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Die Grundbegriffe der Moral bilden wechselnde Konstellationen, in denen sich ihr Gewicht und ihre Bedeutung verändern. Ideen wie Glück und Gerechtigkeit, Mitleid und Würde, Verantwortung und Freiheit durchziehen die Geschichte der Ethik und sind doch in wechselnde gesellschaft liche Verhältnisse eingespannt. Was geschieht mit ihnen unter den Bedingungen der kapitalistischen Modernisierung, die in einem immer dichter werdenden Netz den Globus umspannt? Welche Hilfen bietet die Philosophiegeschichte, um eine moralische Unabhängigkeit zu wahren?

Produktbeschreibung
Die Grundbegriffe der Moral bilden wechselnde Konstellationen, in denen sich ihr Gewicht und ihre Bedeutung verändern. Ideen wie Glück und Gerechtigkeit, Mitleid und Würde, Verantwortung und Freiheit durchziehen die Geschichte der Ethik und sind doch in wechselnde gesellschaft liche Verhältnisse eingespannt. Was geschieht mit ihnen unter den Bedingungen der kapitalistischen Modernisierung, die in einem immer dichter werdenden Netz den Globus umspannt? Welche Hilfen bietet die Philosophiegeschichte, um eine moralische Unabhängigkeit zu wahren?
Autorenporträt
Schiller, Hans-ErnstHans-Ernst Schiller, Jahrgang 1952, studierte Philosophie, Geschichte und Soziologie in Erlangen und Frankfurt am Main. Er promovierte über Bloch und habilitierte sich in Kassel über Wilhelm von Humboldt. 1993 übernahm er eine dreijährige Professurvertretung in Darmstadt (FH). Seit 1996 ist er Professor für Sozialphilosophie und Sozialethik an der FH Düsseldorf. Zuletzt erschien von ihm: »Das Individuum im Widerspruch« (2006) sowie bei zu Klampen: »Bloch-Konstellationen« (1991), »An unsichtbarer Kette« (1993), »Ethik in der Welt des Kapitals« (2011) und »Freud-Kritik von links« (2017).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.06.2011

Glück braucht Solidarität
Die Menschenwürde und das Gute: Hans-Ernst Schiller mustert den aktuellen Moraldiskurs
Den einen gilt Moral als sauertöpfisch und besserwisserisch, als etwas, was seit Nietzsche als getarnte Selbstgerechtigkeit entlarvt sei. Schluss damit. Ehrlich sein ja, aber bitte nicht moralisch sein wollen. Andere verstehen unter Moral eine geistige Extremsportart, die sich an Dilemmata zu bewähren hat. Darf einer für seine Frau ein lebensrettendes Medikament stehlen? Darf man eine Weiche umstellen, damit eine führerlose Straßenbahn nur einen statt fünf Menschen überfährt, oder ein entführtes Flugzeug abschießen, das auf einen Atommeiler zusteuert?
Beide dieser Positionen erweist das Buch von Hans-Ernst Schiller als Engführungen. „Ehrlichkeit“ ist ja selbst eine moralische Kategorie, oft allerdings ein Deckwort für Einverständnis mit den laufenden Ungerechtigkeiten und Gemeinheiten; nach dem Motto „so sind die Menschen nun einmal“. Und Dilemmata sind zwar Prüfsteine für jede Moraltheorie. Doch: „Wer nach Regeln für solche Fälle sucht, ist schon dabei, sie zu normalisieren.“ Er verkürzt Ethik auf Krisenmanagement. Zwar mag es in einer bestimmten Situation „besser“ sein, einen Medikamentendiebstahl zu begehen statt zu unterlassen: „gut“ jedoch ist es nicht. Und immer nur zwischen besser und schlechter abwägen genügt nicht. Niemand kann nämlich für ein Besseres optieren, ohne ein Gutes zu postulieren.
Deshalb greift Schiller immer wieder auf drei Kronzeugen des Guten zurück: Platon, Aristoteles und Kant. Zwar kommt man mit ihnen allein nicht aus. Gleichwohl verblüffend, wie weit eine gründliche Rückbesinnung auf sie trägt. Etwa beim Thema Glück. Für manche Psychologen geht es dabei nur noch um das Wohl- oder Hochgefühl, das die Ausschüttung bestimmter Hormone bewirkt. Und schon steht erneut die antike Frage zur Diskussion, ob Glück oder Lust bloß eine Empfindung sei oder eine Erfahrung, die ohne Gedächtnis, also „Geist“, gar nicht zu machen ist. Letzteres ist zweifellos der Fall.
Mehr noch: Glück lässt sich in unglücklicher Umgebung nicht genießen. Wenn es nicht fad werden soll, führt es wie von selbst zu Solidarität. Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteiltes Glück doppeltes. Glück ist zwar ein Geschenk, keine Tugend, aber dennoch nicht einfach moralfrei, ebenso wenig wie Reichtum, Armut, Arbeitslosigkeit oder Befruchtung im Reagenzglas.
Platon, Aristoteles, Kant, aber auch Marx, Bloch und Adorno sind die Paten einer Abhandlung, die mit der Transparenz eines Handbuchs zentrale moralische Kategorien durchgeht: Glück, Mitleid, Gerechtigkeit, Menschenwürde, Verantwortung und Freiheit. Das geschieht stets an Hauptstreitpunkten des aktuellen Diskurses. So wird gezeigt, wie wenig die empirische Forschung der Hirnphysiologie über Existenz oder Nichtexistenz von Freiheit herausfindet; wie der Verantwortungsbegriff missbraucht wird, wenn er die Individuen kassenwirksam für ihre Krankheiten verantwortlich macht, aber nicht Politiker und Bankiers für ihre Pleiten; wie der Gerechtigkeitsbegriff leidet, wenn er auf Fairness verkürzt wird; wie wenig echtes Mitleid mit Geringschätzung identisch ist.
Und immer wieder firmiert als das schlechterdings Gute die Menschenwürde. Durchaus in aporetischer Form. Wir können nicht genau sagen, was sie ist und was sie unantastbar macht, keine höhere Instanz anführen, die ihren Schutz verlangt. Doch wenn sich gelegentlich angesichts von Erniedrigung, Misshandlung, Mord im Menscheninneren etwas regt, was nicht begründet, nicht abwägt, sondern einfach bloß „Nein, das darf nicht sein“ sagt, dann ist es nach Schiller die Menschenwürde. Sokrates erlebte sie als verneinende innere Stimme; bei Adorno heißt sie moralischer Impuls; bei Schiller ist sie der blinde Fleck, ohne den die Ethik nicht sehend werden kann.
Eine knappe, auf Menschenwürde geeichte Bestandsaufnahme des aktuellen Moraldiskurses, die keinen Augenblick vergisst, dass wir weiterhin „in der Welt des Kapitals“ leben, ohne sich in dieser Perspektive zu erschöpfen – so etwas hatte bisher gefehlt. CHRISTOPH TÜRCKE
HANS-ERNST SCHILLER: Ethik in der Welt des Kapitals. Zu den Grundbegriffen der Moral. Verlag zu Klampen, Springe 2011. 239 Seiten, 28 Euro.
Der Gerechtigkeitsbegriff
leidet, wenn er auf
Fairness reduziert wird
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»Eine knappe, auf Menschenwürde geeichte Bestandsaufnahme des aktuellen Moraldiskurses, die keinen Augenblick vergisst, dass wir weiterhin 'in der Welt des Kapitals' leben, ohne sich in dieser Perspektive zu erschöpfen - so etwas hatte bisher gefehlt.« Christoph Türcke in: Süddeutsche Zeitung, 30 Juni 2011