Lily Brettmacht sich auf eine Reise, die sie von Mexiko nach Berlin und Polen und zurück in ihre Wahlheimat New York führt, wo die Autorin die Anschläge des 11. September 2001 aus unmittelbarer Nähe erlebt.
Offen und unverstellt schildert sie ihr Leben, ihre Gedanken, Gefühle, ihre Arbeit als Schriftstellerin und stellt wieder ihre unnachahmliche Kunst unter Beweis, schwere Themen in ein leichtes Sprachgewand zu hüllen.
Die persönliche Welt wird in ihrem neuen Buch erschüttert wie in keinem anderen zuvor: Das Apartment, das sie zusammen mit ihrem Mann bewohnt, brennt komplett aus. Als endlich wieder Ordnung einzukehren scheint, bricht der Terrorangriff über Manhattan herein und stellen alles in Frage. »Was zählt? Was zählt wirklich?«
Offen und unverstellt schildert sie ihr Leben, ihre Gedanken, Gefühle, ihre Arbeit als Schriftstellerin und stellt wieder ihre unnachahmliche Kunst unter Beweis, schwere Themen in ein leichtes Sprachgewand zu hüllen.
Die persönliche Welt wird in ihrem neuen Buch erschüttert wie in keinem anderen zuvor: Das Apartment, das sie zusammen mit ihrem Mann bewohnt, brennt komplett aus. Als endlich wieder Ordnung einzukehren scheint, bricht der Terrorangriff über Manhattan herein und stellen alles in Frage. »Was zählt? Was zählt wirklich?«
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.02.2004Mit Kladde im Garten
Entspannungsübung: Lily Bretts „Von Mexiko nach Polen”
„Sin sal, sin grasso” beschwört die mexikanische Hausangestellte ihre Arbeitgeberin, die im bunten Chaos des lateinamerikanischen Laissezfaire Erholung vom New Yorker Alltag sucht, um sie zu überreden, von den liebevoll zubereiteten Speisen wenigstens zu kosten oder sie gar – welch verruchter Genuss! – aufzuessen. Das neurotische Verhalten der Großstädterin kommt vor dem Hintergrund einer anderen Kultur wahrhaft köstlich zur Geltung. Das frühmorgendliche Gejogge durch den Park – in amerikanischen und europäischen Metropolen ein Massenphänomen, das dem Selbstkasteier bestätigt, auf der richtigen Seite zu sein – wird plötzlich fragwürdig, wenn interessiert lächelnde Zeitgenossen freundlich ihr Unverständnis bekunden. Und wenn die Schriftstellerin mit gezücktem Stift vor ihrer Kladde im Garten sitzt und ihr ein paar Tropfen aus der Gießkanne des Gärtners wahre Verzweiflungsschreie entlocken, hat sie ein neues Problem und zugleich seine Lösung: Sie ist hysterisch – und kann darüber lachen. Was jahrelanger Psychoanalyse nicht gelang, scheint hier möglich: Entspannung.
Lily Brett ist keine gewöhnliche Zivilisationsgestresste. Sie wurde 1946 in Deutschland geboren, ihre Eltern heirateten im Ghetto von Lodz, wurden in Auschwitz getrennt und fanden sich als KZ-Überlebende einige Jahre später wieder. 1948 zog die Familie nach Australien. Seit längerer Zeit lebt Lily Brett in New York, wo sie als Journalistin für ein Rockmagazin zum Schreiben kam. Inzwischen hat sie seit ihrem Debüt „Auschwitz Poems” eine stattliche Zahl literarischer Veröffentlichungen vorzuweisen. Ihre Bücher haben das Gewicht der Probleme der zweiten Generation, jener Nachfahren von Überlebenden, die schon als Kinder mit einem Leid konfrontiert sind, das ihre Vorstellungskraft übersteigt.
David Grossmans „Der Kindheitserfinder” ist dafür der nahezu klassische Text. Anders als ihr in Israel lebender Kollege aber, der sein großes Werk mit dem stilistischen Ernst der Moderne vorantreibt, schreibt Lily Brett betont leicht: kurze Sätze, klare Aussagen, knappe Dialoge, hohe Anschaulichkeit. Noch nie war die Autorin ihrem Stilideal so nahe wie in diesem Buch.
MEIKE FESSMANN
LILY BRETT: Von Mexiko nach Polen. Roman. Aus dem Englischen von Melanie Walz. Deuticke Verlag, Wien und Frankfurt am Main 2003. 383 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Entspannungsübung: Lily Bretts „Von Mexiko nach Polen”
„Sin sal, sin grasso” beschwört die mexikanische Hausangestellte ihre Arbeitgeberin, die im bunten Chaos des lateinamerikanischen Laissezfaire Erholung vom New Yorker Alltag sucht, um sie zu überreden, von den liebevoll zubereiteten Speisen wenigstens zu kosten oder sie gar – welch verruchter Genuss! – aufzuessen. Das neurotische Verhalten der Großstädterin kommt vor dem Hintergrund einer anderen Kultur wahrhaft köstlich zur Geltung. Das frühmorgendliche Gejogge durch den Park – in amerikanischen und europäischen Metropolen ein Massenphänomen, das dem Selbstkasteier bestätigt, auf der richtigen Seite zu sein – wird plötzlich fragwürdig, wenn interessiert lächelnde Zeitgenossen freundlich ihr Unverständnis bekunden. Und wenn die Schriftstellerin mit gezücktem Stift vor ihrer Kladde im Garten sitzt und ihr ein paar Tropfen aus der Gießkanne des Gärtners wahre Verzweiflungsschreie entlocken, hat sie ein neues Problem und zugleich seine Lösung: Sie ist hysterisch – und kann darüber lachen. Was jahrelanger Psychoanalyse nicht gelang, scheint hier möglich: Entspannung.
Lily Brett ist keine gewöhnliche Zivilisationsgestresste. Sie wurde 1946 in Deutschland geboren, ihre Eltern heirateten im Ghetto von Lodz, wurden in Auschwitz getrennt und fanden sich als KZ-Überlebende einige Jahre später wieder. 1948 zog die Familie nach Australien. Seit längerer Zeit lebt Lily Brett in New York, wo sie als Journalistin für ein Rockmagazin zum Schreiben kam. Inzwischen hat sie seit ihrem Debüt „Auschwitz Poems” eine stattliche Zahl literarischer Veröffentlichungen vorzuweisen. Ihre Bücher haben das Gewicht der Probleme der zweiten Generation, jener Nachfahren von Überlebenden, die schon als Kinder mit einem Leid konfrontiert sind, das ihre Vorstellungskraft übersteigt.
David Grossmans „Der Kindheitserfinder” ist dafür der nahezu klassische Text. Anders als ihr in Israel lebender Kollege aber, der sein großes Werk mit dem stilistischen Ernst der Moderne vorantreibt, schreibt Lily Brett betont leicht: kurze Sätze, klare Aussagen, knappe Dialoge, hohe Anschaulichkeit. Noch nie war die Autorin ihrem Stilideal so nahe wie in diesem Buch.
MEIKE FESSMANN
LILY BRETT: Von Mexiko nach Polen. Roman. Aus dem Englischen von Melanie Walz. Deuticke Verlag, Wien und Frankfurt am Main 2003. 383 Seiten, 24,90 Euro.
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