In der Erziehung wandte sich Locke, der nicht verheiratet war und keine Kinder hatte, gegen strenge Schulzucht. Stattdessen müsse die Erziehung die Individualität der Kinder und Jugendlichen fördern. Lockes Empfehlungen zu Bildung und Erziehung sind eng verknüpft mit seiner Lehre, dass jedes Kind in geistiger Hinsicht als Tabula rasa zur Welt kommt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.09.2020NEUE TASCHENBÜCHER
Wahre Freiheit ist
Selbstoptimierung
War er Ideologe der oligarchischen Aristokratenelite, Vorreiter der Aufklärung, des Wirtschaftsliberalismus? John Lockes „Gedanken zur Erziehung“ von 1693 gelten dem heranwachsenden Aristokraten. Der soll sein freies Denken und Tun durch Selbstoptimierung maximieren. Hier schlägt wohl auch das puritanische Elternhaus Lockes durch; der Vater war Jurist, der Großvater vermögender Tuchhändler. Was aber macht den sozialen Aufsteiger, den Arzt, Philosophen und überzeugten Junggesellen, der lediglich mit Kindern von Freunden Umgang hatte, kompetent für Erziehungsfragen? Es ist vor allem sein Ansatz, dass niemand qua Geburt zu einem bestimmten Leben verurteilt ist. Jeder kann durch eigene Anstrengung sein Glück machen. Locke revolutioniert die militärisch geprägte Erziehung der Ober- und aufstrebenden Mittelschicht. Er habe die Hoffnung, schreibt er, seine Schrift möge denen ein kleines Licht geben, die es wagten, bei der Erziehung ihrer Kinder lieber ihre eigene Vernunft zu befragen, als sich ganz auf Überkommenes zu verlassen. Das setzt aber auch die Vernunft voraus, Locke in einigen Punkten zu widersprechen. HELMUT MAURÓ
John Locke: Gedanken über Erziehung. Aus dem Engl. v. H. Wohlers. Einl. u. Anm. v. D. Schuck. Felix-Meiner-Verlag, Hamburg 2020. 286 Seiten, 24,90 Euro.
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Wahre Freiheit ist
Selbstoptimierung
War er Ideologe der oligarchischen Aristokratenelite, Vorreiter der Aufklärung, des Wirtschaftsliberalismus? John Lockes „Gedanken zur Erziehung“ von 1693 gelten dem heranwachsenden Aristokraten. Der soll sein freies Denken und Tun durch Selbstoptimierung maximieren. Hier schlägt wohl auch das puritanische Elternhaus Lockes durch; der Vater war Jurist, der Großvater vermögender Tuchhändler. Was aber macht den sozialen Aufsteiger, den Arzt, Philosophen und überzeugten Junggesellen, der lediglich mit Kindern von Freunden Umgang hatte, kompetent für Erziehungsfragen? Es ist vor allem sein Ansatz, dass niemand qua Geburt zu einem bestimmten Leben verurteilt ist. Jeder kann durch eigene Anstrengung sein Glück machen. Locke revolutioniert die militärisch geprägte Erziehung der Ober- und aufstrebenden Mittelschicht. Er habe die Hoffnung, schreibt er, seine Schrift möge denen ein kleines Licht geben, die es wagten, bei der Erziehung ihrer Kinder lieber ihre eigene Vernunft zu befragen, als sich ganz auf Überkommenes zu verlassen. Das setzt aber auch die Vernunft voraus, Locke in einigen Punkten zu widersprechen. HELMUT MAURÓ
John Locke: Gedanken über Erziehung. Aus dem Engl. v. H. Wohlers. Einl. u. Anm. v. D. Schuck. Felix-Meiner-Verlag, Hamburg 2020. 286 Seiten, 24,90 Euro.
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