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Der bedeutendste Roman der italienischen Literatur ist jetzt endlich in zeitgemäßer Übersetzung wiederzuentdecken. Die Geschichte des jungen Brautpaars Lucia und Renzo, das Jahrhundertwerk, das nach Goethes Wort "alles überflügelt, was wir in dieser Art kennen", wurde von Burkhart Kroeber neu übersetzt und kommentiert.

Produktbeschreibung
Der bedeutendste Roman der italienischen Literatur ist jetzt endlich in zeitgemäßer Übersetzung wiederzuentdecken. Die Geschichte des jungen Brautpaars Lucia und Renzo, das Jahrhundertwerk, das nach Goethes Wort "alles überflügelt, was wir in dieser Art kennen", wurde von Burkhart Kroeber neu übersetzt und kommentiert.
Autorenporträt
Alessandro Manzoni, geboren 1785 in Mailand, ging 1805 nach Paris, wurde dort erst Jakobiner und Antibonapartist, dann gläubiger Katholik, kehrte 1814 nach Mailand zurück und lebte dort bis zu seinem Tod 1873 als hochgeachteter Dichter und Intellektueller. Ihm zu Ehren hat Verdi sein Requiem komponiert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.05.2000

Die Sechzehnte
Burkhart Kroeber hat die „Promessi sposi” neu übersetzt
Wenn im römischen Parlament ein Abgeordneter einen politischen Gegner als Feigling brandmarken will, so nennt er ihn „Don Abbondio”, die Anspielung versteht jeder Italiener. Geht es härter zu, so kommt auch einmal ein „Don Rodrigo” ins Spiel – damit ist ein durch und durch lasterhafter, gewalttätiger Mensch gemeint, dem das Schlimmste zuzutrauen ist. Don Abbondio und Don Rodrigo sind Figuren eines Romans, mit dem jedes italienische Schulkind irgendwann in Berührung kommt, und viele lesen ihn später wieder – wenn sie darüber keine Besinnungsaufsätze mehr schreiben müssen: I promessi sposi (die hierzulande seit der ersten Übersetzung Die Verlobten heißen) von Alessandro Manzoni (1785–1873). In einer ersten Fassung ist das Buch 1827 erschienen, in einer zweiten, überarbeiteten, 1842. Manzoni hat sich darin dem als Hochsprache der Gebildeten geltenden Toskanisch anbequemt, lombardische Provinzialismen getilgt: Sein Buch sollte überall in Italien gelesen werden können. Die „Spülung im Arno” hat den enormen Erfolg des Buchs bis heute gesichert. Es gilt als erster realistischer Roman der italienischen Literatur, mit dem die lange Epoche der antikisierenden Poeme und gegenreformatorischen Traktate beendet wurde.
Von Goethe gelobt
Manzoni, aufgewachsen in einem von der französischen Aufklärung bestimmten Milieu (sein Großvater war der berühmte Rechtsgelehrte Beccaria, der Folter und Todesstrafe gleichermaßen bekämpfte) verstand sich in seinen Jünglingsjahren in Paris als Schüler Voltaires. Das gab sich, als er 1807 die fromme Schweizer Calvinistin Henriette Blondel kennen lernte und heiratete. Die konvertierte 1809 zu einem (ebenso strikt befolgten) jansenistisch gefärbten Katholizismus, Alessandro kehrte als braver Ehemann mit ihr zum Glauben seiner frühen Kindheit zurück.
Er hatte früh zu schreiben begonnen: Gedichte, darunter 1801 (!) ein wüst antiklerikales Poem „Der Triumph der Freiheit”, romantische Dramen, die kein Mensch mehr liest, eine Ode auf den Tod Napoleons, die Goethe übersetzte. Ihm hatte der Dichter 1827 eines der druckfrischen Exemplare der ersten Fassung der Verlobten geschickt. Goethe hat sich Eckermann gegenüber sehr angetan gezeigt: „Ich muss Ihnen sagen, dass Manzonis Roman alles überflügelt, was wir in dieser Art kennen. ” Die Art – das war der historische Roman, ein Genre, mit dem Walter Scott damalige Leser begeisterte. Doch Manzoni verlegte seine Geschichte (die er vorgab, in einer „alten Scharteke” gefunden und nur in eine modernere sprachliche Form gebracht zu haben) nicht in ein fernes Mittelalter, sondern ins sehr viel nähere Jahr 1628: Die Lombardei war damals von den Spaniern besetzt (wie zu Manzonis Lebzeiten von den Österreichern). Es gibt darin Figuren, wie den Kardinal Federigo (einen Neffen des heiliggesprochenen Carlo) Borromeo, die historisch belegt sind, andere, hinter denen man ohne viel Mühe die Vorbilder in den Chroniken des 17. Jahrhunderts finden kann, und solche, die bis heute als idealtypisch kenntlich sind wie diese: „Unser Abbondio, der weder adlig noch reich und schon gar nicht mutig war, hatte daher bereits in früher Jugend begriffen, dass er in jener Gesellschaft einem Tongefäß glich, das zwischen lauter Eisengefäßen verfrachtet wird . . . Um die Wahrheit zu sagen, er hatte sich nicht allzu viele Gedanken über die hehren Ziele und Pflichten des Amtes gemacht, dem er sich zu weihen gedachte: Sich ein bequemes Leben zu verschaffen und in einen geachteten und mächtigen Stand einzutreten schienen ihm zwei mehr als ausreichende Gründe für eine solche Wahl. ” Solche Pfarrherrn gibt es bis heute ebenso wie den korrupten Schurken Don Rodrigo, der alle Mittel seines Standes einsetzt, um das Recht zu beugen.
Rodrigo hat es auf Lucia Mondello abgesehen, ein tugendhaftes Mädchen aus einem Dorf in der Nähe von Lecco am Comer See, das zu seinem Besitz gehört. Also will er mit allen Mitteln Lucias Trauung mit Renzo Tramaglino, einem Seidenspinner, verhindern, die Don Abbondio vollziehen soll. Es dauert einen ganzen, um die neunhundert Seiten umfassenden Roman, ehe die beiden endlich von Don Abbondio getraut werden können. Bis zum guten Ende schickt Manzoni Renzo durch die ärgsten Abenteuer, lässt Lucia entführen und wieder befreien, bemüht den Kardinal, um den Knoten zu lösen und unterbricht die abenteuerliche Geschichte immer wieder mit Kapiteln, die sich weit von den Brautleuten – wie Burkhart Kroeber seine neue Übersetzung nennt – entfernen: Er karikiert dummstolze Adlige, kritisiert die bürokratische und rohe Fremdherrschaft der Spanier, berichtet ausführlich von einer Hungerrevolte in Mailand, in die Renzo verwickelt wird und über viele Seiten von der großen Pest, die Norditalien 1628 entvölkerte. Ihr fallen sowohl der gute Pater Cristophero (ein Kapuziner, der alles tut, um die Brautleute zu retten) wie der schurkische Rodrigo und sein teuflischer Helfer, genannt „der Graue” zum Opfer. Der Realismus, mit dem Manzoni die Pest und ihre Auswirkungen auf die Menschen beschreibt, ist überwältigend. Ob er den Aberglauben geißelt, der die Kranken glauben lässt, sie seien das Opfer von böser Magie oder die wüsten Sitten der Männer, die die Toten aufsammeln und verbrennen – er scheut keine Krassheit.
Manzonis Romantechnik ist raffiniert: Er wechselt zwischen langsamen, fast bukolischen Partien (etwa in den wunderbaren Landschaftsbeschreibungen) und raschen Passagen, in denen auf wenigen Seiten die widersprüchlichsten Handlungen (und Haltungen) gezeigt werden, er kann bitter ernst sein und überlegen ironisch (etwa in der Beschreibung der adligen Cliquen), er ist unbeirrbar fromm, doch gerade diese Frömmigkeit schlägt um in Kritik an allem, was den Menschen um seine Würde bringen will. In seinem aufgeklärten Konservatismus hat die Einsicht Platz, dass Menschen leicht zum Bösen verführbar und doch zum Guten bestimmt sind, darin verschwistern sich Skepsis und Wohlwollen gegenüber seinen Geschöpfen. „In praktischem Handeln sieht Manzoni die Versöhnung von metaphysischem Pessimismus und freudiger Anhänglichkeit an das Leben. Die ethischen Werte leben in jedem Herzen, in das sie Gott gesenkt hat . . . So hat Manzoni das erste Prinzip einer liberalen Demokratie religiös begründet: den Lobpreis der Person, die sich in seiner Möglichkeit zu autonomem, verantwortlichem Handeln ausdrückt. ” (Vittorio Spinazzola im Vorwort der weit verbreiteten Taschenbuch-Ausgabe des Verlags Garzanti. )
Das Sittenbild, das der Dichter entwirft, umfasst die Stände; die unteren, Renzo und Lucia etwa, bedenkt er mit besonderer Anteilnahme. Mag sein, dass diese „katholische” Weltsicht einen dauerhaften Erfolg des Romans in nördlichen Breiten verhindert hat, zumal etwa deutsche oder englische Leser kaum die stilistische Modernität des Buchs nachvollziehen können. Gleichwohl wurde es bereits 1827 zum ersten Mal übersetzt und die 1831 von Eduard von Bülow (nach der ersten Fassung) veröffentlichte Übertragung hat bis heute ihre Frische bewahrt. Ihr folgten noch (mindestens) dreizehn weitere, Alexander von Lernet-Holenia hat 1958 versucht, das Buch dadurch zu retten, dass er einfach seine „himmlischen Längen” kürzte, zum Schaden des Ganzen.
Kräftig aufgefrischt
Burkhart Kroeber hat nun die sechzehnte Übersetzung vorgelegt. Wo angängig, stützt er sich auf frühere Fassungen (etwa von Johanna Schuchter und Ernst Wiegand Junker), doch liegt ihm daran, die komplizierte Syntax Manzonis so genau wie möglich zu treffen, angesichts vieler langer Sätze (gleich der Anfangssatz hat im italienischen Text zehn, im deutschen gar fünfzehn Zeilen!) Kroeber meint zu Recht, dass es in solchen Perioden darauf ankomme, die Abfolge der Hypotaxen, die Stellung des Verbs, die Einschübe genau nachzubilden. Er bemüht sich auch, so weit wie möglich wörtlich zu übersetzen, was zum Beispiel Lernet-Holenia fern lag, der ironische Passagen häufig bis in die Karikatur trieb, so als ob der Leser mit dem Finger darauf verwiesen werden müsse, aber Satzteile, die ihm nicht passten, einfach ausließ. Es ist Kroeber weithin gelungen, den Staub der Zeiten wegzublasen, was umso verdienstlicher ist, als er Neologismen und Modeworte strikt meidet.
So ist es ihm geglückt, den alten Text kräftig aufzufrischen, seine „Spannung” spürbar zu machen, seine meditativen und beschreibenden Teile von jeder Langeweile zu befreien. Er hat für die Anredeformen eine plausible Lösung gefunden, den abrupten Zeitenwechsel, den Manzoni liebt, aufgenommen, wo immer das möglich war. Man liest das Buch in dieser Ausgabe mit Vergnügen und kann zudem begreifen, warum Die Brautleute für italienische Leser so wichtig sind.
Manzoni selbst war, nachdem er die zweite Fassung vollendet hatte, erschöpft; alles was er später noch schrieb – es ist nicht viel – erreicht nicht entfernt die Bedeutung eines Romans. Doch er wurde unsterblich. 1860 ernannte der König den auf seinem Gut in der Lombardei zurückgezogen lebenden Autor zum Senator des vereinten Italien, das erstmals im Wesentlichen Nord- und Mittelitalien umfasste; als er 1873 gestorben war, schrieb Giuseppe Verdi für ihn sein „Requiem”.
ROLAND H.  WIEGENSTEIN
ALESSANDRO MANZONI: Die Brautleute. Mailändische Geschichte aus dem 17. Jahrhundert. Aus dem Italienischen von Burkhart Kroeber. Hanser Verlag, München 2000. 914 Seiten, 58 Mark
Alessandro Manzoni (1785 – 1873), Ausschnitt einer Lithografie nach dem um 1825 von Pietro Ermini gemalten Porträt des Autors.
Abb. : Süddeutscher Verlag
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.03.2000

Der lange Weg zum Hochzeitsaltar
Alessandro Manzonis Roman "Die Brautleute" in einer neuen Übersetzung / Von Lothar Müller

Die großen Romane der Vergangenheit stehen in der literarischen Landschaft wie Kathedralen. Sie haben Zeit. Und sie verlangen Zeit. Aber sie nehmen es dem eiligen Leser nicht übel, wenn er dann und wann hereinschaut, ohne lange zu bleiben. Ebenso gelassen ertragen sie diejenigen, die ihre Augen nicht vom Blatt zu wenden wagen, während sie sich einer frommen Pflichtlektüre unterziehen. Wer sich in ihnen verliert, den belohnen sie nicht nur mit einem Schatz von Bildern und Geschichten. Sie geben ihm ein unsichtbares Zeitmaß mit, wenn er sie verlässt. Keine Theorie der Beschleunigung kann diesem Maß etwas anhaben. Manchmal wird es erst wirksam, wenn es abhanden gekommen und vergessen scheint. Was eine "short story" ist, versteht womöglich nur derjenige ganz, der einmal "Krieg und Frieden" gelesen hat.

In den letzten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts sind viele große Romane des neunzehnten Jahrhunderts, von Flaubert bis Dostojewski, neu übersetzt worden. Dabei wurde mancher mit einem Titel versehen, der den altvertrauten außer Kurs setzte. So wurde das metaphysische Pathos von "Schuld und Sühne" zugunsten der Sachlichkeit von "Verbrechen und Strafe" ausgenüchtert. Jetzt hat Burkhart Kroeber, der dem Publikum als Übersetzer unter anderem von Umberto Eco und Italo Calvino vertraut ist, den bedeutendsten italienischen Roman des neunzehnten Jahrhunderts neu übertragen und dabei ebenfalls den angestammten deutschen Titel verändert. Goethe hatte Alessandro Manzonis "I promessi sposi" im Sommer 1827 gelesen, kaum dass der dritte Band erschienen war, und voller Enthusiasmus die erste, noch im selben Jahr erschienene Übersetzung angeregt, der 1828 eine zweite, konkurrierende folgte. Beide trugen den Titel "Die Verlobten". Bis auf eine Ausnahme haben ihn alle späteren Übersetzer beibehalten. Wenn Kroeber nun stattdessen wie die vergessene Ausnahme von 1913 "Die Brautleute" vorschlägt, so in ausdrücklicher Reverenz vor seinem letzten Vorgänger, dem Friedrich-Gundolf-Schüler Ernst Wiegand Junker. Der hatte für seine im Jahre 1960 im Winkler Verlag erschienene, längst auch im Deutschen Taschenbuchverlag greifbare, vorzügliche Übersetzung die Titeländerung bereits ins Auge gefasst, dann aber mit Rücksicht auf die Konvention darauf verzichtet. An Junkers Argument, Manzoni habe sein Werk ausdrücklich nicht "I Fidanzati" genannt, "weil es ihm um den christlichen Brautstand, nicht um eine gesellschaftliche Bindung geht", knüpft Kroeber an. Das hat viel für sich. Denn die Helden des Romans, Renzo und Lucia, die zu Beginn fast schon am Traualtar stehen, ehe sie für hunderte von Seiten voneinander getrennt werden, sind in der Tat durch ein wechselseitiges Versprechen aneinander gebunden, das im Rechtsstand der Verlobung nicht aufgeht. Und die erst im letzten Kapitel erreichbare Hochzeit schwingt womöglich bei den "Brautleuten" deutlicher mit als bei den "Verlobten".

Kroeber folgt, wie es üblich ist, der überarbeiteten Ausgabe von 1840/42. Manzoni hat darin den ursprünglich lombardischen Ton des Romans zugunsten der toskanisch geprägten Hochsprache zurückgenommen. Der Untertitel deutet die Aufgabe ein, vor der ein Übersetzer steht: "Mailändische Geschichte aus dem 17. Jahrhundert, entdeckt und neu eingerichtet von Alessandro Manzoni". Das Spiel, das Manzoni mit der Fiktion des jüngst entdeckten Manuskriptes und mit jenem "Anonymus" treibt, der die unlesbare, einem modernen Publikum nicht zumutbare barocke Quelle verfasst hat, ist eine Geschichte für sich. In der Übersetzung des Romans, die Alexander Lernet-Holenia 1958 bei Manesse vorgelegt hat, ohne seine Binnenkürzungen auszuweisen, ist diesem Spiel das Fundament entzogen: Die vorgebliche Quelle ist hier fortgelassen.

Burkhart Kroenig stellt sich demgegenüber sowohl hinsichtlich der Vollständigkeit und Zuverlässigkeit wie dem sprachlichen Niveau der Übersetzung von Ernst Wiegand Junker. Nie gerät ihm aus dem Blick, dass er es mit dem Roman eines Autors zu tun hat, der im neunzehnten Jahrhundert eine Geschichte aus dem siebzehnten erzählt. Was die Anreden betrifft, opfert er dem Ziel der Wiedergabe ihrer sozialen Bedeutung die Wortwörtlichkeit. Umso ehrgeiziger verfolgt er das selbst gesetzte und im Anhang erläuterte Ziel, im Deutschen die syntaktische Struktur des Originals möglichst zu bewahren. Das führt zu anspruchsvollen Perioden, manchmal auch zu allzu großer, etwas spröde wirkender Übernahme der Partizipialkonstruktionen.

Nicht in der Mitte des Sprachflusses, aber an seinen Rändern treibt Koerber gelegentlich die Modernisierung des Tons entschlossen voran. Auf die Geschichte von Krieg, Hungersnot und Pest um 1630 scheinen von diesen Rändern her die Schatten des zwanzigsten Jahrhunderts zu fallen. Es kündigt sich die Diktion einer Geschichtsschreibung an, die dem neunzehnten Jahrhundert zu entwachsen scheint. Der Erzähler benutzt schon Begriffe wie das "Massensterben", das dem grimmschen Wörterbuch noch 1885 fremd ist. Er zieht, wenn es um die Maßnahmen der Gesundheitsbehörden gegen die Seuche geht, die "Kooperation" der Mitarbeit, das "Sich-Informieren" dem Einholen von Nachrichten vor. Manches "wacker" oder "trefflich" seiner Vorgänger muss in Kroebers Ohren altfränkisch geklungen haben. Statt "vortrefflich" sagt nun Don Abbondio im Streit mit seiner Haushälterin Perpetua, "Na, großartig" oder "na, wunderbar". Und Renzo, dem es in seinem Dorf zu eng wird, bricht angesichts des schlechten Wetters in den Stoßseufzer aus: "Na klar, in diesem Kaff hier!"

Trotz Goethes begeisterter Empfehlung ist Manzonis Roman in Deutschland nie populär geworden. Dazu mögen, zumal im zwanzigsten Jahrhundert, seine erbaulichen Züge beigetragen haben: die inbrünstige Frömmigkeit der Heldin, die Bekehrung noch der finstersten Bösewichte, das Schicksal des lüsternen und skrupellosen Don Rodrigo, der am Anfang das Unglück der Liebenden heraufbeschwor und, von seinen Spießgesellen verraten, elend an der Pest zugrunde geht. Vielleicht hat auch Manzonis Lucia, die in ihr frommes Gelübde wie in einen Abgrund stürzt, ihre Tücken. Im Übrigen hält bei Manzoni der Hass auf alles Bigotte dem Erbaulichen leicht die Waage. Mancher Satz, aus dem dieser Hass spricht, hat die Schärfe einer Guillotine, aus Mördern im Affekt werden hier die besten Mönche, und was die Binnenerzählung über die Nonne von Monza angeht, so muss Manzoni den Vergleich mit Diderots Anklage des christlichen Fanatismus in "La Religieuse" nicht scheuen.

Kroeber übernimmt aus den italienischen Ausgaben viele Anmerkungen und fügt eigene Erläuterungen, etwa zur Orientierung des Lesers im Stadtraum von Mailand, hinzu. Manzonis eigene Fußnoten integriert er in den Text oder erläutert sie im Anhang. Das wird derjenige begrüßen, der im Lesefluss nicht durch Quellenangaben auf der Seite oder lateinische Zitate aufgehalten werden möchte. Andere werden es bedauern, dass Kroeber auf diese Weise der Mimikry, die Manzoni mit dem Geschäft des Historikers betreibt, den auffälligsten typographischen Ausdruck nimmt.

Denn dies ist nicht nur ein großer historischer Roman. Es ist auch ein Buch über die Unzuverlässigkeit aller Überlieferung, über den schwankenden Boden der Geschichtsschreibung. Nichts mag der Erzähler von Historikern ungeprüft übernehmen. Gerüchte und kollektiver Wahn begleiten die Figuren von Beginn an, blockierte oder mit Hindernissen gespickte Straßen und Kommunikationswege gehören zu den Hauptmotiven. Die Rhetorik der Beschwichtigung im Umkreis der Pest ist nur der Höhepunkt aller Illusionen und Täuschungen, die aus der Sprache aufsteigen wie gefährliche Dünste. Der Hexenglauben nur die gefährlichste aller Verirrungen des Geistes, denen keine Gelehrsamkeit beikommt. Die Inhaber der Bibliotheken gehören hier zu den leichtesten Opfern der Irrtümer. Selbst der heiligmäßige Gründer der Bibliotheca Ambrosiana, der Kardinal Federigo Borromeo, ist dagegen nicht gefeit. Zum Gutenberg-Jahr kommt dieser Roman, der wie kaum ein anderer im neunzehnten Jahrhundert vom Misstrauen gegen die Schrift und die gedruckten Bücher geprägt ist, gerade recht. Seine Helden, die Brautleute, können nicht schreiben. Ihr Briefwechsel über Mittelsmänner ist ein Einfallstor für Missverständnisse. Wo sie Gelehrten und Schriftkundigen, etwa Anwälten in die Hände fallen, geht es ihnen schlecht. Nur aus Notwehr sollen am Ende die Kinder der Brautleute für die Gutenberg-Welt tauglich werden. "Renzo wollte, dass sie alle lesen und schreiben lernten, denn er sagte, da es diese Gaunereien nun einmal gebe, sollten sie auch davon profitieren."

Das ernste Spiel, das Manzoni mit der Figur jenes Anonymus treibt, auf dessen Quelle er sich beruft, prägt den Roman bis in seinen letzten Absatz hinein. Burkhart Kroeber, zu Recht stolz auf seine Arbeit als Übersetzer, mag es damit nicht sein Bewenden haben lassen. Er fügt dem Trio aus Anonymus, modernem Erzähler und Leser eine vierte Figur hinzu: sich selbst. So sagt nun am Ende der Autor von seiner Geschichte: "Wenn diese euch nun nicht gänzlich missfallen hat, so bleibt dem gewogen, der sie geschrieben, und ein bisschen auch dem, der sie neu eingerichtet hat (und ein kleines bisschen auch dem, der sie neu übersetzt hat)." In dieser Klammer tritt der gewöhnlich unsichtbare Übersetzer aus den Kulissen und führt dem Autor die Feder, um auch seinerseits das Werk zu signieren. Er kann das nicht tun, ohne es umzuschreiben, und bittet dafür in einer Fußnote um Nachsicht. Der Leser stutzt ein wenig über diesen Eingriff an so prominenter Stelle. Er wäre dem Übersetzer auch gewogen, hätte dieser Manzonis Schluss lediglich so verlässlich übertragen wie alles andere auch.

Alessandro Manzoni: "Die Brautleute". Eine Mailänder Geschichte aus dem siebzehnten Jahrhundert. Aus dem Italienischen übertragen von Burkhart Kroeber. Carl Hanser Verlag, München und Wien 2000. 944 S., geb., 58,- DM.

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"Eine glänzende Neuübersetzung." Rolf Vollmann, Die ZEIT, 06.04.00

"Es ist Kroeber weithin gelungen, den Staub der Zeiten wegzublasen (...) Man liest das Buch in dieser Ausgabe mit Vergnügen und kann zudem begreifen, warum 'Die Brautleute' für italienische Leser so wichtig sind." Roland H. Wiegenstein, Süddeutsche Zeitung, 20.05.00

"In einer überaus farbigen Neuübersetzung erstrahlt Italiens Klassiker, als wärs ein restaurierter Raffael. (...) Wir staunen, wie raffiniert, fast unsichtbar, Manzoni historische und imaginierte Begebenheiten vernäht hat. Es ist alles, das Erfundene und das Gefundene, 17. Jahrhundert pur." Andreas Isenschmid, Tages-Anzeiger, 05.08.00

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Franziska Meier interessiert sich in ihrer Rezension weniger für den Roman als vielmehr für dessen neue Übersetzung - die fünfzehnte des italienischen Klassikers. Den Roman selbst scheint die Rezensentin in schlechter Erinnerung behalten zu haben. "Unliebsames Pflichtprogramm" für Schüler und Studenten, ein eher schleppender Inhalt mit frommem Ende. Trotzdem fand Manzoni viele Bewunderer, darunter Goethe, berichtet Meier. Manzonis Sprache stieg zum "kanonisierten Vorbild für guten italienisch-florentinischen Prosastil" auf. Umso wichtiger ist demnach die Übersetzung ins Deutsche. Und die findet die Rezensentin abgesehen von einigen "neudeutschen Schnitzern" ganz außerordentlich. Burkhart Kroeber sei es gelungen, Manzonis Satzbau exakt zu übertragen. Und das ist kein leichtes Unterfangen, meint Meier. Denn den überlangen Sätzen des Autors sowohl einen nachvollziehbaren Inhalt als auch erzählerische Dynamik abzugewinnen, ist gerade für das heutige "kurzlebige" Verständnis des Schriftdeutschen besonders bewundernswert, lobt Meier. Einzig Kroebers Wunsch, der Leser möge mit dieser Übersetzung nun auch ihm geneigt sein, findet die Rezensentin albern und überzogen. Schließlich sei es Lesern und Rezensenten vorbehalten, dem Übersetzer für seine Arbeit Lob und Tadel zu spenden, resümiert eine ansonsten anerkennende Kritikerin.

© Perlentaucher Medien GmbH
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