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Produktdetails
Trackliste
LPDOW 1
1First light tundra00:10:16
2Early morning forest00:14:36
3Late morning show00:07:33
LPDOW 2
1Noon white mountain00:14:32
2Afternoon ice fog00:07:19
3Evening blizzard00:09:53
4Night tundra00:04:29
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.11.2015

Nachmittags ist mit Nebel zu rechnen

Ja, sind wir etwa schon wieder so weit? Einen ganzen Wintertag hat der New Yorker Jazzgitarrist Scott DuBois auf seinem Album "Winter Light" (ACT/Edel) musikalisch eingefangen. Die harschen Single-Note-Linien, die er in "Early Morning Forest" in kaum fassbarer Geschwindigkeit und mit eruptiver Pracht aus sich heraussprudeln lässt, glitzern in kühler Eleganz. Der deutsche Saxophonist Gebhard Ullmann entlockt seiner Bassklarinette Töne, die nicht von dieser Welt sind: Mal pirscht er sich mit vorsichtiger Zärtlichkeit an, dann, an anderen Stellen, knarrt und brummt sein Instrument so bedrohlich, dass der "Afternoon Ice Fog" fast zu einer physischen Erfahrung wird. Der amerikanische Bassist Thomas Morgan folgt dem Bandleader in die entlegensten Winkel dieser Expedition der sieben Kompositionen, und auch der dänische Schlagzeuger Kresten Osgood ist ein Meister an Dezenz: Er unterlegt die Musik mit einem ständigen, stillen Feuer. Kann aber auch gehörig auf die Pauke hauen, wenn's nötig ist.

roth

*

In der Geschichte des Jazz hat es ein Konzert wie dieses kaum je gegeben. Die "Hommage à Eberhard Weber", dokumentiert vom Plattenlabel ECM/Universal, fand statt im Stuttgarter Theaterhaus zum 75. Geburtstag Webers, dem, auch international, meistbeschäftigten deutschen Jazzbassisten. Vor acht Jahren hatte Weber einen Schlaganfall, danach trat er nicht mehr auf. Seine Kompositionen wurden neu arrangiert für die SWR Big Band sowie für Gäste, mit denen er früher gespielt hatte, darunter Gary Burton, Pat Metheny, Jan Garbarek: ein Staraufgebot. Metheny schrieb das Hauptwerk des Albums, nach Motiven aus Webers Improvisationen, er ließ ein Video von Weber einspielen und improvisierte am Schluss zu Webers Zitaten. "Visuelles Sampling" nennt er diese Technik. Weber, der sich gleichzeitig als Konzertgänger und Spieler erlebte, bekennt im Begleittext der CD, er sei sprachlos gewesen - wir ergänzen: vor Glück, Anerkennung oder der Erinnerungen wegen? Anrührend die Improvisation Garbareks auf dem Sopransaxophon zu einem von Band eingespielten Solo Webers. Wundervolle Big-Band-Arrangements von Michael Gibbs und Rainer Tempel lassen den oft von majestätischer Poesie überwölbten Weber-Kompositionen die Ehre individueller Einfälle angedeihen.

u.o.

*

Selbst hochkompetente Musikkenner geben zu, sich mit der Musik des Mittelalters schwerzutun, ja, womöglich schwerer als mit Neuer Musik: Kontrastierende Ausdruckscharaktere seien kaum erkennbar, feierlich-statischer Einheitsklang herrsche vor, und nicht wenige Kanon- und Zahlenfinessen blieben "Papiermusik". Gemessen an tradierter Espressivo-Ästhetik ist dieser Eindruck nicht einmal falsch. Trotzdem lag der Moderne viel am Brückenschlag zum Alten: Anton Webern, auch Pierre Boulez suchten im fünfzehnten Jahrhundert nach Impulsen fürs zwanzigste. Und auch Adaptionen entstanden. So hat Heinz Holliger zwischen 2001 und 2009 einige Stücke von Guillaume de Machaut transkribiert und umkomponiert, freilich nicht nach Art archaischer Kuschel-Sakralität, sondern als Aneignung durch Brechung: Basis sind originale A-capella-Werke Mauchauts, die einer klingenden Spektralanalyse durch ein Bratschen-Trio unterzogen werden. Das fabelhafte Hilliard Ensemble hat diese Werke jetzt, unterstützt von den Violaspielern Geneviève Strosser, Jürg Dähler und Muriel Cantoreggi, neu aufgenommen (ECM/Universal). Mit pfeifenden Flageolett-Überblendungen und anderen Avantgarde-Spieltechniken entsteht so ein schillerndes Vexierbild von Alt und neu. Eine Monodie hat Holliger vierstimmig, durchaus auratisch, weiterkomponiert. In der abschließenden "Complainte" verbinden sich Stimmen und Bratschen zu schmerzlicher Ausdrucksdichte, in der Archaisches dem Hörer utopisch dringlich unter die Haut fährt.

G.R.K.

*

In die grelle Innovationstrompete wird hier nicht geblasen. Stattdessen beweist diese CD mit Liedern und Bagatellen von Ludwig van Beethoven (Harmonia Mundi) seine Originalität fein und leise. Der Pianist Christoph Berner mischt sich, auf einem Wiener Flügel von 1847, mit den Bagatellen op. 126 zwischen ausgewählte Lieder Beethovens, gesungen von Werner Güra, so, dass Stück für Stück in Geste und Stimmung aufeinander antwortet. Die Nummer zwei in g-Moll wendet den Ungestüm des liebenden Herzklopfens im "Lied aus der Ferne" in Wut und Zerrissenheit eines Verstoßenen. Die Nummer eins in G-Dur führt die Geborgenheit weiter, die zwei Menschen in dem Lied "Zärtliche Liebe" erleben: "Da war kein Tag, wo du und ich nicht teilten unsre Sorgen". Güra singt dies ebenso rührend wie meisterlich. Ein Ausrufezeichen wird ihm Gelegenheit zum Atmen, wenn "die letzten Strahlen untergehn", verdämmert seine Stimme, und wenn "Abendlüfte im zarten Laube flüstern", spürt man den Hauch auf der Haut. Hier werden Sprechen und Singen restlos eins. Die Sprache gewinnt durch Musik eine Form und das Singen durch die Sprache einen Sinn. Das hörend zu erfahren ist ein Glück.

jbm.

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