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Seneca, der stoische Moralphilosoph, hat auch 'Naturwissenschaftliche Untersuchungen' in acht Büchern veröffentlicht, die in jüngster Zeit wieder verstärktes Interesse finden. In ihnen geht es dem Autor um die Stellung des Menschen im Kosmos, für ihn ist Naturwissenschaft die Grundlage der Ethik. Seneca behandelt folgende Themen: Feuererscheinungen am Himmel, Blitz und Donner, Wasser auf und in der Erde, speziell den Nil, Wolken, Winde, Erdbeben und Kometen. Die 'Naturales quaestiones' referieren das Wissen der antiken Naturforscher und Senecas eigenen Standpunkt in der Diskussion seiner Zeit.

Produktbeschreibung
Seneca, der stoische Moralphilosoph, hat auch 'Naturwissenschaftliche Untersuchungen' in acht Büchern veröffentlicht, die in jüngster Zeit wieder verstärktes Interesse finden. In ihnen geht es dem Autor um die Stellung des Menschen im Kosmos, für ihn ist Naturwissenschaft die Grundlage der Ethik. Seneca behandelt folgende Themen: Feuererscheinungen am Himmel, Blitz und Donner, Wasser auf und in der Erde, speziell den Nil, Wolken, Winde, Erdbeben und Kometen. Die 'Naturales quaestiones' referieren das Wissen der antiken Naturforscher und Senecas eigenen Standpunkt in der Diskussion seiner Zeit.
Autorenporträt
Seneca (Lucius Annaeus Seneca, auch Seneca der Jüngere genannt, zwischen 4 v. Chr. und 1 n. Chr. Cordoba - April 65 n. Chr. bei Rom) war unter den Kaisern Caligula und Claudius als Anwalt, Quästor und Senator tätig. Im Jahr 41 ins Exil nach Korsika geschickt, wurde er acht Jahre später zur Erziehung Neros nach Rom zurückberufen. Als Dichter beschäftigte sich Seneca in »Medea«, »Oedipus« und sieben weiteren Tragödien mit Stoffen aus dem griechischen Sagenkreis. Mit der »Apocolocyntosis« (»Die Verkürbissung des Kaisers Claudius«) gelang ihm ein bissiges und scharfzüngiges Pamphlet gegen den Mann, der ihn ins korsische Exil geschickt hatte. Als Philosoph vertrat er in seinen Briefen »Epistulae morales ad Lucilius« (»Briefe an Lucilius über Ethik«) sowie in seinen Abhandlungen, beispielsweise »De vita beata« (»Vom glücklichen Leben«) oder »De tranquillitate animi« (»Von der Ausgeglichenheit der Seele«), die Lehre der Stoa, die Leben und Tod mit Genügsamkeit, Weisheit und Gleichmütigkeit entgegentritt. In diesem Geist erscheint auch Senecas Ableben, wie es der Historiker Tacitus in seinen »Annalen« beschreibt: Seneca wurde von Nero, der dem Lehrer zusehends entglitten war, der Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung beschuldigt und zum Selbstmord gedrängt - einem Befehl, dem der Philosoph laut Tacitus stoisch Folge leistete.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.1995

Der Kosmopolit im All
Projekt stoisches Weltethos: Senecas Naturphilosophie

Raumfahrer berichten, daß beim Start in die Atmosphäre die Identifikation mit der eigenen Nationalität schwindet, je kleiner die Flecken Erde werden, die man noch erkennen kann. "Es ist ein Punkt, worauf ihr fahrt, worauf ihr einander bekämpft, worauf ihr Staaten gründet . . .", könnte der Astronaut ausrufen. Das wäre ein Zitat aus dem ersten Buch von Senecas "Naturales Quaestiones". Hier spricht der stoische Kosmopolit. Die Beschäftigung mit den "sublimia", dem Überirdischen, bis hin zu den "caelestia", der Sphäre der ewigen Fixsterne, ist gute antike Tradition. Von hier nahm einst die ionische Naturphilosophie ihren Ausgang, ehe Sokrates sie, wie Cicero sagt, zu den Menschen zurückbrachte.

Wenn Seneca fortfährt: "Dort aber erstreckt sich der unabsehbare Weltraum, den die Seele unbehindert in Besitz nehmen darf, unter der Bedingung, daß sie so wenig als möglich vom Körperlichen mitbringt", wird freilich auch das platonische Erbe deutlich, das der Stoiker antritt. Denn diese metaphysische Standortbestimmung ist dem platonischen "Phaidros" entlehnt, wo die Seele zum Himmel und darüber hinaus fährt. Für Seneca ist es aber nicht die Schau der Ideen, die die Seele beflügelt, sondern die Erforschung der Naturphänomene selbst führt den Monisten durch die Elemente zu Gott.

Die seit langem fehlende zweisprachige Ausgabe bietet nun die Möglichkeit, auch bei geringeren Sprachkenntnissen die rhetorische Brillanz des Originals abzuschätzen. So führt Seneca seinem Adressaten Lucilius - man kennt ihn aus den Briefen - eindringlich den Gebrauch von Spiegeln als Mißbrauch zum Zwecke des Lustgewinnes vor Augen. Dabei wird er genauso anschaulich wie jene Spiegel, die dem Lüsternen in jeder erdenklichen Lage die eigenen Liebesstellungen zum Schaustück machen. Einblick in die römische Lebenswelt gewährt auch die Schilderung der reichen Römer, denen der Fisch so frisch serviert werden muß, daß sie die wechselnden Farben der sterbenden Barben betrachten, ehe diese roh verzehrt werden. Hier hat man jenes ästhetizistische Antlitz der Antike, das Flaubert bei seiner "Salammbô" vorschwebte, deren Geschichte er sich aus verstreuten Quellen zusammensuchen mußte, im Urtext. Leider entfernt die durchaus brauchbare Übersetzung sich bisweilen unnötig weit vom Original.

Man wird sich vielleicht fragen, wie Seneca überhaupt im Zuge seiner naturwissenschaftlichen Untersuchungen auf den Gebrauch von Spiegeln zu sprechen kommt. Doch in der stoischen Weltkonzeption hat alles seinen Sinn: Der Spiegel erfüllt seine eigentliche Bestimmung, indem er den Jüngling darauf aufmerksam macht, "daß es jetzt die rechte Zeit sei, zu lernen und hohen Zielen nachzustreben", oder aber, wenn jemand ein grauhaariges Konterfei erblickt, daß er "auf alles verzichte, was seine greisen Haare schänden könnte".

So ist das gelegentliche Wettern Senecas gegen die Verderbtheit seiner römischen Mitbürger kein bloßer Moralismus, sondern entspringt einem philosophischen Konzept, das in seiner Teleologie schon von sich aus stark moralische Züge trägt. Das zeigen auch die Einleitungen, die Seneca jedem seiner insgesamt sieben Bücher vorausschickt. Einmal begründet er, warum er sich, entgegen römischer Gepflogenheit, in seinem Alter nicht der Historie widmet, sondern der Naturwissenschaft: Er wolle nicht rückwärtsgewandt den Taten der Menschen nachgehen, sondern den Kosmos als Werk Gottes ergründen. Nur so könne er dem Ideal des stoischen Weisen näherkommen.

Der spekulative Charakter der Untersuchung rührt nicht zuletzt von einer Methode her, die auf das Experiment verzichtet zugunsten von Analogieschlüssen. Nun scheint Seneca selbst moderner Besserwisserei Vorschub zu leisten, indem er prophezeit, daß man bald alles schlüssiger erklären werde. So erlagen leider viele Interpreten, auch der Übersetzer in manchen der sonst informativen, knappen Anmerkungen, der Versuchung, dem Philosophen Irrtümer nachweisen zu wollen, als wäre er unser Zeitgenosse. Wer aber einfach nur die verschiedenen Erklärungsmodelle der antiken philosophischen Schulen studieren will, findet in diesem neben der "Meteorologie" des Aristoteles einzigen beinahe vollständig überlieferten Werk zu diesem Thema reiche Quellen, aus denen die folgenden Jahrhunderte schöpften: Wie Kometen und Halos entstehen, warum es donnert, das Wasser im Meer salzig ist, es zu Sintfluten kommt und die Erde, das anscheinend unerschütterliche Fundament von allem, beben kann.

Dieses Thema behandelt Seneca unmittelbar nach dem Beben von 62 n. Chr., das Kampanien heimsuchte. Es ist ihm Beispiel für die Ausgesetztheit des Menschen, dem nichts bleibt, als in sein Schicksal einzuwilligen. Die von Seneca angestrengte Ursachenforschung soll denn auch nicht dazu dienen, Beben vorauszuberechnen, sondern der Angst entgegenzuwirken und Gelassenheit gegen das Unabänderliche gewinnen zu helfen. Seneca will so seinem Lucilius eine Zuflucht in der Philosophie ermöglichen; und daß dies für Seneca kein rhetorischer Topos war, belegt sein von Nero erzwungener Selbstmord nicht lange nach Abfassung dieser Schrift. THOMAS SCHIRREN

L. Annaeus Seneca: "Naturales Quaestiones". Naturwissenschaftliche Untersuchungen. Herausgegeben und übersetzt von M. F. A Brok. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995. 492 S., geb., 128,- DM.

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