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Harry Oberländer hat in seinem 32-seitigen Bändchen ein schönes Portrait von "VauO" Stomps gezeichnet und begleitet damitdie 1600 Seiten umfassende 4-bändige Gesamt-Ausgabe »V.O. Stomps als Schriftsteller« im axel dielmann - verlag Frankfurt am Main.

Produktbeschreibung
Harry Oberländer hat in seinem 32-seitigen Bändchen ein schönes Portrait von "VauO" Stomps gezeichnet und begleitet damitdie 1600 Seiten umfassende 4-bändige Gesamt-Ausgabe »V.O. Stomps als Schriftsteller« im axel dielmann - verlag Frankfurt am Main.
Autorenporträt
Oberländer, HarryHarry Oberländer, geboren 1950, lebt als freier Schriftsteller in Bad Karlshafen. 2010 bis 2016 war er nach langjähriger freier Mitarbeit Leiter des Hessischen Literaturforums im Mousonturm Frankfurt und Herausgeber der Literaturzeitschrift "L. - der Literaturbote". 1973 erhielt Oberländer den Leonce-und-Lena-Preis für Lyrik in Darmstadt durch den Juror Wolfgang Weyrauch. Harry Oberländer veröffentlichte die Gedichtbände Garten Eden, Achterbahn, 1988, und Luzifers Lightshow, 1996. 2015 erschien sein Gedichtband chronos krumlov in der edition Faust. 2008 war er Finalist beim Lyrikwettbewerb Meran. Seine Übersetzung von Maya Angelou, Ich weiß warum der Vogel im Käfig singt erschien 2017 in einer Neuauflage bei Suhrkamp, Berlin. Zusammen mit Lydia Böhmer übersetzte er den Roman Der Wiederträumer des israelischen Autors Nir Baram, 2009 Schöffling&Co. Er ist Redakteur der online-Plattform www.faust-kultur.de

Stomps, Victor OttoVictor Otto Stomps war 1897 in Krefeld geboren, kam als Kind nach Berlin, wo er einen wilden Mix an Ausbildungen genoss: zum Drucker, zum Bankfachmann, zum Filmgehilfen. Das alles konnte seiner Neigung zum Bohemien nicht gerecht werden, schon gar nicht seiner größten Liebe: der zum eigensinnigen Buch. In unterschiedlichen Konstellationen hat er sie, seinen gestalterischen und literarischen Ansprüchen gemäß, selbst verlegt - und hat quasi im Verborgenen ein eigenes faszinierendes uvre geschaffen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2020

Sein Platz zwischen Seneca und Schiller
Eine große Edition erschließt den Schriftsteller Victor Otto Stomps hinter dem Literaturförderer

Unter Verlegern war er ein rückwärtsgewandter Avantgardist und unter Literaten ein bekannter Unbekannter: Victor Otto Stomps (1897 bis 1970), nach seinen Initialen allgemein VauO genannt, stand noch lange an seinen Handpressen, als der Offsetdruck schon längst den Bleisatz abgelöst hatte. Handwerklich gediegen verlegte er so Adorno, Eich, Huchel, Kolmar, Loerke, Wohmann, Zech und viele andere zu Beginn ihrer Karriere. Eigene Texte, die seine Freunde jetzt in vier umfangreichen Bänden mit Erzählungen, Romanen, Dramen, Gedichten, Essays und Kritiken ediert haben, wollte er hingegen nur selten selbst herausbringen.

Denn erstens hatte er sich der Entdeckung und Förderung junger Talente verschrieben, wozu er sich selbst nicht mehr rechnen durfte; und zweitens wusste er als Verleger, "daß es keinem Schriftsteller nützt, wenn man merkt, daß hinter dem Anlaß, ihn zu bringen, anderes steckt als die Bewertung seines Manuskriptes". In einem alphabetischen "Poesie-Album für Verleger" (1965) heißt es dazu unter dem Buchstaben V: "Sei als Verleger vielerlei, / verantwortungsverbissen, / von Vorurteilen völlig frei, / gewohnt, dich zu verpissen. / Sinnt ein Verfasser wie ein Vieh, / dann sag dir selbst, ihm vis à vis: / friß Vogel oder stirb."

Entsprechend existiert Stomps in der öffentlichen Wahrnehmung - gespiegelt etwa in Killys "Literaturlexikon" - nur noch als Verlegerpersönlichkeit. Mit der 1926 in Berlin gegründeten Rabenpresse eröffnete er ein neues Forum der Literaturszene. Der Verlagsname verdankte sich den beim nächtlichen Drucken rabenflügelartig erscheinenden Hebeln von Stomps' Handpresse. Die Zeitschrift "Der Fischzug", in der auch Texte von Benn und Brecht erschienen, führte den programmatischen Untertitel "Monatsblätter zur Förderung werdender Literatur". Und in "Der weiße Rabe - Zeitschrift für Vers und Prosa" brachte Stomps von 1932 bis 1934 Beiträge von Werner Bergengruen, Max-Hermann Neiße, Peter Huchel, Gertrud Kolmar oder Paul Zech.

Auch die 1949 in Frankfurt gegründete Eremitenpresse, die 1954 nach Stierstadt im Taunus ins "Schloss Sanssouris" umzog ("ohne Mäuse", wohl im Sinne schmaler Mittel), sowie die Neue Rabenpresse von 1967 an in West-Berlin verschrieben sich dem gleichen Ziel - sie brachten junge Autoren wie Dieter Hoffmann, Christoph Meckel, Ernst Meister, Hans Neuenfels, Klaus Staeck oder Guntram Vesper in die Öffentlichkeit.

Als Stomps 1965 den Fontane-Preis erhielt - unmittelbar nach Arno Schmidt und vor Walter Höllerer - wunderte ein Kritiker sich über das kaum sichtbare, relativ schmale literarische Werk. Tatsächlich waren damals neben zwei Erzählbänden, Fabeln und Gedichten in Kleinstauflagen nur zwei längere Prosatexte erschienen. In einer ziemlich eigenwilligen "poetischen Biographie" namens "Gelechter" (1962), die sich auch "Roman" nennt, spielt die dialogische Auseinandersetzung mit Peter Lech, einer Art Alter Ego von Stomps, die Hauptrolle. Dieser "Kerl, der mich seit Jahren in meinen Träumen verfolgte", trägt passend zum Titel "Gelechter" Namen wie Lechler, Lechlein, Lechze, Lechelmeyer, Lechini, Slechszgodda.

"Babylonische Freiheit" (1964), ein verwirrender "satirischer Roman", ist von ähnlich skurrilem Spieltrieb und Übermut geprägt. Dessen Erzählgrundlage ist ein lehmverdrecktes Buch in fremden Zeichen, das der fiktive Herausgeber nach dem Krieg ausgegraben, in einer Nacht gelesen und gleich darauf verloren haben will. Es handelt sich um eine wunderliche Dystopie über eine nach Bombardements und Verstrahlung der Welt übriggebliebene Insel Zwangsala und die gestürzte Monarchie Adolarnesien, wo ein Professor Klux Menschenexperimente durchführt. Schon in Stomps' Jugenddrama "Menschengesellschaft" tritt Klux neben den Professoren Edison und Wunderstiel auf - "vermutlich 300 Jahre nach unserer Zeit" -, um sich gegen einen Stern-Affen zu verteidigen, der das menschliche Geschlecht der Anmaßung und Überheblichkeit anklagt. Oft denkt man bei diesen Texten an die phantastische Literatur Alfred Kubins, der für Stomps' "Fabeln der Begegnung" (1948) auch ein Titelbild schuf.

Die Vor- und Nachworte von Stomps' Freunden in der Werkausgabe wie auch Harry Oberländers im selben Verlag flankierend als eigene Buchpublikation erschienener Essay "Zwischen den Zeilen" beschränken sich leider auf persönliche Erinnerungen und biographische Würdigungen des Verlegers. Gewünscht hätte man sich eine bessere Einordnung und Durchdringung des literarischen Werks, das teilweise so arkan überliefert ist wie ein von der US-Armee genehmigter Wachsmatrizenabzug der "Menschlichen Fabel" (1946) aus der Deutschen Nationalbibliothek. Die Gedichte wirken nicht weniger wortspielerisch schalkhaft als die Kurzprosa und Romane. Da gibt es etwa avantgardistische Formen wie ein "Artistisches ABC" (1926), das der Lyriker zu Beginn selbst mit VauO "zeichnet" und in das er sich unter dem Buchstaben S - nicht eben bescheiden - einschreibt: "Saloppes S, St, Sceha, / Schiller und Stomps / und Seneca".

Stomps, der Theater und kulturelles Leben mied und keine Zeitung las, war zutiefst in die Literaturgeschichte vergraben. Der Verlagsname "Eremitenpresse" könnte dafür kaum passender sein. In seiner "sehr freien Nachreimung" von Sebastian Brants "Narrenschiff" (1947) - mit dem Bibliomanen am Bug - hält er sich selbst einen rückwärtsgewandt-modernisierenden Spiegel vor. Oder er erzählt unter dem Titel "Der streitbare Pegasus" (1955) eine Geschichte der Literaturparodie vom barocken Sprachreiniger Balthasar Schupp bis zu Karl Kraus.

Stomps selbst teilte diese streitbare Haltung. Sein Vergnügen, zeitgenössische Dichter in einer Liste von "treffenden Genitiv-Metaphern" mit Angabe von Titel und Verlag vorzuführen, fanden wohl nicht alle Betroffenen lustig. Walter Höllerer kommt darin mit der bildlichen Wendung "Atem des Aufenthalts" aus dem Gedicht "Der Teppich" vor und mag darauf mit dem Vorwurf poetischer Zahnstocherei reagiert haben. In einem höchst ironischen Brief greift Stomps jedenfalls Höllerers "Zahnstocher-Gleichung" auf und an, indem er beschreibt, wie ein gegenübersitzender Fahrgast im Zug sich gerade im Mund herumpuhlt und "das Herausgestocherte liebevoll abschätzt" - so wie Stomps poetisch "an der Genitiv-Metapher" anderer Dichter gerochen habe.

Die "Fabel von der Metapher und ihrem Genitiv" (1955), worin grammatische Fälle wie der Genitiv oder Frau Metaphora als Personifikationen auftreten, bereitete den aparten Einfall vor und erscheint noch dazu in einem bizarren Hochformat von 5 mal 20 Zentimetern als Büchlein.

Damit tritt Stomps im vierten, umfangreichsten Band der Ausgabe als Kritiker auf den Plan. Er erweist sich darin als vielseitiger und wendiger Publizist, der Essays über die Frankfurter Schulgeschichte seit dem sechzehnten Jahrhundert oder die Rolle des Lektors im Literaturbetrieb ebenso souverän wie Porträts und Vorworte über Casanova, Pope oder Rimbaud zu verfassen versteht. Mit vielen Buchbesprechungen begleitet er zudem das literarische Leben seiner Zeit. Als Verleger muss er seinen jungen Autoren indes unendlich vertrauensvoll und entgegenkommend begegnet sein. Christoph Meckel berichtet im ersten und schönsten Vorwort der Ausgabe, dass Stomps seinen dritten Gedichtband bis zum Andruck noch gar nicht gelesen hatte. Er habe gesagt: ",Wir drucken, was du mir gibst. Du bist verantwortlich für deine Verse, und keiner kann dir diese Last abnehmen. Also, heute Nacht fangen wir mit dem Drucken an.' Es war die beste Auskunft, die ich je erhalten habe."

ALEXANDER KOSENINA

"Victor Otto Stomps als Schriftsteller". Werkausgabe in 4 Bänden.

Axel Dielmann Verlag, Frankfurt am Main 2020. Zus. 1688 S., geb., 96,- [Euro].

Harry Oberländer: "Zwischen den Zeilen". Über Victor Otto Stomps.

Axel Dielmann Verlag, Frankfurt am Main 2020. 32 S., br., 9,- [Euro].

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