69,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Zwei führende polnische Zeithistoriker schildern die jüngste Geschichte ihres Landes vom deutschen Überfall 1939 bis zur Gegenwart.Andrzej Friszke und Antoni Dudek sind nicht nur namhafte polnische Historiker, sondern auch Zeitzeugen und scharfe Beobachter der aktuellen politischen Entwicklung ihres Landes. Mit dem Schwerpunkt auf Politik- und Sozialgeschichte geben sie einen Überblick über die Geschicke des Landes, beginnend mit der Zeit der deutschen Besatzung Polens, und die Etablierung des kommunistischen Systems. Die Rolle der Opposition und der katholischen Kirche in der Volksrepublik,…mehr

Produktbeschreibung
Zwei führende polnische Zeithistoriker schildern die jüngste Geschichte ihres Landes vom deutschen Überfall 1939 bis zur Gegenwart.Andrzej Friszke und Antoni Dudek sind nicht nur namhafte polnische Historiker, sondern auch Zeitzeugen und scharfe Beobachter der aktuellen politischen Entwicklung ihres Landes. Mit dem Schwerpunkt auf Politik- und Sozialgeschichte geben sie einen Überblick über die Geschicke des Landes, beginnend mit der Zeit der deutschen Besatzung Polens, und die Etablierung des kommunistischen Systems. Die Rolle der Opposition und der katholischen Kirche in der Volksrepublik, die Entstehung der Gewerkschaft "Solidarnosc" (an der Friszke aktiv beteiligt war) sowie die politische Transformation seit 1989 werden breit behandelt. Besonderen Wert gewinnt das Buch durch die Berücksichtigung der zeithistorisch bislang kaum erfassten 2000er Jahre.
Autorenporträt
Andrzej Friszke ist Mitarbeiter des Instituts für politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Seit 2010 ist er Professor. In zahlreichen Publikationen analysierte er die Geschichte der demokratischen Opposition in der Volksrepublik Polen, darunter die Geschichte der katholischen Intellektuellen-Bewegung ¿Znak¿ und der unabhängigen Gewerkschaft ¿Solidarnö¿¿. Antoni Dudek ist Politologe und Historiker. Er lehrt als ordentlicher Professor an der Kardinal-Stefan-Wyszinski-Universität in Warschau. Er hat wegweisende Studien zur Transformation Polens vor und nach 1989 publiziert. Bernard Wiaderny ist freiberuflicher Historiker und Übersetzer; er war am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin tätig.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Laut Rezensent Thomas Urban erklärt das Buch der polnischen Historiker Andrzej Friszke und Antoni Dudek deutschen Lesern, wie die polnische Gesellschaft das wurde, was sie ist. Abgesehen von einigen für deutsche Leser überflüssigen Quellenangaben, einem Zuviel an politischen Nebenfiguren und einer teilweise etwas trockenen protokollarischen Darstellung eher nebensächlicher politischer Entscheidungen gefällt Urban das Buch mit seiner sachlichen Sprache. Besonders die Kapitel über den sowjetischen Terror in Ostpolen und die stalinistische Nachkriegszeit scheinen Urban lesenswert. Ein Porträt Walesas bringt Farbe hinein, meint er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.08.2022

Selbstbewusst
in Warschau
Andrzej Friszke und Antoni Dudek erklären glänzend,
warum die polnische Nation wurde, wie sie ist
VON THOMAS URBAN
Knapp anderthalb Kilo wiegt die Studie über die jüngste Geschichte Polens, die die beiden Warschauer Historiker Andrzej Friszke und Antoni Dudek eigens für die deutschen Leser verfasst haben. Beide Autoren, die an der Weichsel dem liberalen Lager zugerechnet werden, bemühen sich um Objektivität und eine sachliche Sprache. Die inhaltliche Seite zeichnet aus, dass auch im kollektiven Gedächtnis gern Verdrängtes, wie die Vertreibung der Deutschen aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße, der traditionelle Antisemitismus in einem Teil der Gesellschaft oder die weitreichende Anpassung an das kommunistische Regime, schonungslos dargestellt wird.
Das erste Kapitel widmet sich dem Einmarsch der Wehrmacht in Polen, der der Auftakt zum Vernichtungskrieg im Osten Europas war. Geradezu trocken, aber deshalb nicht weniger erschütternd ist der deutsche Besatzungsterror nachgezeichnet, der bis heute das Denken wohl der meisten Polen über die Nachbarn im Westen bestimmt. Dieser Terror richtete sich keineswegs nur gegen die Juden in Polen, sondern auch gegen die katholische Intelligenz. Zehntausende kamen ins KZ, Tausende wurden ermordet. Ganz oben auf den Listen der „Kulturträger“, wie sie im NS-Jargon genannt wurden, standen katholische Priester. Fast 2000 Geistliche wurden Opfer der Deutschen, unter ihnen fünf Bischöfe. Die Besatzungszeit wird daher von konservativen Polen auch als Christenverfolgung wahrgenommen.
Ebenso richten die Autoren den Fokus auf die sowjetische Terrorherrschaft im damaligen Ostpolen. Symbol für die Politik der Besatzer, die ebenfalls auf die Vernichtung der polnischen Elite abzielte, wurde der Massenmord von Katyn; die Mehrheit der dort ermordeten Offiziere waren Reservisten mit Hochschulbildung. Innerhalb weniger Wochen zerstörte der NKWD, die militärisch organisierte Geheimpolizei Stalins, alle sozialen und wirtschaftlichen Strukturen, bevor die Region nach einem gefälschten Referendum an die UdSSR angeschlossen wurde. Polnische Publizisten sehen den Herbst 1939 als Blaupause für das Vorgehen Putins im Donbass seit 2014.
Deutsche Historiker befassen sich nur zögerlich mit dieser Seite der Geschichte: Wer über sowjetische Verbrechen schreibt, riskiert den Vorwurf, dadurch deutsche Verbrechen zu relativieren. Der Historikerstreit, die Kontroversen um die Totalitarismus-Theorie, die Wehrmachtsausstellung, in deren erster Version ja ein NKWD-Massaker in Ostpolen fälschlicherweise der SS zugeschrieben wurde, sowie das Schwarzbuch des Kommunismus belegen dieses Dilemma. So kam es, dass im deutschen Diskurs der 17. September 1939 eine Leerstelle ist, während die Polen in ihm ein Schlüsseldatum sehen: An diesem Tag marschierte die Rote Armee in Ostpolen ein, fünf Tage später nahmen der deutsche Panzergeneral Heinz Guderian und der sowjetische Armeekommandeur Semjon Kriwoschein eine gemeinsame Siegesparade ab. Bilder davon finden sich in jedem polnischen Schulbuch für den Geschichtsunterricht, sie erklären, warum man an der Weichsel mit größtem Misstrauen jede Art von deutsch-russischer Annäherung betrachtet, Stichwort: Nord Stream.
Ein ebenso klares Bild zeichnet das Buch vom stalinistischen Regime der Nachkriegsjahre. Hier wäre allerdings eine Präzisierung in den Passagen über das Schicksal der polnischen Juden, die den Holocaust überlebt haben, angebracht: Viele sympathisierten mit den Kommunisten, auch aus einem Gefühl der Dankbarkeit, weil die Rote Armee ihnen letztlich das Leben gerettet hatte. Doch die Spitzenfunktionäre aus ihren Reihen hatten sich ausnahmslos vom Judentum abgewandt und verstanden sich als kämpferische Atheisten; sie undifferenziert als „Juden“ zu bezeichnen, wie in der polnischen Literatur üblich, ist für deutsche Leser irritierend.
Überaus verdienstvoll ist hingegen, wie anschaulich die Mechanismen der verfehlten Kommandowirtschaft herausgearbeitet wurden, wozu der permanente Druck aus dem Kreml gehörte, den Rüstungshaushalt zu Lasten der Produktion von Konsumgütern zu erhöhen. In der Folge löste die drastische Erhöhung der Lebensmittelpreise die blutig niedergeschlagenen Arbeiteraufstände von Posen 1956 sowie Danzig/Gdingen 1970 aus.
Die Dauerkrise führte 1980 zur Gründung der Gewerkschaft Solidarność, die demokratische Reformen forderte. Zwar versuchte die Parteiführung um General Wojciech Jaruzelski, mit dem Kriegsrecht die Demokratiebewegung zu zerschlagen, doch deren Führer um Lech Wałęsa hielten dem Druck stand, nicht zuletzt dank der moralischen Unterstützung durch den polnischen Papst im Vatikan. Letztlich erzwang die Solidarność die ersten freien Wahlen im Ostblock am 4. Juni 1989. Auch dies ein Schlüsseldatum, an das die Warschauer Autoren erinnern: Da die neue Regierung unter dem Katholiken Tadeusz Mazowiecki Flüchtlinge aus der DDR aufnehmen ließ, wurde Polen zum Loch im Eisernen Vorgang und hatte somit Anteil am Fall der Berliner Mauer.
Farbe in die Darstellung bringt eine treffende Skizze Wałęsas, den seine Landsleute nach der Wende sogar zum Staatsoberhaupt wählten: „Er war im persönlichen Umgang zumeist schroff und machte den Eindruck eines sehr selbstbewussten, tatendurstigen Menschen. ... Auf diese Weise stieß er die ihm treuen und freundlich eingestellten Menschen ab.“ Blass sind dagegen die anderen Protagonisten des demokratischen Polens gezeichnet. Verwundern mag das Lob für den liberalkonservativen Premier Donald Tusk: Dieser habe als Politiker „außerordentliches Geschick“ bewiesen, als er 2014 an die Spitze des Europäischen Rates nach Brüssel wechselte. Vielmehr hinterließ Tusk ein politisches Chaos. In seiner Partei, der proeuropäischen Bürgerplattform (PO), brachen Diadochenkämpfe aus, von denen die PiS Jarosław Kaczyńskis profitierte.
Zur verheerenden Niederlage der Epigonen Tusks hatten auch die der Presse zugespielten Mitschnitte der Gespräche von PO-Politikern in einem Restaurant beigetragen. Einen sexistisch-vulgären Ausspruch des früheren Außenministers Radek Sikorski über die amerikanischen Verbündeten, mit dem dieser sich ins politische Abseits manövrierte, nennen die Autoren verharmlosend „äußerst kritisch“. Man merkt ihrer Darstellung auch an, dass beide keine Deutschlandexperten sind, denn die Kontroversen zwischen Warschau und Berlin behandeln sie nur am Rande, obwohl sie in eine nicht geringe Rolle beim Aufstieg der Kaczyński-Zwillinge spielten.
Streckenweise wirkt das Buch wie ein Protokoll politischer Entscheidungen, auch nebensächlicher, angereichert durch knappe Informationen zur Wirtschaftsentwicklung, wobei bei den eingestreuten Złoty-Zahlen die Vergleichswerte in Dollar, D-Mark oder Euro fehlen. Beide Autoren neigen auch dazu, politische Nebenfiguren ohne nähere Erläuterungen aufzuzählen; das Personenregister enthält gut 900 Namen, mehr als die Hälfte von ihnen ist indes nur ein einziges Mal im Text erwähnt. Hier wäre weniger mehr gewesen. Ebenso wenig erschließt sich, welchen Zweck für deutsche Leser die 35 Seiten Erläuterung zum durchgehend polnischen Quellenmaterial haben sollen.
Doch sind dies angesichts der gelungenen Gesamtschau nur Nebensächlichkeiten. Das monumentale Buch darf als Standardwerk gelten, es erklärt überzeugend, warum die polnische Gesellschaft so wurde, wie sie heute ist.
Von Thomas Urban erschien zuletzt: Verstellter Blick. Die deutsche Ostpolitik (Edition Fototapeta).
Das monumentale Buch
über die Zeit 1939 bis 2015
darf als Standardwerk gelten
Andrzej Friszke,
Antoni Dudek:
Geschichte Polens 1939-2015.
Übersetzung und wissenschaftliche Redaktion: Bernard Wiaderny. Verlag Brill
…mehr