchte er ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen. Daß Erich Hackl bei allem Ernst eines leichten und humoristischen Tones fähig ist, beweist seine Expedition in die "Stadt Schleich-di", eine Wien-Satire in der Nachfolge Swifts.

Politische Einäugigkeit läßt sich ihm, trotz unübersehbarer Verachtung für den hemmungslosen Wirtschaftsliberalismus, schwerlich nachsagen. "Im Dickicht der Einsamkeit", der Bericht einer Reise nach Kuba, wo das angeschlagene kommunistische Regime Erich Hackls Übersetzer Jorge Pomar Montalvo in den Kerker warf, ist zugleich Anklage gegen und Nekrolog auf Fidel Castros Revolution. Daß den Nachrufer der Abschied von den verratenen Idealen schmerzt, verleiht seiner Reportage zusätzliche Glaubwürdigkeit. Die titelgebende Geschichte des Bandes, "In fester Umarmung", ist zur Gänze dem uruguayischen Literaten Eduardo Galeano gewidmet. Eine Liebeserklärung, gewiß, und doch auch ein Selbstporträt im Fremdporträt: "Denn er vertraut den Fakten mehr als der Fiktion", heißt es da, "er erfindet nicht, er findet." Kaum minder aufschlußreich definiert Erich Hackl die Leser und Helden Eduardo Galeanos: "Menschen, die unter ihrer Vereinzelung, Vereinsamung leiden; die nach Spuren von Aufruhr suchen unter denen, die ihnen vorangegangen sind, die gescheitert sind, im Scheitern sich selbst aber nicht untreu wurden."

Erich Hackl: "In fester Umarmung. Geschichten und Berichte." Diogenes Verlag, Zürich 1996. 338 S., geb., 34,- DM.

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"Hackl writes in a fascinatingly fluent, clear and transparent language. It would be hard to think of a more succinct, precise and aesthetically satisfying way of describing individual suffering and social deprivation, human beings and the world."(Freitag)