Fleischmann arbeitet als Mädchen für alles im futuristischen Grand Hotel hoch oben auf dem Jested, einem Berg im Norden Tschechiens. Wenn ihm sein Chef mit seinen ewigen Frauengeschichten zu sehr auf die Nerven geht, träumt er sich davon in seine Lieblingswelt - die Vielgestaltigkeit der Wolkenformationen. Bislang hatte noch keine Frau bei ihm eine Chance, denn Fleischmann ist der schönen Meteorologin aus dem Fernsehen versprochen, der er dauernd Briefe schreibt, die mit den immer gleichen Autogrammkarten beantwortet werden. Die Serviererin Ilja versucht, ihm die echte Liebe beizubringen, um mit ihm zusammen seinen größten Traum zu verwirklichen: der Provinz und dem verblichenen Charme des Grand Hotels zu entfliehen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.07.2018NEUE TASCHENBÜCHER
Zwischen
Himmel und Erde
Wetterfrosch, Eiszapfen, Wolkenpest, so nannten ihn früher die Mitschüler. In der Tat, Fleischman ist reichlich verschroben. Nichts liebt er mehr, als das Wetter zu beobachten, und die Meteorologin im Fernsehen, die liebt er auch. Immerhin darf er in einem Hotel arbeiten, das tausend Meter hoch liegt, den Wolken so nah: „Verloren am schönsten Ort der Welt, wo die Erde aufhört und der Himmel anfängt.“ Für seinen zweiten Roman „Grand Hotel“ hat der tschechische Schriftsteller Jaroslav Rudiš 2006 einen anrührend traurigen Ich-Erzähler erfunden; der Verlag Wagenbach hat den damals verfilmten und übersetzten Roman nun in einer Hotel-Reihe erneut herausgebracht. Rudiš will in „Grand Hotel“, ähnlich wie in seinem jüngeren Werk „Nationalstraße“, allerdings nicht nur das Psychogramm eines verstörten Menschen zeichnen – ihm geht es im Kern um die Analyse der tschechischen Gesellschaft, die über all der verdrängten brutalen Geschichte in der Mitte Europas depressiv stagniert. Wichtig wäre es, in Bewegung zu kommen, das spürt auch Rudiš’ wetterfühliger Held. Tatsächlich weht ein Lüftchen heran: der Wind der Veränderung. ANTJE WEBER
Jaroslav Rudiš:
Grand Hotel. Aus dem Tschechischen von Eva Profousová. Wagenbach Verlag, Berlin 2018.
208 Seiten, 12 Euro.
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Zwischen
Himmel und Erde
Wetterfrosch, Eiszapfen, Wolkenpest, so nannten ihn früher die Mitschüler. In der Tat, Fleischman ist reichlich verschroben. Nichts liebt er mehr, als das Wetter zu beobachten, und die Meteorologin im Fernsehen, die liebt er auch. Immerhin darf er in einem Hotel arbeiten, das tausend Meter hoch liegt, den Wolken so nah: „Verloren am schönsten Ort der Welt, wo die Erde aufhört und der Himmel anfängt.“ Für seinen zweiten Roman „Grand Hotel“ hat der tschechische Schriftsteller Jaroslav Rudiš 2006 einen anrührend traurigen Ich-Erzähler erfunden; der Verlag Wagenbach hat den damals verfilmten und übersetzten Roman nun in einer Hotel-Reihe erneut herausgebracht. Rudiš will in „Grand Hotel“, ähnlich wie in seinem jüngeren Werk „Nationalstraße“, allerdings nicht nur das Psychogramm eines verstörten Menschen zeichnen – ihm geht es im Kern um die Analyse der tschechischen Gesellschaft, die über all der verdrängten brutalen Geschichte in der Mitte Europas depressiv stagniert. Wichtig wäre es, in Bewegung zu kommen, das spürt auch Rudiš’ wetterfühliger Held. Tatsächlich weht ein Lüftchen heran: der Wind der Veränderung. ANTJE WEBER
Jaroslav Rudiš:
Grand Hotel. Aus dem Tschechischen von Eva Profousová. Wagenbach Verlag, Berlin 2018.
208 Seiten, 12 Euro.
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