Airline Visual Identity 1945 - 1975 bietet einen einzigartigen Einblick in Corporate Identity und Werbung einer Zeit, in der Qualität das wichtigste Kriterium für die Wahl einer Fluggesellschaft war. Große Designer wie Ivan Chermayeff, Otl Aicher, Massimo Vignelli oder Oscarpreisträger Saul Bass sowie Werbekoryphäen wie Mary Wells Lawrence prägten das Erscheinungsbild der Airlines oft für Jahrzehnte. Das Buch veranschaulicht mit präzise recherchierten Inhalten und umfangreichem Bildmaterial das visuelle Erscheinungsbild der führenden Fluggesellschaften und dokumentiert gleichzeitig den Übergang von traditionellen Designmethoden zu modernen, ganzheitlichen Corporate Identity-Programmen, die von den Airlines vorwiegend in den 1960er Jahren eingeführt wurden. Um eine möglichst authentische Wiedergabe des umfangreichen Bildmaterials zu ermöglichen, wurde mit siebzehn verschiedenen Farben, fünf verschiedenen Lackierungen und zwei verschiedenen Foliendrucktechniken gearbeitet. Das Ergebnis ist eine Publikation, die nicht nur gestalterisch überzeugt, sondern auch technisch von höchster Qualität ist.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.10.2014Hebt ab!
Fluglinien schüren mit geschickter Werbung Reiselust
Es ist wie ein Suchspiel, das da lautet: Finden Sie das Flugzeug! Oft ist es auf den Bildern winzigklein, mal fast hinter hawaiianischen Palmwedeln versteckt, dann von einer prächtig glitzernden Skyline New Yorks an den Rand gedrückt, schließlich fehlt es ganz. Nur noch weiße Kondensstreifen künden von dem mechanischen Vogel. Wenn auch die nicht zu sichten sind, dann gibt es stattdessen: bunt geschmückte Elefanten, sattgrüne Teeplantagen, grasende Zebraherden. Jeder, der nicht dem Motto folgt „Am schönsten ist es zu Hause“, dürfte beim Anblick der Motive sofort akutes Fernweh bekommen – und zwar heftigst.
Genau das war wohl die Intention der internationalen Fluglinien, die mit diesen Bildern zwischen 1945 und 1975 für sich warben und die jetzt ein prächtiger Bildband vorstellt. Denn in dieser Zeit bestand das Hauptgeschäft der Airlines eben noch nicht darin, gestresste Businessmenschen mit ihre Ziehkoffern zu ihrem nächsten Geschäftstermin zu bringen. Auch die Liebesbeziehungen, die gegenwärtig dank Internet, Auslandssemester und Sabbaticals immer häufiger zu Fernbeziehungen werden, reichten damals noch nicht um den Globus. Dafür hatte jeder deutlich mehr weiße Flecken auf seiner eigenen Landkarte als heute. Die Werbestrategie lautete deswegen: Reiselust schüren.
Wer den übergroßen und extrem aufwendig produzierten Bildband des Berliner Verlags Callisto durchblättert, der kann nur staunen, wie kunstfertig, aber auch gewagt die Fluggesellschaften bei ihren Anzeigen vorgingen. Da gibt es psychedelisch-bunte Flower-Power-Motive, für die der Grafikdesigner wohl nicht nur in die Farbkiste, sondern auch in die Drogen-Schublade greifen musste. Expressionistische weiße Pinselstriche, die ein Flugzeug gerade mal andeuten. Sicherheit? Komfort? Zumindest visuell scheint das damals kein großes Thema gewesen zu sein.
Das Vertrauen in die neue Technik war offenbar groß – im Gegensatz zu der Zahl der Flugpassagiere. 1945 transportierte American Airlines 2,4 Millionen Passagiere, 1975 waren es schon zehnmal so viel. Fliegen wurde über die Jahre immer mehr zum Volksvergnügen. Vorbei die Zeit, als sich nur ein kleiner elitärer Kreis den Luxus leisten konnte. Das ist natürlich zu begrüßen, nur: Wer diese Bilder sieht, wird auch etwas Sehnsucht nach dem Glamour verspüren, den das Reisen damals hatte.
LAURA WEISSMÜLLER
Matthias C. Hühne : Airline Visual Identity 1945 – 1975. Callisto Publishers, Berlin 2014. 436 Seiten, 295 Euro.
Wo ist das Flugzeug? Mal klein am Rand, mal nur angedeutet durch
die Kondensstreifen – so wollten die Grafiker der Nachkriegs- und Flower-Power-Zeit
Menschen auf Fernreisen locken. Foto: Callisto Publishers
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Fluglinien schüren mit geschickter Werbung Reiselust
Es ist wie ein Suchspiel, das da lautet: Finden Sie das Flugzeug! Oft ist es auf den Bildern winzigklein, mal fast hinter hawaiianischen Palmwedeln versteckt, dann von einer prächtig glitzernden Skyline New Yorks an den Rand gedrückt, schließlich fehlt es ganz. Nur noch weiße Kondensstreifen künden von dem mechanischen Vogel. Wenn auch die nicht zu sichten sind, dann gibt es stattdessen: bunt geschmückte Elefanten, sattgrüne Teeplantagen, grasende Zebraherden. Jeder, der nicht dem Motto folgt „Am schönsten ist es zu Hause“, dürfte beim Anblick der Motive sofort akutes Fernweh bekommen – und zwar heftigst.
Genau das war wohl die Intention der internationalen Fluglinien, die mit diesen Bildern zwischen 1945 und 1975 für sich warben und die jetzt ein prächtiger Bildband vorstellt. Denn in dieser Zeit bestand das Hauptgeschäft der Airlines eben noch nicht darin, gestresste Businessmenschen mit ihre Ziehkoffern zu ihrem nächsten Geschäftstermin zu bringen. Auch die Liebesbeziehungen, die gegenwärtig dank Internet, Auslandssemester und Sabbaticals immer häufiger zu Fernbeziehungen werden, reichten damals noch nicht um den Globus. Dafür hatte jeder deutlich mehr weiße Flecken auf seiner eigenen Landkarte als heute. Die Werbestrategie lautete deswegen: Reiselust schüren.
Wer den übergroßen und extrem aufwendig produzierten Bildband des Berliner Verlags Callisto durchblättert, der kann nur staunen, wie kunstfertig, aber auch gewagt die Fluggesellschaften bei ihren Anzeigen vorgingen. Da gibt es psychedelisch-bunte Flower-Power-Motive, für die der Grafikdesigner wohl nicht nur in die Farbkiste, sondern auch in die Drogen-Schublade greifen musste. Expressionistische weiße Pinselstriche, die ein Flugzeug gerade mal andeuten. Sicherheit? Komfort? Zumindest visuell scheint das damals kein großes Thema gewesen zu sein.
Das Vertrauen in die neue Technik war offenbar groß – im Gegensatz zu der Zahl der Flugpassagiere. 1945 transportierte American Airlines 2,4 Millionen Passagiere, 1975 waren es schon zehnmal so viel. Fliegen wurde über die Jahre immer mehr zum Volksvergnügen. Vorbei die Zeit, als sich nur ein kleiner elitärer Kreis den Luxus leisten konnte. Das ist natürlich zu begrüßen, nur: Wer diese Bilder sieht, wird auch etwas Sehnsucht nach dem Glamour verspüren, den das Reisen damals hatte.
LAURA WEISSMÜLLER
Matthias C. Hühne : Airline Visual Identity 1945 – 1975. Callisto Publishers, Berlin 2014. 436 Seiten, 295 Euro.
Wo ist das Flugzeug? Mal klein am Rand, mal nur angedeutet durch
die Kondensstreifen – so wollten die Grafiker der Nachkriegs- und Flower-Power-Zeit
Menschen auf Fernreisen locken. Foto: Callisto Publishers
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.2014Neues Reisebuch
Für den Tisch Vielleicht ist es Ihnen auch aufgefallen: Vor einigen Monaten tauchten in Zeitungen, Zeitschriften, auf Litfaßsäulen und anderen werbetechnisch relevanten Flächen auf einmal Bilder auf, die so überraschend schön und einladend aussahen, dass man die Urheber dieser kleinen Meisterleistung am liebsten angerufen hätte, um ihnen zu gratulieren, endlich mal wieder eine Werbung geschaffen zu haben, die man bewusst ansieht und sich freut. Diese Bilder, auf denen hübsche junge Frauen in exotischen Kostümen in die Kamera blinzelten und dabei aussahen wie Couture-Models, warben für "Air France". "France is in the Air" stand dort drüber, und man dachte sofort, das sei vielleicht wirklich so, dass man mit dieser Fluggesellschaft mit mehr Stil und Klasse fliegen würde als mit anderen. Heute ist das eine nennenswerte Ausnahme, vor ein paar Jahrzehnten waren solche Kampagnen offensichtlich normal. Zumindest suggeriert dies das großartige Buch "Airline Visual Identity 1945-1975". Dort sprüht es nur so von Fernweh und Spaß und altem "Mad Man"-Schick, und nach langem Blättern ist es überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, wie Fluggesellschaften wie etwa Pan Am trotz solch grandioser Plakate pleite gehen konnten.
anhi.
M. C. Hühne: "Airline Visual Identity 1945-1975", Callisto Publishers, 295 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für den Tisch Vielleicht ist es Ihnen auch aufgefallen: Vor einigen Monaten tauchten in Zeitungen, Zeitschriften, auf Litfaßsäulen und anderen werbetechnisch relevanten Flächen auf einmal Bilder auf, die so überraschend schön und einladend aussahen, dass man die Urheber dieser kleinen Meisterleistung am liebsten angerufen hätte, um ihnen zu gratulieren, endlich mal wieder eine Werbung geschaffen zu haben, die man bewusst ansieht und sich freut. Diese Bilder, auf denen hübsche junge Frauen in exotischen Kostümen in die Kamera blinzelten und dabei aussahen wie Couture-Models, warben für "Air France". "France is in the Air" stand dort drüber, und man dachte sofort, das sei vielleicht wirklich so, dass man mit dieser Fluggesellschaft mit mehr Stil und Klasse fliegen würde als mit anderen. Heute ist das eine nennenswerte Ausnahme, vor ein paar Jahrzehnten waren solche Kampagnen offensichtlich normal. Zumindest suggeriert dies das großartige Buch "Airline Visual Identity 1945-1975". Dort sprüht es nur so von Fernweh und Spaß und altem "Mad Man"-Schick, und nach langem Blättern ist es überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, wie Fluggesellschaften wie etwa Pan Am trotz solch grandioser Plakate pleite gehen konnten.
anhi.
M. C. Hühne: "Airline Visual Identity 1945-1975", Callisto Publishers, 295 Euro
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