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Der neue "Wilpert" gibt in rund 4000 Artikeln präzise und klare Antworten auf Fragen zu Goethe. Das Lexikon informiert über alle wesentlichen, heute noch interessierenden Personen, Werktitel, Sachen, Örtlichkeiten und Begriffe aus Goethes Leben, Werk und Welt: Personen aus Goethes Lebenskreis und Erfahrungswelt, die Orte, an denen er sich aufhielt oder die er zu Schauplätzen seiner Dichtungen wählte, Stoffe, Figuren und literarische Formen seiner Werke sowie die Hauptbegriffe seiner Weltsicht und seines naturwissenschaftlichen Denkens.

Produktbeschreibung
Der neue "Wilpert" gibt in rund 4000 Artikeln präzise und klare Antworten auf Fragen zu Goethe. Das Lexikon informiert über alle wesentlichen, heute noch interessierenden Personen, Werktitel, Sachen, Örtlichkeiten und Begriffe aus Goethes Leben, Werk und Welt: Personen aus Goethes Lebenskreis und Erfahrungswelt, die Orte, an denen er sich aufhielt oder die er zu Schauplätzen seiner Dichtungen wählte, Stoffe, Figuren und literarische Formen seiner Werke sowie die Hauptbegriffe seiner Weltsicht und seines naturwissenschaftlichen Denkens.
Autorenporträt
Prof. Dr. Gero von Wilpert (1933-2009) war 1957-1972 Lektor in Stuttgart und 1973-1994 Professor für deutsche Literaturwissenschaft in Sydney/Australien. Er war Fellow der >Australian Academy of the Humanities<. Weite Verbreitung fanden seine literaturwissenschaftlichen Nachschlagewerke >Sachwörterbuch der Literatur< (Kröner, 8. Aufl. 2001), >Deutsches Dichterlexikon< (KTA 288, 3. Aufl. 1988), das von ihm herausgegebene, umfassende >Lexikon der Weltliteratur< (Kröner, 4. Aufl. 2004) und die Bibliografie >Erstausgaben deutscher Dichtung< (Kröner, 2. Aufl. 1992). Er ist ferner Autor einer >Deutschen Literatur in Bildern< (Kröner, 2. Aufl. 1965), einer >Schiller-Chronik< (2. Aufl. 2000), einer Motivgeschichte >Der verlorene Schatten< (Kröner, 1978), einer Monografie >Die deutsche Gespenstergeschichte< (KTA 406, 1994) und des >Goethe-Lexikons< (KTA 407, 1998).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.1998

Zug ist ein Ort in der Schweiz
Modena ja, Maschine nein: Gero von Wilperts Goethe-Lexikon

"Es soll ein Lexikon sein und nur ein Lexikon." Als Wolfgang Schadewaldt 1946 diese Maxime für das Goethe-Wörterbuch ausgab, galt ideologische Abstinenz als Gebot der "Stunde Null". Man wollte nicht durch ein Exempel deuterischer Freiheit zur Wiederholung des Klassikermißbrauchs ermutigen. Ein homöopathisches Mittel wurde gegen weltanschauliche Virulenz wiederentdeckt: die "Interpretation Goethes aus Goethe".

Aber hatte nicht gerade Goethe seine Leser aufgefordert, im Auslegen "frisch und munter" den eigenen Verstand, die eigene Phantasie zu gebrauchen? Es dauerte zwei Jahrzehnte, bis die neugegründete Rezeptionsgeschichte mit der Erkenntnis provozierte, daß jede Lektüre bewußt oder unbewußt durch das Interesse des Tages bestimmt ist, auch bei den selbsternannten Erbehütern, deren vermeintliche Ideologiefreiheit sie erst recht verdächtig machte. Auch die Achtundsechziger-Germanistik hatte ihren blinden Fleck. Im Aktualisierungsdrang legte sie bisweilen nicht mehr aus, sondern nur noch unter.

Man muß sich diese doppelte Gefahr falscher Vereinnahmung, die antiquarische wie die aktualistische, vor Augen führen, um zu erkennen, daß ein so unverfänglich scheinendes Unternehmen wie ein Goethe-Lexikon einer prekären Passage gleicht. Die bisherigen Versuche sind denn auch kaum unbeschadet durch die Informationsflut der Goethe-Literatur gekommen. Julius Zeitlers dreibändiges Handbuch, zwischen 1916 und 1918 erschienen, ist heute nur noch als Dokument spätwilhelminischer Klassikerverehrung interessant; Alfred Zastraus Versuch einer philologisch ausgenüchterten Neubearbeitung blieb vierzig Jahre danach beim Stichwort "Farbenlehre" im Faktenwust stecken. Inzwischen allerdings, wiederum vierzig Jahre später und im Blick auf Goethes 250. Geburtstag im kommenden Jahr, hat der Metzler Verlag sein neues Goethe-Handbuch erfolgreich abgeschlossen, dtv kündigt ein "Who's who bei Goethe" an, und Reclam vertreibt ein amüsantes "Goethe-ABC". Nun legt der Kröner Verlag Gero von Wilperts "Goethe-Lexikon" vor.

Gero von Wilpert, 1933 in Estland geboren und seit einem Vierteljahrhundert in Australien beheimatet, ist ein bewährter Lexikograph. Sein "Sachwörterbuch der deutschen Literatur" gilt als Standardwerk, im Einmannbetrieb hat er auch ein "Lexikon der Weltliteratur", ein "Deutsches Dichterlexikon" und eine "Schiller-Chronik" erarbeitet. Ein Goethe-Lexikon mußte kommen. Daß er dabei das Anecken vermeiden würde, war vorhersehbar. Programmatisch wirkt das Umschlagmotiv: Tischbeins Gemälde "Goethe in der Campagna", kanonischer geht es nicht.

Für eine gewisse Überraschung sorgt dann das Vorwort. Das Bekenntnis zur Interpretation Goethes aus Goethe ("aus den Quellen selbst erarbeitet") versteckt sich fast hinter den Beteuerungen des Autors, sein Lexikon wolle "die Goethe-Freunde und Goethe-Leser von heute" ansprechen, "den gegenwärtigen Forschungsstand und die wissenschaftliche Diskussion" zumindest "spiegeln", ja als "Surplus" dem Leser "neue Perspektiven" eröffnen.

Was aber dieser risikofreudigen Ankündigung auf gut zwölfhundert Seiten in rund viertausend Artikeln folgt, bleibt auf sicherem Terrain. Da wird kaum eine Schweizer Ortschaft ausgelassen, die Goethe einmal durchreiste, und dafür jeder Hinweis auf jene Orte vermieden, an denen Goethe gegenwärtig zu finden ist, etwa in der Digitalisierung der Weimarer Ausgabe und der Biedermannschen Gespräche, die ein weites Feld eingeweihten Gelehrtenwissens zur virtuellen Spielwiese deklassiert. Interlaken statt Internet - die Akzentuierung wäre plausibel, wenn sie einem Prinzip, dem der Konzentration auf den Horizont der Goethe-Zeit, entspräche. Doch das ist offenbar nicht von Wilperts Absicht. Postume literarische Bearbeitungen Goethescher Motive und Figuren finden bei ihm ebenso Eingang wie Instrumentarien der Forschung, vor allem das "Goethe-Wörterbuch", das die Herausforderung der neuen Medien inzwischen anzunehmen gelernt hat und bis zu seiner Fertigstellung (man ist jetzt beim Buchstaben G) noch viel Zukunft vor sich hat.

Von solcher Dynamik steht nichts in von Wilperts Artikel, der als Referenz nur Schadewaldt erwähnt. Allein der alphabetische Kontext, in dem das Goethe-Wörterbuch hier steht, macht den Blickwinkel dieses Lexikons deutlich: Goethe-Nationalmuseum, Goethe- und Schiller-Archiv, Goethe- und Schiller-Denkmal, Goethe- und Schiller-Gruft, Goethe-Vereine - Verwahranstalten des neunzehnten Jahrhunderts. Nun ist unbestreitbar, daß die archivarischen und musealisierenden Bemühungen dieser Epoche noch heute weitgehend die Methoden der Goethe-Philologie bestimmen. Auf ihnen zu beharren ist in den Zeiten des Medienwechsels fast schon wieder subversiv.

Respekt verdient überdies, daß von Wilpert es offenbar nicht nötig hat, die Ferne vom aktuellen Betrieb mit naserümpfender Gestik zu nobilitieren. Und hat man sich erst einmal klargemacht, welchem Interesse sein Lexikon folgt, läßt sich damit umgehen. Es ist das rückwärtsgewandte Interesse einer Kompensation von Modernisierungsschäden, bei der all das ausgeblendet wird, was Goethe als unseren Zeitgenossen kenntlich machen würde: Statt "Moderne" finden wir "Modena", statt Vaucanson und James Watt allein Watteau, statt "Experiment" "Externsteine". Zentrale Vokabeln des Alterswerks wie "Maschinenwesen" oder "veloziferisch" fehlen auf dem Index; es gibt in Gero von Wilperts Goethe-Welt keine Stichworte für den Telegraphen, die Dampfmaschine und die Eisenbahn - (für "Zug" wohl, aber das ist hier nur eine Ortschaft in der Schweiz). Erkennbar soll Goethe in die gute alte Zeit zurückgeführt werden. So ist nicht zufällig der Artikel über Technik, der sich dann noch findet, kürzer als der über Goethes Landgut Oberroßla.

Doch wäre ein Tor, wer von einem Lexikon ausgewogene Information erwartete. Jedes ist das Kind seines Schöpfers. Hier wird dokumentiert, was der immer noch mächtige Mainstream konservativ-liberaler Goethe-Verehrung für wissenswert hält und zu meinen pflegt. Das Wissen wird hier, sieht man von kleineren Irrtümen ab, mit weiterführenden Literaturhinweisen sorgsam zusammengetragen. Und das Meinen ist von gutwilliger Art. So konnte der erst im Jahre 1828 eingedeutschte Begriff "Sport" die Modernitätsschranke passieren, freilich mit einem mahnenden Fingerzeig auf unsere Jogging-Kultur: "Sicher lag G. nichts ferner als anstrengende Leibesübungen zur körperlichen Ertüchtigung". Dieser Hang zum Gemütlichen, der auch Kurioses nicht ausklammert, verleiht dem Buch seinen Charakter.

Buchstäblich ein Hand-Buch für den Hausgebrauch, wird es seinen Platz im Griffbereich manchen Goethe-Freundes finden. Da steht dann "der Wilpert" womöglich neben "dem Büchmann". Für beide gilt: In der Wiedergabe des Landläufigen besteht ihre Stärke. Das ist in Ordnung, solange der Nutzer bedenkt, daß kein Lexikon nur ein Lexikon sein kann. PETER MATUSSEK

Gero von Wilpert: "Goethe-Lexikon". Kröner-Verlag, Stuttgart 1998. 1227 S., geb., 72,- DM.

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