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Russland beginnt einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, nur wenige Monate zuvor erleben die USA in Afghanistan ein außenpolitisches Debakel, und längst ist der Systemrivale China zur entscheidenden Supermacht aufgestiegen - der Westen steckt in einer nie da gewesenen Krise. Dabei schien der Siegeszug noch vor kurzem unaufhaltsam: Nach dem Ende des Kalten Krieges setzte sich im ehemaligen Ostblock die demokratische Marktwirtschaft durch, Russland wurde vom Feind zum Partner, selbst China wandte sich dem Kapitalismus zu. Dann die große Wende: Die Terroranschläge von 9/11 erschütterten den…mehr

Produktbeschreibung
Russland beginnt einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, nur wenige Monate zuvor erleben die USA in Afghanistan ein außenpolitisches Debakel, und längst ist der Systemrivale China zur entscheidenden Supermacht aufgestiegen - der Westen steckt in einer nie da gewesenen Krise. Dabei schien der Siegeszug noch vor kurzem unaufhaltsam: Nach dem Ende des Kalten Krieges setzte sich im ehemaligen Ostblock die demokratische Marktwirtschaft durch, Russland wurde vom Feind zum Partner, selbst China wandte sich dem Kapitalismus zu. Dann die große Wende: Die Terroranschläge von 9/11 erschütterten den Westen, der amerikanische «War on Terror» destabilisierte eine ganze Weltregion, der «Arabische Frühling» brachte am Ende nur neue Autokratien hervor, und mit der Annexion der Krim verschärfte sich die Konfrontation mit Russland. Anstelle einer liberalen Weltordnung ist eine neue Weltunordnung entstanden.

Peter R. Neumann, international gefragter Experte für Terrorismus und Geopolitik, zeigt, wie dies geschehen konnte und was jetzt passieren muss. Ein schonungsloser Blick auf die aktuelle Lage des Westens, der sich auf fatale Weise selbst überschätzt hat.
Autorenporträt
Peter R. Neumann, geboren 1974 in Würzburg, ist Professor für Sicherheitsstudien am King's College London und leitete dort lange das International Centre for the Study of Radicalisation (ICSR). Als international gefragter Experte war Neumann 2014 Berater der USA bei den Vereinten Nationen, 2017 Sonderbeauftragter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Daneben schreibt er u.a. für den 'Spiegel' und die 'New York Times'. Zuletzt erschien sein vielgelobtes Buch 'Die neue Weltunordnung'.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.10.2022

Globale Gefahren statt Stabilität
Peter R. Neumann und Carlo Masala diagnostizieren einhellig eine „Weltunordnung“, doch Lösungsvorschläge deuten sie nur an
Am Anfang war der Optimismus, wenn nicht sogar die Euphorie. Mit Anfang ist das Jahr 1990 gemeint. Ein Jahr nach dem Fall der Berliner Mauer, Amerikas Sieg im Irakkrieg und kurz vor dem Ende der Sowjetunion wähnte man sich am Beginn einer neuen liberalen Ära: einer Zeit, in der die Nationen in innenpolitischer Freiheit und außenpolitischer Harmonie koexistieren und die Starken die Rechte der Schwachen respektieren. Zwischenstaatliche Kriege galten als ein Relikt der Vergangenheit. Sofern militärische Mittel überhaupt erforderlich waren, sollten sie als international abgestimmte humanitäre Interventionen eingesetzt werden, um den letzten verbliebenen Potentaten den Garaus zu machen und den unterdrückten Gesellschaften weltweit die ersehnte Freiheit und Demokratie zu verschaffen.
Von dieser Weltsicht ist man mittlerweile grundlegend abgekommen. Der Kontrast zwischen damals und heute könnte größer kaum ausfallen. Was ist schiefgelaufen, dass Beobachter der internationalen Politik eine Neuerfindung des liberaldemokratischen Westens und des von ihm maßgeblich mitgestalteten internationalen Systems einfordern, um eine kontrollierbare – von friedlich ist keine Rede mehr – Weltordnung im 21. Jahrhundert zu ermöglichen?
Der Londoner Politikwissenschaftler Peter R. Neumann und sein Münchner Kollege Carlo Masala haben jeweils den Versuch unternommen, die derzeitige „Weltunordnung“ zu erklären und Vorschläge für eine Neuordnung zu formulieren. In Argumentation und Struktur sind sich die Bücher ähnlich. Das Ende des Kalten Krieges führte zu einer Neuausrichtung der westlichen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, basierend auf der Annahme, dass ernsthafte Feinde nicht mehr existierten und die verfügbaren Budgets sinnvoller in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur fließen sollten. Verteidigungspolitik diente nicht länger der Abwendung von Gefahren, sondern der Durchsetzung von Demokratie und Freihandel als vermeintliche Garanten des Weltfriedens. Auch China und Russland, davon war man noch in den frühen 2000er-Jahren überzeugt, würden über kurz oder lang dem westlichen Liberalisierungsdruck nicht widerstehen können. Hellsichtige Zeitgenossen, die frühzeitig vor einem Revival des Nationalismus und einer fanatischen Religionsauslegung als Folgeerscheinung der Globalisierung warnten, fanden kaum Gehör.
Neumann und Masala sind sich einig, dass der jahrzehntelange westliche Glaube an Demokratie- und Werteexport eine „Illusion“ war – mit in der Rückschau verheerenden Folgen für die betroffenen Gesellschaften und den Westen selbst: Im Nahen und Mittleren Osten bereiteten die militärisch oft halbherzigen und von wirtschaftlichen Eigeninteressen flankierten Interventionen nirgends den gewünschten Nährboden für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, sondern schufen vielmehr neue Unterdrückung und obendrein Brutstätten für islamistischen Terrorismus; in Russland und China beförderten sie, nicht zuletzt in Abgrenzung zur westlichen Schaufenstermoral, die Stabilisierung der Diktatur und das Erstarken von Nationalismus und Chauvinismus.
Parallel dazu geriet ab 2008 das Projekt einer liberalen Moderne auch von innen unter Druck. Ökonomisch in Folge der globalen Finanz- und Staatsschuldenkrisen, gesellschaftlich durch die Herausforderungen von Migration und Nationalismus. Augenscheinlichste Folgen dieses „Rendezvous mit der Globalisierung“ (Wolfgang Schäuble) waren 2016 der Brexit und die Wahl Trumps zum US-Präsidenten. Gerade mit Blick auf die jüngeren Entwicklungen inklusive der desaströsen Flucht der westlichen Verbündeten aus Afghanistan im vergangenen Jahr lohnt sich der Griff zu Neumanns nahezu tagesaktuellem Buch, während die Herausforderungen einer hybriden und informationellen Kriegsführung im bereits 2016 erschienenen und jetzt aktualisierten Band von Masala eingehender beleuchtet werden.
Anlass für Zukunftsoptimismus sehen weder Neumann noch Masala. Beide erwarten, dass wir uns an die derzeitige „Unordnung“ der globalen Zustände gewöhnen müssen, was nicht zwangsläufig heißt, dass uns ein neuerliches „dunkles Zeitalter“ bevorsteht.
Wie sich der Westen in der Welt künftig positionieren sollte, darüber gehen die Meinungen der beiden in Teilen auseinander. Für Masala lautet die Lehre der vergangenen Jahre, dass Moral und Demokratie in der internationalen Politik nicht länger im Vordergrund stehen dürfen. Statt auf illusorische humanitäre Ziele sollten die Staaten auf eine pragmatische, interessengeleitete Politik setzen und festgefügte Strukturen durch an der Sache orientierte Koalitionen auf Zeit ablösen – so lasse sich zwar nicht immer das normativ Gute erreichen, wohl aber Stabilität und Verlässlichkeit.
Im Kern teilt auch Neumann den Wunsch nach mehr Realismus. Gleichwohl warnt er davor, dafür das Band gemeinsamer westlicher Ideen gänzlich über Bord zu werfen. Zu Recht, schließlich führt der Russland-Ukraine-Krieg gerade eindrucksvoll vor Augen, dass mitunter Positionen sich als richtig herausstellen können, die über kurzfristiges staatliches Nützlichkeitsdenken hinausgehen. Leider vermag Neumanns Konzept einer „nachhaltigen Moderne“ als Grundgerüst eines erneuerten Westens die Erwartungen nicht zu erfüllen. Die wenigen Seiten dazu sind bestenfalls eine erste Ideenskizze, etwa wenn es heißt, dass der Westen an Grundwerten wie Menschenrechten und Freiheit festhalten solle, ohne jedoch diese um jeden Preis durchsetzen zu wollen.
Die Stärke der Bücher von Neumann und Masala liegt eindeutig in der Beschreibung dessen, was seit 1990 falsch gelaufen ist. Die Ideen für Veränderung gehen hingegen über wolkige Schlagworte (Neumann) und den realistisch-nüchternen, aber eher ambitionslosen Hinweis darauf, dass internationale Politik eben kein Wunschkonzert sei und man sich am Machbaren orientieren müsse (Masala), kaum hinaus. Die diagnostizierte „Weltunordnung“ wird sich so nicht beseitigen lassen.
FLORIAN KEISINGER
Sollen Moral und Demokratie
künftig in den Hintergrund
rücken, um Krisen zu lösen?
Weltunordnung, Osteuropa: Fotos vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij und Russlands Präsident Wladimir Putin hängen in einem TV-Studio, in dem Frankreichs Präsident Emanuel Macron (Mitte) ein Interview gibt.
 Ludovic Marin/AFP
Peter R. Neumann:
Die neue Weltunordnung. Wie sich der Westen selbst zerstört. Rowohlt, Berlin 2022. 336 Seiten, 24 Euro.
E-Book: 19,99 Euro.
Carlo Masala:
Weltunordnung. Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens. Verlag C.H. Beck, München 2022 (6. Auflage). 199 Seiten, 16,95 Euro.
E-Book: 12,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2022

Nachhaltige Zeitenwende

Die Welt ist multipolar - passen wir uns an: Peter Neumann gibt dem Westen einen pragmatischen Leitfaden an die Hand

Von Thomas Speckmann

Es ist gar nicht lange her, da galt es in Europa als schick, sich eine multipolare Weltordnung zu wünschen. Selten dürfte ein Wunsch aus Europa in der Staatengemeinschaft derart aufmerksam erhört worden sein. Und selten dürften die Folgen eines Wunsches derart gravierend gewesen sein - nicht zuletzt für Europa selbst. Es leidet mit am stärksten an einer Welt, die zunehmend aus einer Vielzahl von Machtzentren besteht - in Europa zunächst wirtschaftlich zu spüren, dann gesellschaftlich und politisch, schließlich militärisch, auf dem Balkan und in der Ukraine.

So mancher wird sich inzwischen die "alte" Welt zurückwünschen - wenn schon nicht unilateral, dann zumindest bipolar geordnet. Doch diese Welt gibt es nicht mehr. Und sie dürfte in absehbarer Zeit auch keine Renaissance erleben. Stattdessen muss Europa versuchen, in der "neuen Weltunordnung", wie auch Peter Neumann die "neue" Welt nennt, zu überleben. Dazu hat der Professor am King's College London eine Art Leitfaden geschrieben. Auch er verwendet dabei den Begriff "Zeitenwende". Bei ihm ist es allerdings eine doppelte, zeitlich versetzte: zunächst gegen die liberale Moderne nach dem Ende des alten Kalten Krieges und nun als Gegenbewegung des Westens gegen seine Feinde.

Neumann zieht eine ernüchternde Bilanz der ersten Zeitenwende: Osteuropa sei zwar demokratisch geworden. Aber die meisten Nachfolgestaaten der Sowjetunion - inklusive Russland - seien nach ein oder zwei freien Wahlen zu autokratischen Herrschaftsformen zurückgekehrt. Der Versuch, den Nahen Osten mit militärischer Gewalt zu demokratisieren, sei gescheitert. Und der Arabische Frühling habe nicht zu mehr Demokratie geführt, sondern zu einem Revival von Diktatoren und Dschihadisten. Auch China sei trotz Handel und Dialog nicht freier und demokratischer geworden, sondern habe sein autoritäres Herrschaftsmodell gefestigt.

Innerhalb des Westens erkennt Neumann eine Erosion demokratischer Werte und den Aufstieg antiliberaler Kräfte, die nicht selten - und nicht zufällig - mit Putins Russland sympathisierten. Er zitiert den "Demokratieindex" des "Economist", der 2021 den schlechtesten Wert seit 15 Jahren verzeichnete: Nur 6,4 Prozent der Weltbevölkerung lebten in "vollständigen Demokratien". Mehr als die Hälfte, 54,3 Prozent, befanden sich in Ländern, die als "autoritär" oder "hybrid" klassifiziert werden.

Vor diesem Hintergrund und ganz unabhängig vom Ausgang des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine sieht Neumann keinen Anlass, von einer baldigen "Wiedergeburt der Freiheit" zu träumen. Im Gegenteil: Er mahnt zur Vorsicht. In seiner Bilanz der ersten Zeitenwende haben die "naiven, oftmals völlig unrealistischen Ideen westlicher Politikeliten" ganz erheblich dazu beigetragen, dass die "quasi-hegemoniale Stellung", die der Westen nach Ende des alten Kalten Krieges innehatte, Schritt für Schritt verloren ging und dass antiliberale Kräfte - sowohl innerhalb als auch außerhalb des Westens - immer stärker wurden. Ein Weiter-so unter diesen Bedingungen sei gefährlich, wenn nicht sogar fatal. Wenn der Westen sich und seine Errungenschaften erhalten wolle, müsse er sich dringend neu erfinden, und zwar als "nachhaltige Moderne".

Die heute ausgerufene Zeitenwende versieht Neumann mit Leitideen für eine solche Moderne. Bislang macht er drei westliche Denkschulen aus: die Antiimperialisten, die den Westen abschaffen wollten; die Liberalen, die an die selbstheilenden Kräfte der Moderne glaubten; die Realisten oder Neorealisten, die sich für interessengeleitete Politik einsetzten. Keine dieser Antworten ist für Neumann überzeugend: Die Vision der Antiimperialisten missachte die Errungenschaften des Westens. Die Liberalen täten so, als sei alles in Ordnung. Die Realisten oder Neorealisten wollten den Westen zu einer Abkehr von den Werten zwingen, die ihn definierten.

Dem stellt Neumann einen Ansatz gegenüber, durch den der Westen viel zielgerichteter aus seinen Fehlern lernen soll: Statt sich von seinen Werten abzuwenden, müsse er sie neu interpretieren. Das vom Autor erhoffte Ergebnis: eine Moderne, die liberale und pluralistische Werte beibehalte, aber in ihrer Umsetzung ehrlicher, pragmatischer und inklusiver handele. Im Ergebnis wäre dies das Gegenteil einer sich selbst zerstörenden Moderne - eine nachhaltige Moderne.

In ihr Zentrum stellt Neumann den Anspruch von Ehrlichkeit. Nach Jahrzehnten des gescheiterten "Demokratie-Exports" sollten westliche Eliten endlich akzeptieren, dass nicht alle Gesellschaften so denken oder sein wollten wie sie. Nach seiner Beobachtung bestimmen Religion, Nationalismus und ethnische Identität die politischen Präferenzen - und das Handeln - vieler Menschen mindestens genauso stark wie das Streben nach einem liberalen Regierungssystem. Dass es dem Westen schwerfalle, diese Kräfte zu verstehen, habe es seinen Gegnern leichter gemacht, sie für ihre eigenen Zwecke zu mobilisieren.

Zu Ehrlichkeit gehört für Neumann auch, sich eigener Defizite bewusst zu werden. Die liberale Demokratie bezeichnet er als ein "starkes und gerechtes System". Jedoch zeige sie auch Schwächen wie die Kurzfristigkeit demokratischer Zyklen oder die Offenheit für Manipulation von außen. Vor allem aber neigten liberale Demokratien dazu, sich selbst für den Nabel der Welt zu halten: "Ewiger Friede" sei nicht erreicht, bloß weil sich westliche Gesellschaften dies wünschten. Und Globalisierung führe nicht automatisch dazu, dass alle vom Westen abhängig würden, sondern könne auch das Gegenteil zur Folge haben. Ein Westen, der nach dieser Definition ehrlicher mit anderen und sich selbst wäre, könnte in dieser Betrachtung bescheidener und gleichzeitig konsequenter sein, da er verstünde, dass liberale Werte zwar universal seien, aber durch jeweils unterschiedliche politische, historische und kulturelle Erfahrungen gefiltert würden.

Ein nachhaltiger Westen wäre pragmatischer und würde sich bei jeder Entscheidung fragen, ob die Absichten mit den vorhandenen Mitteln wirklich zu erreichen seien. Neumann verdeutlicht dies an aktuellen Beispielen: Einem pragmatischen Westen wäre früher klar geworden, dass das Ziel eines sicheren, stabilen und - mehr oder weniger - demokratischen Afghanistan illusorisch gewesen sei. Ein solcher Westen hätte verstanden, dass eine turbokapitalistische Schocktherapie die Entstehung von Demokratie in Russland nicht fördern würde, sondern behindern. Und ein solcher Westen wäre inklusiver: Er nähme gerade die Bedürfnisse derjenigen ernst, deren wirtschaftlicher, politischer und psychologischer Verlust durch Veränderungen die Grundlage für die nächste gesellschaftliche Gegenreaktion sein könnte. Dies wird nach Neumanns Prognose besonders wichtig sein, wenn in den kommenden Jahrzehnten die Weltwirtschaft nach ökologischen Prinzipien umgebaut werde - ein gigantischer Prozess, der auf allen Kontinenten Gewinner, aber auch Verlierer hervorbringen wird.

Umso mehr fordert er die nachhaltige Moderne. Sie soll die liberale Moderne effektiver machen, wobei deren Sinn und Zweck niemals aus dem Blick geraten dürfe: die Förderung von Menschenrechten, Freiheit und Wohlstand, also jener Errungenschaften, die den Westen zum besten und erfolgreichsten Gesellschaftssystem in der Geschichte habe werden lassen. Daher dürfe auch eine ehrlichere, pragmatischere und inklusivere Moderne keine "faulen Kompromisse" mit ihren Feinden eingehen. Wer das pluralistische Gesellschaftsmodell ablehne, bekämpfe oder ein Gegenmodell zu ihm propagiere, könne kein permanenter Partner sein. Wer sich aber in Richtung Pluralismus bewege, solle willkommen geheißen werden. Dadurch würde es auch leichter, gemeinsame Interessen zu identifizieren und robuste Allianzen zu schmieden. Eine neue multipolare Weltordnung, die sich auch Europa wünschen dürfte - nach all den ernüchternden Erfahrungen mit der gegenwärtigen Multipolarität.

Peter R. Neumann: "Die neue Weltunordnung". Wie sich der Westen selbst zerstört.

Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2022. 336 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ziemlich kalt serviert Rezensent Victor Mauer "Die neue Weltunordnung" des in London lehrenden Politikwissenschaftlers Peter R. Neumann ab. Nichts Neues, nichts Interessantes findet der Rezensent in diesem Buch. Intellektuell geradezu unterfordert fühlt sich Mauer von dem Überblick über die vergangenen dreißig Jahre internationaler Politik. Dass Neumann den Westen für alles verantwortlich mache, auch für Russlands destruktive Politik und Chinas Autoritarismus, geht dem Rezensenten zudem völlig gegen den Strich. Wenn Neumann gegen Idealismus, Neorealismus und Doppelmoral, gegen Fukuyama, Ferguson oder Winkler antritt, dann steigt Maurer aus.

© Perlentaucher Medien GmbH
Eine umsichtige, abwägende, präzise Schilderung der Desaster des Westens. Stefan Reinecke taz 20230321