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Francisco de Goya gehört zu den berühmtesten Malern und Grafikern der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert und hinterließ mit seinen Historienbildern, Porträts, Zeichnungen und seinem druckgraphischen Werk ein äußerst vielfältiges uvre. Mit dem gesellschaftskritischen Zyklus »Los Caprichos«, aus denen »Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer« als Redensart in die Alltagssprache übernommen wurde, und den »Schrecken des Krieges« (Desastres de la guerra) hat er bis heute gültige Bilder gegen Intoleranz, Hass und die Gräuel des Krieges geschaffen. Weniger bekannt ist, dass Goya auch ein sehr…mehr

Produktbeschreibung
Francisco de Goya gehört zu den berühmtesten Malern und Grafikern der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert und hinterließ mit seinen Historienbildern, Porträts, Zeichnungen und seinem druckgraphischen Werk ein äußerst vielfältiges uvre. Mit dem gesellschaftskritischen Zyklus »Los Caprichos«, aus denen »Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer« als Redensart in die Alltagssprache übernommen wurde, und den »Schrecken des Krieges« (Desastres de la guerra) hat er bis heute gültige Bilder gegen Intoleranz, Hass und die Gräuel des Krieges geschaffen. Weniger bekannt ist, dass Goya auch ein sehr produktiver und amüsanter Briefeschreiber war, von dem mehr Korrespondenz überliefert ist als von den meisten anderen bildenden Künstlern seiner Zeit. Die Briefe an seinen Jugendfreund Martín Zapater geben Einblicke in die Sorgen des Familienvaters und des Malers, lassen seine Bemühungen um einen frühen künstlerischen Erfolg durchscheinen, erzählen von der gemeinsamen Leidenschaft für die Jagd, den Sorgen bei der Anlage von Geld und dem Tausch von Geschenken aller Art - darunter ein Hund und Mandelnougat. Vor allem aber lassen sie erahnen, wie er den zunehmenden Zwängen des höfischen und akademischen Dienstes in phantasievollen Tagträumereien zu entfliehen suchte. Die Briefe an den königlichen Hof, an adelige Gönner oder an die Kunstakademie zeugen dagegen vom Kampf des Malers um seine Eigenständigkeit als Künstler, berichten über Krieg und die Schrecken der französischen Besatzung sowie die nachfolgende Zeit der Restauration. Erstmals in deutscher Sprache bietet der vorliegende Band mit mehr als 155 Briefen und einer umfangreichen Auswahl an Abbildungen einen repräsentativen Blick in Goyas Welt. Die Briefe wurden für diese Ausgabe von Christiane Quandt neu und zum Teil erstmals ins Deutsche übersetzt. Mit Anmerkungen herausgegeben von Markus Bernauer, Christiane Quandt und Martin Schwander.
Autorenporträt
Die moderne Kunst ist ohne Francisco de Goya (1746-1828) kaum denkbar, er ebnete der surrealistischen und expressionistischen Malerei den Weg und beeinflusst bis heute eine Vielzahl der ihm nachfolgenden Künstler. In seinem vielfältigen OEuvre finden sich realistische Darstellungen in zum Teil abstrahierten und übersteigerten Varianten ebenso wie die Abgründe der menschlichen Psyche, die er durch Depressionen und Taubheit kennenlernte und in seinen Gemälden, Lithographien und Zeichnungen darstellte. Der Herausgeber Markus Bernauer lehrt deutsche und vergleichende Literaturwissenschaften in Berlin und ist Herausgeber u.a. von Wilhelm Heinse und Jean Paul. Er verfasste mehrere Studien zur Literatur und Kunst, so zu Redon und Mallarmé.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Werner Busch verspürt nach der Lektüre der von M. Bernauer, C. Quandt und M. Schwander herausgegebenen Briefe Goyas den dringenden Wunsch, den Künstler und dessen Abgründe besser zu begreifen. Die reiche Bebilderung der im Band enthaltenen Briefe, größtenteils frühe an den Freund Martin Zapater, aber auch Geschäftskorrespondenz und Gesuche, bietet Busch die Möglichkeit, die teilweise rückhaltlos geäußerten Emotionen zu den Bildern ins Verhältnis zu setzen. Von der schieren Menge der abgedruckten Briefe abgesehen für Busch ein besonderes Vergnügen, das zugleich vermittelt, wie sorgfältig Goya seine Karriere verfolgte, so der Rezensent. Auch wenn der Band das Werk nur wenig erhellt, "atmosphärisch" schafft er einen Zugewinn für den Leser und Betrachter, versichert Busch.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2022

Mal spielerisch, mal obszön

Er suchte die Wahrheit des psychischen Erlebens: Ein prächtig illustrierter Band versammelt Briefe Francisco de Goyas in neuer Übersetzung.

Dieser Band ist schön anzuschauen und reich illustriert, mehr als hundert Abbildungen in Farbe hat er zu bieten. Er liefert 155 Briefe in Neuübersetzung, also etwa die Hälfte der überlieferten Briefe des 1746 geborenen Künstlers Francisco de Goya. Der Schwerpunkt liegt auf den zumeist frühen Briefen an den engen Freund Martín Zapater, mit dem Goya in Saragossa zur Schule gegangen ist. Der Kontakt reißt bis zu Zapaters frühem Tod 1803 nicht ab, wenn die Briefe auch nach 1792 weniger werden.

Daneben finden sich Geschäftsbriefe, höfische Gesuche, Akademiebriefe und -stellungnahmen, ergänzt durch weniges, das schon zu Goyas Lebzeiten publiziert wurde. Die Edition des jeweiligen Briefes wird nachgewiesen, das Nachwort von Norbert Miller würdigt das Unternehmen - ein derartiges Corpus gab es bisher nicht in deutscher Sprache - und gibt einen Überblick über Goyas Leben.

Die Zapater-Briefe, das macht ihren Reiz aus, sind rückhaltlos geschrieben, mal von spielerischer Grobheit, dann wieder obszön. Getragen werden sie von permanenten Freundschaftsbeteuerungen. Zapaters Antworten sind nicht erhalten, es wird jedoch deutlich, dass der eine dem anderen kleine Dienste erwies, wobei Goya der etwas größere Nutznießer war. Er arbeitete in Madrid, der Kaufmann Zapater verblieb in Saragossa, wo er höchst erfolgreich war. Da Goyas Familie, Eltern und Geschwister weiterhin in Saragossa lebten, fungierte Zapater als Zwischenträger, vor allem regelte er Goyas Finanzen, durch Geldanlagen und Aktienkäufe.

Was haben wir von der Kenntnisnahme dieses Austausches? Für Goyas Werk wenig, fürs Atmosphärische eine Menge. Dass Goya ehrgeizig war, seine Schritte auf der höfischen Karriereleiter sorgfältig plante, Erfolge mit Stolz verbuchte und cholerische Züge besaß - das wusste man auch zuvor. Wie gekränkt er aber sein konnte und dass er alles unternahm, um eine erfahrene Scharte wieder auszuwetzen, das erhellt seine Zapater berichtete Schilderung der Auseinandersetzung über seinen Freskobeitrag für eine Kuppel in der Wallfahrtskirche der heiligen Jungfrau del Pilar in Saragossa 1780/81. Neben ihm waren sein Schwager Francisco Bayeu und dessen Sohn Ramón beschäftigt. Bayeu, der Goya nach Madrid geholt hatte, besaß als höherrangiger Hofmaler die Oberaufsicht über die Freskoarbeiten. Goyas Kuppelentwurf hatte er akzeptiert, die Ausführung kritisiert und mit kirchlicher Rückendeckung Überarbeitungen gefordert.

Allerdings wandte sich Goya mit einer langen Erklärung zum Ablauf der Ereignisse an den Rat der Kirche: Bayeu sei es nur um seine, Goyas, Unterordnung gegangen, er werde als starrköpfig und stolz verschrien. Das dürfte in der Tat so sein, doch im Kern geht es um einen grundsätzlichen künstlerischen Dissens. Vergleicht man Bayeus mit Goyas Kuppelmalereien für del Pilar, so wird deutlich, dass Bayeu barocken Illusionismus und klassizistische Figurensprache zu verbinden sucht, kein Wunder, waren doch Giovanni Battista Tiepolo und Anton Raphael Mengs gleichzeitig am spanischen Hof beschäftigt und konkurrierten miteinander. Tiepolos Himmelsmalerei mit Figuren in starker Untersicht, die aus den irdischen Sphären entschwinden, und Mengs fest gefügte Körper - diese Melange war für Goya nicht zu akzeptieren.

Seine Figuren - einem gewissen Klassizismus konnte er sich hier, wie bei seinen Teppichentwürfen, nicht entziehen, wie er Zapater erklärt - sitzen am Kuppelrand auf Wolken wie auf weichen Sofakissen und entschlagen sich nicht wirklich des Irdischen. Der barocke Apparat, selbst wo er ihn zitiert, ist ihm fremd geworden. Die Teppichentwürfe für die königlichen Schlösser sollten relativ leicht erscheinen. Doch verglichen mit den Entwürfen seiner Mitstreiter, haben Goyas Bilder auch hier eine gewisse Erdenschwere.

Goya hat diese Arbeiten nicht geliebt, aber doch sorgfältig ausgeführt, als Beleg für seine Möglichkeiten. Sein Aufnahmestück für die Akademie, ein Christus am Kreuz von 1780, wäre von Guido Reni bis Mengs nicht mit mehr klassischem Sentiment aufzuladen gewesen - wenn er musste, konnte er. Bald danach hat Goya bei Hofe Erfolg. Bei dem gemeinsamen Auftrag für Bilder in San Francisco el Grande genießt er es, dass der Kronprinz Bayeus Bild für idiotisch hält, was er Zapater gegenüber mit Vergnügen wiederholt.

Seinen Durchbruch erlebt Goya 1783 mit Porträts für Minister Floridablanca und den Bruder des Königs Don Luis. Bei aller Etikette, die es einzuhalten galt, das sind lebensstrotzende, erstaunlich frei gemalte Bilder. 1792 forderte die Akademie von ihren Lehrern Reformvorschläge - und Goya lieferte ein antiakademisches Pamphlet, forderte gänzliche Freiheit im Studium, jeder solle sich nach seiner Veranlagung entwickeln, Regeln seien für die Katz, die Bindung an tradierte Formen würde den werdenden Künstler nur hemmen.

Die Übersetzung von Christiane Quandt ist den Zapater-Briefen angemessen, sie sucht nach Äquivalenten zu spanischen Deftigkeiten, trifft den Ton. Eine wörtliche Übersetzung bei den wenigen kunsttheoretischen Erörterungen ist nicht falsch, doch verbergen sich hinter den von Goya benutzten Begriffen fast immer zusätzliche Bedeutungen. Ein Beispiel: In einem berühmten Brief an Bernardo de Iriarte, den Vizeprotektor der Akademie, vom 4. Januar 1794 berichtet Goya, er schicke ihm ein Reihe auf Zinkblech gemalter Kabinettstücke, die er angefertigt habe, um sich von seinem Leiden (der völligen Taubheit) abzulenken und um die hohen Kosten seiner Krankheit zu kompensieren. Dabei habe er Beobachtungen gemacht, die bei Auftragsarbeiten keinen Platz hätten, da hier, so die Übersetzung "den eigenwilligen Launen der Phantasie und der Erfindungsgabe kein Raum zur Entfaltung bleibt". Im Original lauten die Begriffe "el capricho y la invención". Beide Begriffe erfahren bei Goya eine Neubewertung. "Capricho" ist nun vorgebliches Spiel, hinter dem sich eher finstere Wahrheiten verbergen, ein Blick auf die Zinktafeln kann es lehren, von Launen der Phantasie keine Spur. Und "invención" ist die Freilegung dieser Wahrheit in der künstlerischen Gestalt, die jegliche Norm überbietet. Was hier entdeckt wird, ist die Wahrheit des psychischen Erlebens.

Goya geht dem nach. In Capricho 19 thematisiert er die kaum verhüllte Wahrheit seiner psychischen Reaktion auf die Herzogin von Alba: erst voller Bewunderung, dann narzisstisch gekränkt, da die Bewunderte für ihn unerreichbar bleibt. Auf dem Capricho ist die Herzogin ein Lockvogel, Goya fliegt ihr sehnsüchtig nach, doch ein anderer Vogel ist bei ihr bereits gelandet: offensichtlich der erste Staatsminister Manuel Godoy, ihr Geliebter - wie derjenige der Königin. Wohl nie zuvor ist ein derartiger Einblick in seelische Verletzungen in der Kunst zum Thema gemacht worden. Wenn die Lektüre der Briefe eines beim Leser ausgelöst hat, dann den Wunsch, den Künstler besser zu verstehen, auch in seinen Abgründen, selbst wenn direkt von ihnen nicht die Rede ist. WERNER BUSCH

"Goya". Träume und Alpträume. Briefe.

Hrsg. von M. Bernauer, C. Quandt und M. Schwander. Aus dem Spanischen von Christiane Quandt. Ripperger & Kremers Verlag, Berlin 2021. 264 S., Abb., br., 19,90 Euro.

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