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Im Melanchtonjahr 1997 stellt diese Biographie Leben und Werk des großen Reformators, Humanisten und Universalgelehrten Philipp Melanchton vor, dem wichtigsten Wegbegleiter Martin Luthers. Anschaulich porträtiert Heiz Scheible eine der bedeutendsten Figuren der frühen Neuzeit und Wegbereiter evangelischer Theologie, dem die Reformation ihr theoretisches Fundament verdankt.

Produktbeschreibung
Im Melanchtonjahr 1997 stellt diese Biographie Leben und Werk des großen Reformators, Humanisten und Universalgelehrten Philipp Melanchton vor, dem wichtigsten Wegbegleiter Martin Luthers. Anschaulich porträtiert Heiz Scheible eine der bedeutendsten Figuren der frühen Neuzeit und Wegbereiter evangelischer Theologie, dem die Reformation ihr theoretisches Fundament verdankt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.1997

Im Jammertal der Sachzwänge
Heinz Scheible stellt Melanchthon in seine Zeit

Als Theologe, Philologe und Historiker befaßt Heinz Scheible sich seit fast vierzig Jahren mit Melanchthon, den er besser kennt als jeder andere. Nun legt er eine Biographie für ein gebildetes Publikum vor, das lesbare Unterrichtung auf dem Stand der Forschung sucht. Scheible möchte vor allem erzählen; der langjährige Umgang mit den Quellen verlangt nach Gestaltung. Entstanden ist ein gehaltvoller, faktenreicher Abriß, nicht chronologisch gegliedert, sondern nach sachlichen Gesichtspunkten, die deutlich machen, wodurch Melanchthon aus der Menge seiner Zeitgenossen herausragt.

Das einführende Kapitel beschreibt Herkunft und Ausbildung Melanchthons. Scheible leistet präzise, an den Tatsachen orientierte Berichterstattung und verzichtet auf psychologisierende Spekulation. Der Mensch Melanchthon wird im Geflecht seiner Beziehungen vorgestellt; Gefährten und Gesprächspartner werden in ihren eigenen Bahnen sichtbar. Die Fülle der Namen und Daten fordert allerdings die volle Aufmerksamkeit des Lesers, doch unterstützt ihn der vorzügliche biographische Index, der dem Band beigefügt ist. Die folgenden fünf Kapitel präsentieren die öffentlichen Rollen, in die Melanchthon hineinwuchs. Scheible schildert Melanchthons Wirken als Griechischprofessor und Bildungsreformer, zeigt ihn als Reformator, als Philosophen, als Politiker und als bibeltreuen Theologen. Wie Melanchthon jede einzelne dieser Funktionen wahrnahm, wird klar und faßbar dargelegt; schwer fällt es aber zu erkennen, was zu gleicher Zeit geschah. Eine Zeittafel, die auf einfachste Weise die Zusammenschau befördert hätte, fehlt.

Nicht viel besser ergeht es dem Leser, der Verbindungslinien zwischen den geistigen Positionen Melanchthons sucht; ein ursprünglich geplanter Index der Themen kam leider nicht zustande. Eine gewisse Erholung gewährt das gelungene Zentralkapitel, das der Beziehung zu Luther gewidmet ist. Hier gestattet sich der Autor, auf Charaktere einzugehen, und die Erzählung gewinnt an Farbe. Man erfährt, wie sich die beiden Großen kennenlernten, befreundeten, miteinander arbeiteten und miteinander stritten. Um diese Auseinandersetzungen ranken sich seit alters her Legenden; anhand der Quellen führt Scheible diese auf ihren tatsächlichen Kern zurück und weist auf, daß Melanchthon Luther näher stand, als oft behauptet worden ist.

Weitere sechs Kapitel bilden den zweiten Hauptteil. Sie beschreiben die schwierigen Jahre nach Luthers Tod: den Kampf um den Fortbestand der im Schmalkaldischen Krieg geschlossenen Universität Wittenberg, den mühsamen Weg zum Augsburger Religionsfrieden, die fortdauernden Streitigkeiten auch innerhalb des protestantischen Lagers - Konstellationen, in denen sich Melanchthon aufrieb. Blicke auf sein Geschichtsbild, seine private Existenz und sein Ende beschließen den Band.

Die thematisch geordnete Biographie will zeigen, wie sich in Melanchthons Handeln Sachzwänge und Entscheidungsfreiheit gewichten lassen. Wenn man bedenkt, wie sehr Melanchthon selbst mit dem Problem der Willensfreiheit gerungen hat, liegt auf der Hand, daß sich von hier aus die Dramatik seines Lebens besonders eindringlich erschließen könnte. Scheible stellt das Thema in der Einleitung vor, in der Darstellung aber entfaltet er es nicht. Alternativen, vor denen Melanchthon stand, werden als solche zwar genannt, doch nicht in ihrer Spannung ausgeleuchtet. Die Offenheit der Situationen teilt sich nicht mit, wo nur erklärt wird, was für das jeweilige Handeln spricht, die Gegengründe aber dunkel bleiben. Wie Melanchthon über die Willensfreiheit dachte, wird in diesem grundgelehrten Buch referiert, wie er in diesem Lichte seine eigenen Spielräume sah, allenfalls angedeutet. ANSGAR KEMMANN

Heinz Scheible: "Melanchthon". Eine Biographie. C. H. Beck Verlag, München 1997. 294 S., geb., 68,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.04.2005

Steter Umgang mit Nonnen macht weich
Zum neuen Textband der Brief-Edition: Ein Besuch in der Heidelberger Melanchthon-Forschungsstelle
Am 13. Juni 1525, mitten im Bauernkrieg, heiratete Martin Luther die aus dem Kloster geflohene Nonne Katharina von Bora. Ein Skandal, mit dem Luther reformatorische Forderungen am eigenen Leib demonstrierte: die Erlaubnis zur Ehe für geweihte Priester und die Hinfälligkeit der klösterlichen Gelübde. Philipp Melanchthon, seit 1518 Luthers gelehrter Mitstreiter an der Wittenberger Universität, war nicht sehr angetan. Dem Humanisten Joachim Camerarius, seinem Freund, schrieb er am 16. Juni einen Brief - in altgriechischer Sprache, nicht wie sonst in lateinischer. Dies war eine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass der heikle Brief beim Transport von Unbefugten gelesen würde, deren Griechischkenntnis weit weniger wahrscheinlich war als die Beherrschung des Lateinischen. In dem Brief klagt Melanchthon, der in den Konflikten der Reformation immer um Ausgleich bemüht war, über Luthers Schritt: „Vielleicht hat der häufige Umgang mit den Nonnen ihn bei all seiner edlen Natur und Seelengröße weich gemacht und entflammt.”
Im Jahre 1569 - die beiden großen Reformatoren lebten nicht mehr, und im Augsburger Religionsfrieden von 1555 war die konfessionelle Spaltung des Reiches endgültig unumkehrbar geworden - veröffentlichte Joachim Camerarius eine Ausgabe seiner langjährigen Korrespondenz mit Melanchthon. Für die erheblichen Eingriffe in den originalen Text, die Camerarius dabei vornahm, ist der Heirats-Brief nur das prominenteste Beispiel. Den Satz mit der Erweichung und dem Entflammen Luthers hat er gestrichen und den Text darüber hinaus deutlich entschärft. Auch in den übrigen Briefen ersetzte Camerarius historische Figuren mit Decknamen, milderte scharfe Formulierungen, latinisierte die Kalenderangaben und nahm eine Reihe falscher Datierungen vor, denn Melanchthon hat seine Post oft nicht mit Datum versehen.
W wie Wirkungsgeschichte
Die Briefe Melanchthons sind eine einzigartige Quelle für die Geschichte von Reformation und Humanismus, ein anschauliches Abbild des Nebeneinanders von Privatleben, Universität und Weltpolitik, von Gelehrsamkeit und Glaubenskampf, wie es in dieser historischen Wendezeit im kleinen Wittenberg herrschte. Gleichwohl blieb diese Quelle lange Zeit schwer zugänglich oder durch problematische Textausgaben wie die des Camerarius verfärbt. Zwischen 1834 und 1842 edierte Carl Gottlieb Bretschneider die Briefe im „Corpus Reformatorum”. Das war für ihre Zeit eine verdienstvolle Ausgabe, und doch enthält sie nur 7 000 von heute 9 722 bekannten Briefen, ist textkritisch nicht hinreichend und macht ebenfalls viele falsche Datierungen. Die historische Forschung und kritische Philologie des 19. Jahrhunderts erkannte bald, dass hier ein Großprojekt vor ihr lag, brachte aber aufgrund diverser Hindernisse bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nur Ansätze dazu zustande. In über 500 Archiven und Bibliotheken sind Melanchthon-Autographe und Abschriften aufbewahrt.
Doch mittlerweile entsteht endlich eine umfassende kritische Edition des Briefwechsels. In einem vor einigen Jahren erschienenen Band ist auch besagter Bericht von Luthers Heirat als verlässlicher Text gedruckt; Camerarius’ Änderungen sind in einem „W”-Apparat verzeichnet. „W” steht dabei für Wirkungsgeschichte - ganz dezent deutet dieser Buchstabe im Kleingedruckten an, welche immense Bedeutung die jahrhundertelange Rezeption dieser Texte haben kann. Gerade wenn es um Fragen der Kirchenpolitik und des Glaubens wie die Priesterehe geht, die die politischen Weltläufte bestimmt haben und noch heute bestimmen - sei es bei den Besonderheiten im deutschen Föderalismus, sei es bei den ökumenischen Bemühungen um die Überwindung der Kirchenspaltung.
Da kann gar der Austausch einer einzigen Präposition Geschichte machen: Das zeigt der Text der Augsburgischen Konfession von 1530, in dem Melanchthon nach der so genannten Wittenberger Konkordie von 1536 die Verbindung in pane mit cum pane austauschte - nicht mehr im Brot, sondern mit dem Brot sei die Präsenz Christi beim Abendmahl verwirklicht. Das mag heute wie eine Quisquilie frommer Gelehrsamkeit erscheinen - tatsächlich war die Einigung des reformatorischen Lagers auf ein gemeinsam vertretenes Verständnis vom Abendmahl die Voraussetzung für ein schlagkräftiges Bündnis der deutschen Protestanten gegen den habsburgischen Kaiser.
Dieser so genannte Schmalkadische Bund formierte sich 1531, nachdem sich Luther und Melanchthon dazu durchgerungen hatten, dass aktiver Widerstand gegen die kaiserliche Obrigkeit erlaubt sei. Der Bund wurde für die Könige Frankreichs und Englands, Franz I. und Heinrich VIII., eine Zeitlang attraktiv: Eine Zusammenarbeit mit den evangelischen Fürsten und Städten Deutschlands versprach neue Möglichkeiten der Gegenwehr gegen das Weltreich Kaiser Karls V. Im Dezember 1535 bot der französische König gar an, sich dem deutschen Bündnis anzuschließen - doch der Schmalkadische Bundestag lehnte aus theologischen Gründen ab. Nicht auszudenken, wie die deutsch-französische und die Weltgeschichte ausgegangen wären, hätte sich das katholische Frankreich zu diesem Zeitpunkt mit den Protestanten verbündet.
Doch gleichzeitig waren auch in den Jahren nach 1531 immer wieder innerprotestantische theologische Differenzen auszutragen. Wie aktiv Melanchthon - neben seinen Vorlesungen und Buchpublikationen - auf all diesen Bühnen mit Briefen, gelehrten Gutachten und diplomatischen Interventionen mitspielte, das zeigt der jetzt erschienene neue Textband mit den Briefen aus den Jahren 1534 und 1535 (Melanchthons Briefwechsel. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe. Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften herausgegeben von Heinz Scheible. Band T 6: Texte 1395-1683 (1534-1535), bearbeitet von Christine Mundhenk unter Mitwirkung von Roxane Wartenberg und Richard Wetzel. Verlag Frommann-Holzboog, Stuttgart 2005. 588 Seiten, 274 Euro). Offizielle Briefe an den französischen König stehen hier neben einem rührenden Trostschreiben an die Mutter eines gestorbenen Studenten, Berichte über das Verhör der Wiedertäufer - die in dieser Zeit ihr Regime in Münster errichteten - neben der höflichen Bitte an eine Stadtregierung, das Stipendium eines armen, aber begabten Adepten zu verlängern.
In der Heiliggeiststraße
Wer die Briefe Melanchthons datieren und herausgeben will - das zeigt schon der hier gezeigte Ausschnitt -, der braucht umfassende historische, theologische und philologische Fähigkeiten. Mit den heutigen Strukturen der Forschung vor Augen mag man es sich kaum vorstellen, dass ein einziger Mann den wesentlichen Teil dieser Arbeit leisten könnte. Doch es gibt diesen Mann. Er heißt Heinz Scheible.
Scheible hat im Jahr 1961 von seinem Lehrer Heinrich Bornkamm den Auftrag erhalten, die Edition der Melanchthonbriefe in Angriff zu nehmen. Tritt man im Jahre 2005 in das kleine Häuschen mit knirschenden Holzfußböden und modernen Computern in der Heiliggeiststraße in Heidelberg, das die Melanchthon-Forschungsstelle beherbergt, so wird man von einer dreiundsiebzigjährigen, so wuchtigen wie feinsinnig wirkenden Gestalt empfangen, einem pensionierten, aber nicht in den Ruhestand getretenen Forscher, der so leidenschaftlich über die Organisation der Editionsarbeit, die Leistungen seiner zwei wissenschaftlichen Mitarbeiter und Melanchthons historisches Vermächtnis spricht, wie er die eigene Pionierarbeit bescheiden herunterspielt.
Der Gegensatz zwischen „Humanismus” und „Reformation” sei „modern aufgebläht”, sagt Heinz Scheible. Da wirke immer noch Kulturkampf, immer noch Jacob Burckhardts übertriebene Opposition von Renaissance-Mensch und Christentum nach. Das sagt Scheible zur Beschreibung Melanchthons - aber er sagt es auch über sich selbst. Konsequent, in sich ruhend, das ist der Eindruck von jemandem, der seit fast 45 Jahren an einem einzigen wissenschaftlichen Projekt arbeitet und philologisch-historisches Können mit theologischer Glaubwürdigkeit verbindet. Als Scheible mit der Arbeit anfing, „da galt Melanchthon gar nichts” in der Theologie, war als ständig lavierender Kompromissler verschrien. Er selbst sei in seinem Studium zwischen theologischen Extremen hin- und hergerissen gewesen, sagt Scheible: „Da bin ich bei Melanchthon gut in der Mitte gelandet.” Und man nimmt es ihm ab, denn tatsächlich hat er zum Wandel des Melanchthon-Bildes wesentlich beigetragen. Eine Summe dessen hat Scheible, dessen Schriftenverzeichnis bis zum Jahr 2000 stattliche 478 Titel aufführt, auch in einer Biographie gezogen (Melanchthon. Eine Biographie. C. H Beck, München 1997. 294 S., 43,90 Euro). „Und heute muss ich sogar eher bremsen, damit Melanchthon nicht zu sehr als Ökumene-Freak instrumentalisiert wird.”
Eine Lebenszeit-Edition
Von dem Umstand, dass ein Überzeugungstäter für das Projekt gewonnen war, abgesehen, waren es zwei Glücksgriffe, die dieser akribischen und zugleich schön lesbaren Edition zum Erfolg verholfen haben: Erstens die frühe Entscheidung Scheibles, nicht mit der vollständigen Textedition zu beginnen, sondern zu Anfang die gesamte Datierung und Überlieferungslage der Briefe aufzuarbeiten und diese Daten mit kurzen Inhaltsangaben in „Regesten”-Bänden vorab zu publizieren. „Mir war nämlich bald klar, dass ich die Gesamtedition nicht in meiner Lebenszeit schaffen werde.”
Und zweitens die Entscheidung seiner akademischen Lehrer, ihm für diese Grundlagenarbeit die nötige finanzierte Zeit zu lassen. „Vertrauen in Exzellenz” oder so ähnlich würde das heute ein Wissenschaftspolitiker nennen; aber wenn man ihm dann erzählen würde, dass die Heidelberger Forschungsstelle 1963 offiziell eingerichtet, der erste Regestenband aber erst 1977 veröffentlicht wurde, wäre in der Welt der Juniorprofessuren und der Evaluationen das Verständnis wohl schnell am Ende. Nüchtern beschreibt Scheible seine Anfangsarbeit, die man in einem großen Zettelkasten bewundern kann, in einem Forschungsbericht so: „Für diesen Zweck muss der Inhalt auch der verschlüsselten Privatschreiben verstanden und in Bezug zu den bekannten Ereignissen der Zeitgeschichte gesetzt werden.” Das heißt übersetzt: knapp 10 000 Briefe lesen, verstehen, ihre handschriftliche Überlieferung aufbereiten, sie historisch einordnen und zweifelsfrei nummerieren.
Da entsteht dann, seit den siebziger Jahren übrigens immer mit Hilfe der neuesten elektronischen Textverarbeitung, die Edition der eigentlichen Textbände fast von selbst, nach einem klaren Plan, der auch von Scheibles Mitarbeitern und Nachfolgern vollzogen werden kann. Bisher sind, neben den Regesten und kommentierten Indizes, fünf Textbände gedruckt; der letzte, 30. Band, soll im Jahr 2030 erscheinen. Wenn nicht der Jüngste Tag dazwischen kommt.
JOHAN SCHLOEMANN
Ausschnitt aus einem Melanchthon-Autograph - ein Brief aus dem Jahr 1526 an Joachim Camerarius.
Foto: Melanchthon-Forschungsstelle
Privatleben, Gelehrsamkeit und Weltpolitik: Philipp Melanchthon, wie ihn Albrecht Dürer 1526 sah
Foto: akg
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"Eine großartige Studie."
Thomas Fuchs, sehepunkte, 15. Oktober 2017