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Über diese Anthologie 900 Jahre poetischer Kultur in spanischer Sprache, dargestellt in ihrer historischen Tiefe von den Anfängen im mittelalterlichen al-Andalus bis zur Gegenwart und zugleich in der ganzen Breite jener transatlantischen Sprachwelt, die Spanien mit Hispanoamerika verbindet: Die vorliegende zweisprachige Anthologie präsentiert diese unvergleichlich reiche Kultur in bisher nicht gekanntem Umfang. Als Gemeinschaftswerk von Literaturwissenschaft und Übersetzungskunst erschließt sie sowohl die Klassiker der spanischsprachigen Dichtung als auch hierzulande noch wenig bekannte…mehr

Produktbeschreibung
Über diese Anthologie
900 Jahre poetischer Kultur in spanischer Sprache, dargestellt in ihrer historischen Tiefe von den Anfängen im mittelalterlichen al-Andalus bis zur Gegenwart und zugleich in der ganzen Breite jener transatlantischen Sprachwelt, die Spanien mit Hispanoamerika verbindet: Die vorliegende zweisprachige Anthologie präsentiert diese unvergleichlich reiche Kultur in bisher nicht gekanntem Umfang. Als Gemeinschaftswerk von Literaturwissenschaft und Übersetzungskunst erschließt sie sowohl die Klassiker der spanischsprachigen Dichtung als auch hierzulande noch wenig bekannte Traditionen und Formen, von den Höhepunkten der mittelalterlichen, frühneuzeitlichen und barocken Lyrik bis zu den hispanoamerikanischen Avantgarden des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus bis in unsere Zeit: über 800 Gedichte von 200 Autoren und Autorinnen, ein Großteil davon in neuen, formbewussten Übersetzungen. Jedem Band ist ein wissenschaftlicher Kommentar beigegeben, der mit einer Fülle von Informationen dabei hilft, die Texte in ihrem kulturellen und historischen Kontext zu verstehen.

Zu Band 1
Von den Anfängen bis Fernando de Herrera: Der historische Radius dieses Bandes reicht vom Anfang des 12. bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. Vielfalt und Reichtum der lyrischen Kulturen des Mittelalters werden hier in eindrucksvollen Beispielen erfahrbar. Ferner vermittelt der Band ein Bild vom Glanz der spanischen Renaissance, die so spektakuläre Höhepunkte hervorgebracht hat wie die höfische Dichtung von Garcilaso de la Vega oder die Liebesmystik des Johannes vom Kreuz.
Autorenporträt
Martin von Koppenfels ist Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Horst Weich ist Professor für Romanische Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der französischen, spanischen und portugiesischen Literatur.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.11.2022

Der Walfisch des Glücks
Fast alles, was man von Gedichten in spanischer Sprache wissen wollen kann, in einer monumentalen Anthologie
„Pyramidal“ ist ein hinreichend ausgefallenes und exquisites Adjektiv, um damit ein flamboyant dahinstürmendes Gedicht von eintausend Versen zu beginnen, eine wilde Sprachschlacht, die Dunkelheit gegen Sonnenlicht und Erleuchtung schleudert und immer wieder Pyramiden errichtet im Titanenkampf von Geist gegen Gott. „Pyramidal“ steht am Anfang eines der berühmtesten, längsten und überwältigendsten Gedichte in spanischer Sprache, der Titel ist schlicht „Erster Traum“. Geschrieben wurde es von Sor Juana Inés, die 1695 in Mexico-Stadt starb. Sie war arm, aufsässig, Großdichterin, Intellektuelle und am Heiraten nicht interessiert. Sie wurde Nonne, verkehrte am Hof der Vizekönigin und wird als „zehnte Muse Mexicos“ verehrt. Ihrem sich in Langsätzen immer heftiger entzündenden barocken Furor können sich selbst heutige Leser nicht entziehen, selbst die deutschen Übersetzungen bewahren den Freiheitsdrang der Sor Juana.
Nun sind eintausend Verse selbst für die gerade erschienene und überwältigende 2500-seitige Anthologie „Spanische und hispanoamerikanische Lyrik“ ein zu großer Brocken, die dann nur ein knappes Viertel des Textes in der rauschhaften Verdeutschung von Susanne Lange bietet: „Pyramidaler, unheilvoller Schatten, ein Kind der Erde, schickte auf zum Himmel der eitlen Obelisken hohen Spieß, der klimmen wollte auf zu den Gestirnen…“ Wer mehr, gar alles will, der greife zur nur noch antiquarisch erhältlichen Übertragung von Fritz Vogelgsang. Dass der Leser auf so eine Idee überhaupt kommt, kann ein Verdienst dieser vierbändigen, zweisprachigen Monsteredition sein. Sie macht auf jeder Seite, in den Gedichten, die ja stets kondensiertes Leben sind, wie auch in den ungeschwätzig hellsichtigen Kommentaren, Lust zum Weiterlesen, Tieferforschen, Mehrerfahren. Denn ein Leser begibt sich ja in solch ein Megalabyrinth immer in der Hoffnung auf unbekannte Erlebnisse und Begegnungen mit dem Magischen, Provokanten, Göttlichen. Davon gibt es in der spanischen Lyrik mehr als genug, oft sind diese Preziosen in Deutschland, wie Sor Juana, so gut wie unbekannt.
Schon die Anfänge sind eigen: Zu Beginn der Anthologie gibt es ein arabisches und ein hebräisches Gedicht, deren Schlusszeilen, das war nicht unüblich, jedoch Spanisch sind. Liebesklagen, Seufzer: „Nur bloßen weißen Hals will mein Geliebter, und das Geschmeide mag er nicht.“ So fängt diese Lyrik im Umfeld jener Einwanderer an, die der katholische Staat verfolgte und zwischen 1492 und 1611 auswies. Der sprachlich schlichte, Situationen verdichtende Alltagstonfall aber blieb. Er findet sich in Romanzen und Liedern: „Meine Mutter schickte mich zu den kühlen Brunnen: hab nun Liebeswunden.“ Er ist noch bei Federico García Lorca präsent und auch beim Jüngsten der Anthologie, bei dem bald 60-jährigen Sergio Raimondi, der den Klempner ins Haus lässt, der „unberührt von ästhetischen Postulaten“ dafür sorgt, dass das Wasser „nicht von der Zimmerdecke aufs Bett tropft“ und dabei philosophiert: „Seine Vorstellung vom Kosmos lässt eine Unregelmäßigkeit als Grundprinzip zu, einen Zufall, von dem er wortwörtlich lebt.“
Weltanschauliches und Philosophisches aber ist nie die zentrale Leidenschaft dieser Dichter, alles ist Bild und Anschauung, selbst in christlich inspirierten Versen. Das gilt auch für Luis de Góngora, dieses sagenumwobene und wild umkämpfte Barockdichtermonster, das die Sor Juana genauso inspirierte wie die avantgardistische Generación del 27. Lorca. Der Nobelpreisträger Vicente Aleixandre, Rafael Alberti, Luis Cernuda oder Jorge Guillén ließen sich von den ans Surreale heranreichende Sprachkaskaden gerade der „Soledad primera“ Góngoras inspirieren: „Es war des Jahres Zeit der Blütenpracht, in der Europas tückischer Entführer (ein Halbmond ist das Wappen seiner Stirn, als volle Sonne glänzt sein ganzes Fell), erstrahlte…“ So geht das tausend Verse lang in das Herzstück spanischer Lyrik. Der Leser wird zunehmend begeistert mitgewirbelt. Die Anthologie bietet auch hier nur eine Auswahl, einmal süchtig geworden, muss man sich die Gesamtübersetzung von Erich Arendt antiquarisch besorgen, um vollends glücklich zu werden.
Viele der Übersetzungen begeistern. Manchmal stört das allzu symmetrische Versmaß im Deutschen, im Spanischen, das nur gleich lange Vokale kennt, sind die Verse meist sehr viel unregelmäßiger, gezackter und damit lebenssprühender. Manchmal nerven die Reime. Gerade bei den Sonetten ist es wohltuend, wenn jüngere Übersetzter auf sie verzichten. Ein berühmtes Sonett besingt die Pappel im Kreuzgang des Klosters von Silos, der später Franco ergebene Gerardo Diego beginnt mit einem erlesenen Adjektiv: „Enhiesto surtidor de sombra y sueño“, Susanne Lange schreibt „Gereckter Strahl aus Schatten und aus Traum“, sie lässt dann alle Reimerei außen vor. Oft sind jene Übersetzungen besonders mitreißend, die sich an Rafael Alberti halten: „Meine Seele hat nämlich die Regeln vergessen.“
Dem schweifenden Leser, erst recht dem sich systematisch durch diese 2500 Seiten wühlenden Lyrikentzückten werden immer wieder Einzelverse im Gedächtnis hängen bleiben, und nicht nur Berühmtheiten wie „Paradies, verschlossen den Vielen, Gärten, geöffnet Wenigen“ oder „Grün wie ich die liebe grün“. Hängen bleiben wird auch „O Hölderlin, Lumpen und blühende Gerte zugleich, Nest voll Gezwitscher, misshandelte Puppe“.
Oder „Ich wünsche mir einen Revolver, um nur noch den Klang des Blutes zu hören, und zu wissen, dass ich nicht sterben werde“ oder „so / reisen wir aus der brust in die trockene sonne die das wunder vergoldet“. Diese Anthologie ist ein Walfisch, der den Leser verschluckt, um ihm all die Wunder zu zeigen, die er im Laufe von tausend Jahren in seinem Inneren gesammelt hat.
Das dritte berühmte spanische Langgedicht ist hier vollständig und wunderbar übersetzt, jene berühmten 480 Verse, die der kurz vor 1500 gestorbene Soldatenlyriker Jorge Manrique auf den Tod seines Vaters schrieb. Ein stürmisch verständliches, intimes und leicht tanzendes Memento mori. Der Besungene ist seinen „Freunden welch ein Freund“, seinen „Feinden welch ein Feind“, er ist gedankenklug, Verteidiger der Armen, Rebellenbekämpfer und witzig. Gerade der Witz ist eine häufige Ingredienz der spanischen Lyrik.
So treibt Lope de Vega, das literarische Monster Spaniens, Vielschreiber, Meisterdramatiker, Geistlicher und der Vielfrauerei ergeben, witzelnd Spott mit der geschraubten Ausdrucksweise Góngoras. Also lässt er die Dichterberühmtheiten Boscán und Garcilaso vom Parnass nach Kastilien reisen und dabei eine Gastwirtin treffen, die góngorisch redet: „Armierte werden hier nicht pernoktiert.“ Das verstört die Dichter. Sollten sie am Ende etwa bei den Basken gelandet sein?
REINHARD J. BREMBECK
Lope de Vega ist das literarische
Monster Spaniens, Geistlicher
und der Vielfrauerei ergeben
Martin von Koppenfels
et al.: Spanische und hispanoamerikanische Lyrik,
Band 1: Von den Anfängen bis Fernando de Herrera;
zweisprachig. Verlag
C. H. Beck, München 2022.
635 Seiten, 45 Euro.
Meisterdramatiker: Félix Lope de Vega Carpio (1562 – 1635)
Foto: imago/Leemage
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