Nach einem Anschlag auf ihr Leben ist für die Abgeordnete Martina Wernicke nichts mehr wie vorher. Während die äußeren Wunden heilen, bedarf es mehr als einer Operation und Medikamenten um die inneren zu verarbeiten. Um sich die Zeit zu geben, die sie braucht um sich selbst wieder zu finden in dem
Chaos, das das Attentat in ihrer Seele hinterlassen hat, zieht sich die engagierte Politikerin aufs…mehrNach einem Anschlag auf ihr Leben ist für die Abgeordnete Martina Wernicke nichts mehr wie vorher. Während die äußeren Wunden heilen, bedarf es mehr als einer Operation und Medikamenten um die inneren zu verarbeiten. Um sich die Zeit zu geben, die sie braucht um sich selbst wieder zu finden in dem Chaos, das das Attentat in ihrer Seele hinterlassen hat, zieht sich die engagierte Politikerin aufs Land zurück und versucht, die Ruhe zu genießen. Aber mit der Stille kommen auch die Gedanken an den Angriff und an ihre große Liebe Eleni, die sie vor einiger Zeit verlassen hat. Kann Martina den Weg zurück zu sich selbst finden und gibt es einen Weg, eine große Liebe zu retten?
Wie bereits in ihrem ersten Roman “Vor dem Morgen liegt die Nacht”, hat Claudia Breitsprecher auch in diesem wieder ihr wundervolles Gefühl für Sprache unter Beweis gestellt. Unglaublich schöne Formulierungen, ein zartes Gespür für Stimmungen und Situationen und ein intelligenter Aufbau machen das Lesen ihrer Romane zu einem wahren Vergnügen.
Die Hauptfigur Dr. Martina Wernicke ist sehr realistisch und ihr Zwiespalt glaubwürdig. Die politische Situation des Jahres 2010 ist gut recherchiert und auch Lebens- und Arbeitsumstände einer Abgeordneten sind überzeugend beschrieben. Stellenweise vielleicht sogar zu detailliert, schien mir leider manchmal der politische Hintergrund schwerer zu wiegen als die persönliche Situation der Protagonistin.
Die Gedankengänge, die das Attentat bei Martina auslöst, haben mir gut gefallen. Sie stellt sich selbst und ihre Prioritäten in Frage, denkt viel darüber nach, was einmal ihre Ziele waren und was sie daraus gemacht hat. Das hat mir sehr gefallen, ging mir letztendlich aber dann noch nicht tief genug. Auch das, was sie am Ende daraus macht, was sie für sich aus der Situation herauszieht, blieb mir zu wenig akut Lebensverändernd. Da hätten es durchaus ein paar Seiten mehr sein dürfen, die einfach noch etwas tiefer graben.
Gut fand ich wiederrum, dass die Beziehung zu Eleni nicht von jetzt auf gleich ein schmachtiges Happy End findet, sondern in realistischen Bahnen bleibt.
Nichtsdestoweniger hat mir das Lesen sehr viel Freude gemacht und ich vergebe wirklich gerne vier Sterne, denn ein Roman von Claudia Breitsprecher ist für mich Garant für eine niveauvolle Unterhaltung und dafür, dass man am Ende immer etwas für sich mitnehmen kann.
Zitate:
“Das Glück kommt in der Beobachtung. Dazu müssen wir sehen können. Und zum Sehen braucht es Licht. Außen und innen.” ~Miriam Meckel
Fast wäre mir das Leben aus den Händen gerutscht. Gerade noch habe ich es festgehalten, und so lege ich meine Finger darum und betrachte es. Wie farbig kann es schillern, wenn die Zeit nicht ausgefüllt ist mit Drucksachennummern und Plenarsaalscharmützeln. Ich esse langsamer als sonst und kaue gründlich, schmecke jedem einzelnen Bissen nach. Wie köstlich kann sein, was meine Sinne aufzunehmen vermögen, wenn ich sie lasse. Wie kostbar. (Seite 15)
Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem sich das Innehalten nicht länger vermeiden lässt, und diese Einsicht erleichtert mich auf wundersame Weise. (Seite 16-17)
Ich will mich nicht quälen und nicht hetzen. Ich gebe mich der Langsamkeit hin und lasse mich von Nichtigkeiten fesseln, die ich noch nie wahrgenommen habe; da dreht die Stubenfliege auf dem Rand des benutzten Tellers ihre Runden, ein Traktor knattert durchs Dorf, die Stimme von Edith Piaf erscheint mir wie wütendes Klagen, im ersten, wie begeistertes Entzücken im zweiten Moment. Fernab der Hektik in der Stadt und der Tumulte im Plenarsaal bade ich in dem, was um mich herum geschieht. (Seite 39-40)
Das Paradies ist nicht im Himmel, sondern in den Augenblicken, in denen wir kein Unheil erwarten...
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