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Dieses Buch ist der Versuch, den Glauben rational zu überdenken. Theologie, so Holm Tetens, verdient nur dann rational genannt zu werden, wenn sie »die 'Sache mit Gott' mit vernünftigen Überlegungen ausfechtet«, mit Überlegungen also, die geschult sind an klarem philosophischen Denken. Tetens Fazit: Es wird erst dann um die Philosophie »besser bestellt sein als gegenwärtig, wenn Philosophen mindestens so gründlich, so hartnäckig und so scharfsinnig über den Satz 'Wir Menschen sind Geschöpfe des gerechten und gnädigen Gottes, der vorbehaltlos unser Heil will' und seine Konsequenzen nachdenken,…mehr

Produktbeschreibung
Dieses Buch ist der Versuch, den Glauben rational zu überdenken. Theologie, so Holm Tetens, verdient nur dann rational genannt zu werden, wenn sie »die 'Sache mit Gott' mit vernünftigen Überlegungen ausfechtet«, mit Überlegungen also, die geschult sind an klarem philosophischen Denken. Tetens Fazit: Es wird erst dann um die Philosophie »besser bestellt sein als gegenwärtig, wenn Philosophen mindestens so gründlich, so hartnäckig und so scharfsinnig über den Satz 'Wir Menschen sind Geschöpfe des gerechten und gnädigen Gottes, der vorbehaltlos unser Heil will' und seine Konsequenzen nachdenken, wie Philosophen zurzeit pausenlos über den Satz und seine Konsequenzen nachzudenken bereit sind: 'Wir Menschen sind nichts anderes als ein Stück hochkompliziert organisierter Materie in einer rein materiellen Welt'«.
Autorenporträt
Holm Tetens, geboren 1948, ist Professor für theoretische Philosophie (Logik und Wissenschaftstheorie) an der Freien Universität Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2015

Gott und die Geometer
Zwei ganz unterschiedliche Auseinandersetzungen mit naturalistischer Weltdeutung

Hinter seinem eigenen Rücken Aufstellung zu nehmen ist keine einfache Aufgabe. Obwohl auf sie hinausläuft, wozu eine immer besser gelingende wissenschaftliche Bekanntschaft mit uns selbst als Naturwesen manchmal verführt, nämlich uns schlicht als solche Naturwesen anzusehen, als Teil einer Geschichte des Lebens und unter Gesetzmäßigkeiten der natürlichen Welt stehend, die wir - auf verschiedenen Skalen - wissenschaftlich ganz gut heraushaben. So gut, dass wir uns die Welt unter diesen Auspizien oft als einen großen gesetzmäßigen Zusammenhang vorstellen, mit physikalischer Standardtheorie zuunterst - und dann vor der Frage stehen, wie wir selbst in dieses Bild eigentlich hineinpassen als verantwortliche, hin und wieder vernünftige, auch Wissenschaft betreibende Akteure.

Damit ist die Frage aufgeworfen, ob im Rahmen einer naturalistischen Weltdeutung eigentlich erklärt werden kann, dass wir auf ebendiese Deutung kommen. Die Antwort lässt sich knapp geben: einstweilen jedenfalls nicht. Was hartgesottene Naturalisten nicht anficht, während manche ihrer Kritiker meinen - unlängst etwa mit Aplomb Thomas Nagel -, dass wir offensichtlich eine andere, komplettere Naturwissenschaft brauchen, die uns auch erklärt, wie wir selbst als bewusste Subjekte mit irreduzibler Ich-Perspektive auf die Welt ins Spiel kommen.

Aber bei diesem Typ von Debatte haben beide Seiten meist schon bestimmte Vorstellungen von Wissenschaft unterschrieben und keine, die auf der Hand liegen. Weshalb eine andere Version, naturalistische Tendenzen anzugehen, darin besteht, sich genauer anzusehen, wie in den Wissenschaften eigentlich verfahren wird, die die theoretischen Ambitionen auf das Ganze nähren; wie also etwa in Physik und Lebenswissenschaften tatsächlich Wissen hergestellt wird. Die moderne Wissenschaftsforschung verfährt dabei meist deskriptiv, bis in übersehene Laborecken. Dass man das Projekt auch mit einer deutlichen normativen Komponente verfolgen kann, ohne sich gleich zum Ordnungshüter auf wissenschaftlichem Feld aufzuwerfen, führt seit langem schon der Wissenschaftsphilosoph Peter Janich vor. An den Konstruktivismus Erlanger Schule und die "Protophysik" denkt man bei Janich, aber auch an neuere Einreden gegen weltanschauliche Ambitionen von Neurowissenschaften und Biologie. Nun hat Janich ein Buch vorgelegt, das seine pragmatisch-rekonstruktive Betrachtung von Wissenschaft auf breiter Front vor Augen führt.

Der Titel "Handwerk und Mundwerk" verweist dabei auf das Programm. Handwerk steht für die Verankerung in der Praxis und im Herstellen von Instrumenten und Technologien, ohne die Wissensproduktionen weder in Gang kämen noch blieben - ob nun in der Physik, den Lebenswissenschaften oder der seltener behandelten Chemie. Aus dieser Perspektive ist schon einmal hinreichend klargestellt, dass es dabei immer um Eingriffe, um Tatsachen im Wortsinn geht, nicht einfach um Diktate "der" Natur. Vor allem aber steckt für Janich im Handwerk dieser Eingriffe eine solide Erdung der über sie geführten und mit ihnen gewonnenen theoretischen Reden, des "Mundwerks".

Solide deshalb, weil das zuletzt handgemeine Herstellen gar nicht in tiefe Verwirrung geraten kann, ohne auf eklatante Weise fehlzuschlagen, während sich die theoretische Rede ohne weiteres verselbständigen und die Ermöglichung ihrer Einsichten vergessen kann. Sie an diese Ermöglichung zu erinnern ist der Kern von Janichs therapeutischer Behandlung der Versuchung, uns als Präparatoren einer Natur auszublenden, der im Gegenzug tendenziell alles aufs Konto geschrieben wird. Die Therapie setzt tief an, weshalb Janich nicht mit der Physik beginnt, sondern mit Euklids Geometrie, deren jahrhundertelang unangetastete Leitfunktion auch bedeutete, dass pragmatische Bodenhaftung schnell verlorenging.

Leicht macht es Janich seinen Lesern nicht immer, von denen wohl einige bereits bei der Geometrie ins Schlingern geraten werden. Und die eingestreuten harschen Kommentare zu neuerer Wissenschaftsforschung und deren Interesse an Experiment und Labor werden den einen zu beiläufig und gekränkt anmuten und den anderen kaum ein Licht aufstecken.

Janichs Verfahren ist unter anderem eine Variante, naturalistische Höhenflüge zu ernüchtern. Natürlich lässt sich da auch ganz anders verfahren, wie es etwa der Berliner Wissenschaftstheoretiker Holm Tetens in einem schmalen Bändchen vorführt. Tetens nimmt sich den strikten Naturalismus als offensichtliche metaphysische Behauptung vor und zeigt bündig, wo sie an ihre Grenzen stößt. Aber das ist nur der Auftakt, um dagegen eine keineswegs schlechter begründete Position zu stellen, in der die Welt und wir Hervorbringungen Gottes sind. Und nicht nur eines Gottes der Philosophen, der bloß für die Schöpfungsallmacht einsteht, sondern eines gütigen Gottes, dem es um die Erlösung der Menschen geht.

Einen solchen "Versuch über rationale Theologie" werden religiös bewegte Leser anders ansehen als religiös harthörige - was gar nicht heißen muss, dass ihm Erstere gewogener sein müssen. Aber in jedem Fall ist er doch eine exzellente philosophische Lockerungsübung, die zudem das Diktum von Jorge Luis Borges bewährt, dass neben der Mathematik nur noch die Theologie als exakte Wissenschaft gelten kann. Und wie immer man einzelne Schritte des Traktats auch ansieht: Schnörkelloser und knapper kann man eigentlich gar nicht den Übergang machen von naturalistischen Glaubensbekenntnissen à la mode zu spekulativen Sätzen, die man nicht verlorengeben muss. Disziplinierte Metaphysik ist eben zu üben, unabsichtliche unterläuft ohnehin dauernd. Und dass dieses Bändchen in einer Reihe mit dem Titel "Was bedeutet das alles?" erscheint, ist nur angemessen.

HELMUT MAYER

Peter Janich: "Handwerk und Mundwerk". Über das Herstellen von Wissen.

C. H. Beck Verlag, München 2015. 372 S., geb., 29,95 [Euro].

Holm Tetens: "Gott denken". Ein Versuch über rationale Theologie. Reclam Verlag, Stuttgart 2015. 95 S., br., 5,- [Euro].

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