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Seit dreißig Jahren sind sie befreundet, die stille Malerin Christine, ihr Mann Alex, der sich zum Dichter berufen fühlte und nun als Lehrer arbeitet, der erfolgreiche Kunsthandler Zachary und seine flamboyante Frau Lydia. Die vier führen in London ein gutbürgerliches Leben, parlieren über Kunst und Literatur, bekommen Kinder und fahren gemeinsam in die Ferien. Alles ist gut. Dann stirbt Zachary, vollkommen unerwartet. Lydia zieht zu Christine und Alex. Aber der Verlust des Freundes und Ehemanns schweißt die drei nicht enger zusammen. Die Vergangenheit holt sie ein, alte Wunden brechen auf.…mehr

Produktbeschreibung
Seit dreißig Jahren sind sie befreundet, die stille Malerin Christine, ihr Mann Alex, der sich zum Dichter berufen fühlte und nun als Lehrer arbeitet, der erfolgreiche Kunsthandler Zachary und seine flamboyante Frau Lydia. Die vier führen in London ein gutbürgerliches Leben, parlieren über Kunst und Literatur, bekommen Kinder und fahren gemeinsam in die Ferien. Alles ist gut. Dann stirbt Zachary, vollkommen unerwartet. Lydia zieht zu Christine und Alex. Aber der Verlust des Freundes und Ehemanns schweißt die drei nicht enger zusammen. Die Vergangenheit holt sie ein, alte Wunden brechen auf. Haben sie die richtigen Entscheidungen getroffen? Trifft man die je? Was ist aus ihren Sehnsüchten, den Lebensentwürfen ihrer Jugend geworden? Und was ist eigentlich damals in Venedig geschehen? Tessa Hadley hat einen wunderbar elegischen Roman über die ganz normalen Irrtümer und Missverstandnisse des Lebens geschrieben, eine comedy of manners, in der die kleinen Gesten alles erzahlen, ein Buch, dessen Lebensklugheit und feiner Ironie man sich nicht entziehen kann.
Autorenporträt
TESSA HADLEY, 1956 in Bristol geboren, wechselt zwischen zwei Rollen hin und her: Ihr »soziales Ich« ku¿mmert sich um ihren Ehemann, ihre drei So¿hne und ebenso viele Enkelkinder, wa¿hrend ihr »schreibendes Ich« geduldig hinter den Kulissen warten muss, bis es wieder auftreten darf. Aber das eine ga¿be es nicht ohne das andere: Auch in ihrem Schreiben bescha¿ftigt sich Hadley, wie ihre großen Vorbilder Jane Austen und Jean Rhys, mit dem Familienleben und sozialen Beziehungen. Bevor sie sich dem Schreiben widmete, arbeitete Tessa Hadley kurze Zeit - sehr unglu¿cklich - als Lehrerin. Mit Ende dreißig studierte sie Kreatives Schreiben in Bath (wo sie heute unterrichtet) und promovierte mit einer Arbeit u¿ber Henry James. Ihren ersten Roman vero¿ffentlichte sie erst mit 46. Fu¿r ihre Romane und Kurzgeschichten erhielt sie zahlreiche Preise, 2009 wurde sie zum Fellow der Royal Society of Literature gewa¿hlt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.04.2020

Quartett-Spiel mit Nebenfiguren

Viel wissen, nichts verzerren und berückend erzählen: In Tessa Hadleys Roman "Zwei und zwei" kreuzen sich die Wege von vier Menschen.

Da sind zwei Paare, die sich lange Zeit schon kennen. Die Männer begegneten sich in der Studienzeit, die Frauen waren seit der Kindheit Freundinnen. Es sind vier Menschen, die in ihren Temperamenten nicht unterschiedlicher sein könnten. Der neue Roman der englischen Autorin Tessa Hadley, 2019 im Original als "Late in the Day" in Großbritannien erschienen, erzählt aus deren Leben über drei Jahrzehnte hinweg. Inzwischen sind sie alle in der Mitte ihrer Fünfziger. Es ist eines dieser Bücher, von denen man nicht lassen kann, man liest weiter, geht ein Stück Wegs mit diesen Fremden, die immer vertrauter werden.

Da ist Alex, dessen Eltern aus Polen nach London kamen, dem Vater blieb die Anerkennung als Schriftsteller versagt. Alex' erste Ehe, die er wegen des Sohnes Sandy geschlossen hat, scheitert. Eine düstere Seite beherrscht ihn, der selbst frustriert als Dichter ist; als Lehrer an einer Grundschule hat er eine Aufgabe gefunden. Und da ist Zachary, sein ungleicher Freund aus Studienzeiten, liebenswert und stets auf Ausgleich bedacht, ein wenig pompös, großzügig nicht nur, weil er es sich leisten kann; er führt erfolgreich eine Galerie in London. Da ist Christine, die aus gutbürgerlichen Verhältnissen kommt, strebsam in ihrem Studium, nach außen hin kühl und diszipliniert; sie arbeitet für sich als Künstlerin ohne nennenswerten Erfolg, aus innerer Notwendigkeit. Und da ist Lydia, deren Eltern einen Pub betreiben. Lydia ist sinnlich und attraktiv, eine unberechenbare Dramaqueen, für Konzentration und verantwortliches Handeln nicht gemacht.

Lydia war in den frühen Jahren versessen auf den komplizierten Alex, ohne Erfolg. Christine und der flamboyante Zachary waren ein einander freundlich zugewandtes Pärchen. Doch es sollte anders kommen. Christine und Alex finden zueinander, sie haben die gemeinsame strebsame Tochter Isobel. Dafür steigt Lydia in den Luxus ein, den Zachary ihr bieten kann, sie haben die eigenwillige Tochter Grace, die Bildhauerei in Glasgow studiert. Die beiden Paare bleiben über all die Jahre hin Freunde, in einem prekären Gleichgewicht, das sie in gemeinsamen Unternehmungen und Reisen immer wieder zu untermauern suchen.

Am Beginn des Romans steht eine Katastrophe, die das zerbrechliche Arrangement - "Zwei und zwei", so der deutsche Titel - neu aufmischt. Das ganze Konstrukt kommt ins Wanken. "Sie hörten Musik, als das Telefon klingelte", lautet der erste Satz des Romans. Christine lauscht der Musik, Alex liegt auf dem Sofa. Christine nimmt ab, Lydia ruft aus einem Krankenhaus an, wirr genug, Zachary hatte eine Herzattacke. Endlich sagt Lydia: "Warum hörst du nicht zu, Christine? Ich sage doch, er ist tot." Das hatte sie vorher nicht gesagt. Christine und Alex nehmen Lydia in ihrer bescheidenen Wohnung auf, weil sie es daheim allein nicht aushält. Dort wird Lydia, ein paar Seiten weiter, Christine ihren "Schmerz" bekennen, aber auch: "Dir muss ich die Wahrheit sagen, sonst niemandem. Anders kann ich es nicht ertragen. Du weißt, dass es keine Liebe ist, nicht wahr?"

Von hier aus entfaltet Tessa Hadley ihre Geschichte, in die sie auch die Kinder von Alex und Christine und von Lydia und Zachary einflicht. Vor allem aber blendet sie die frühe Zeit der ungleichen Paare ein in sieben Kapitel, die sie souverän miteinander verschränkt. Mit großartiger Geduld lässt sie die Charaktere ihrer Protagonisten vor uns erstehen. Immer wieder gibt es Schnittstellen wie Wegkreuzungen, an denen das Knirschen im Gebälk dieser gegen alle Flaggen aufrechterhaltenen Freundschaften aufbricht. Einmal, noch früh, als Christine mit Zachary liiert ist, erkennt deren lebenskluge Mutter instinktiv den Reiz, den Lydia auf Zachary ausübt; Christine steckt das auf ihre disziplinierte Art ein. Dann, später bei einem gemeinsamen Ausflug der vier nach Venedig, der gegenüber dem Beginn der Handlung zehn Jahre zurückliegt, kommt es zu einer Konfliktsituation, in der die Fragilität dieser Nähe aufbricht. Und auch bitter wird das noch sein können, nachdem eben aus dem Vierer- ein Dreiergespann geworden ist.

In Hadleys glasklarer Prosa, die von den Belastungen des Alltags in Ehe und Elternschaft und von den Bedingungen und Schwierigkeiten des Alterns handelt, wird das Begehren sichtbar, das mit aller Anstrengung unter der Oberfläche gehalten ist, genährt von Enttäuschungen und getragen vom Schein bürgerlicher Existenz, die den einstigen gemeinsamen Aufbruch in den achtziger Jahren überdeckt. Hadley lässt die Wünsche im Raum stehen, und wo sie - spät - eindringen, bleibt sie diskret, ohne die harten Kanten der Ambivalenzen zu verschleiern. In den Kindern, die inzwischen junge Erwachsene sind, spiegeln sich die Irrungen und Wirrungen und Exaltationen der Eltern, nun unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen.

So entsteht ein Quartett-Spiel mit Nebenfiguren, das die Autorin - in der Position einer viel wissenden Beobachterin - von außen beleuchtet, ohne alles ins Licht zu zerren. Der souveräne Stil ihrer Prosa erlaubt Hadley punktuelle Tiefenbohrungen in die Seelen ihrer Personen, unaufdringlich und lebenserfahren. Der deutsche Titel "Zwei und zwei", in der feinfühligen Übersetzung von Gertraude Krueger, passt zum klugen Kalkül. Die Versuchsanordnung mit jenen einst bohèmehaften Existenzen voller Illusionen hat nichts Gekünsteltes. So finden Menschen eben zueinander, bleiben beisammen, bis die Fassaden zu bröckeln beginnen.

Tessa Hadley, Jahrgang 1956 und spät zum eigenen literarischen Schreiben gekommen, erzählt in der Tradition eines Realismus, den es gar nicht mehr oft gibt. Das ist wundervoll zu lesen, denn sie hat die rar gewordene Gabe eines ruhigen Erzählflusses, der dennoch oder gerade deshalb fesselt. Sie ist eine scharfsinnige Beobachterin, unerbittlich ist sie nicht, sie ist hellsichtig. Dabei schimmert ihre Prosa in einer schwebenden Ironie, die sich nie über die von ihr geschilderten Geschicke erhebt. Und die Autorin schlägt sich nicht auf die Seite einer der Frauen oder eines der Männer, immer wägt sie in ihren Schilderungen sorgfältig ab. Es mag sein, dass ihr kaum spürbar der sich verschwendende Zachary nah ist, und am nächsten steht sie vielleicht Christine. Weil nämlich so oft die simple Arithmetik des Lebens nicht aufgeht. Doch da ist eine Chance, late in the day, spät am Tag, noch einmal anzufangen mit dem, was zählt - am Ende des Tages.

ROSE-MARIA GROPP

Tessa Hadley:

"Zwei und zwei".

Roman.

Aus dem Englischen von Gertraude Krueger. Kampa Verlag, Zürich 2020. 320 S., geb., 22,- [Euro].

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