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Der 1916 entstandene britische Film DIE SCHLACHT AN DER SOMME gab dem damaligen Kinopublikum einen bis dahin beispiellosen Einblick in die Realität der Grabenkämpfe des Ersten Weltkriegs, was auch die schonungslose Darstellung von Verwundeten und Getöteten mit einschloss. Die Machart des Films schockierte und empörte die Kommentatoren bei seiner Veröffentlichung und ließ eine Debatte über die filmische Darstellung von kriegerischen Kampfhandlungen entbrennen, die bis zum heutigen Tag anhält. Dass der erste Angriff der Schlacht für den Film nachgestellt wurde, war zudem der Ausgangspunkt einer…mehr

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Produktbeschreibung
Der 1916 entstandene britische Film DIE SCHLACHT AN DER SOMME gab dem damaligen Kinopublikum einen bis dahin beispiellosen Einblick in die Realität der Grabenkämpfe des Ersten Weltkriegs, was auch die schonungslose Darstellung von Verwundeten und Getöteten mit einschloss. Die Machart des Films schockierte und empörte die Kommentatoren bei seiner Veröffentlichung und ließ eine Debatte über die filmische Darstellung von kriegerischen Kampfhandlungen entbrennen, die bis zum heutigen Tag anhält. Dass der erste Angriff der Schlacht für den Film nachgestellt wurde, war zudem der Ausgangspunkt einer dauerhaften Auseinandersetzung über die Frage, wie Wahrheit in Dokumentarfilmen inszeniert werden darf. 2005 wurde DIE SCHLACHT AN DER SOMME von der UNESCO in die Liste des Weltdokumentenerbes (Memory of the World) aufgenommen, deren Ziel die Sicherung des dokumentarischen Erbes vor Gedächtnisverlust und Zerstörung ist.

Bonusmaterial

Beil.: Booklet
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.2011

Blut in den Gräben, Rauchsäulen am Horizont

Wahre und erfundene Bilder von den Schrecken des Ersten Weltkriegs: Der restaurierte Stummfilm "Die Schlacht an der Somme"

Kriegsdokumentationen sind die Familienalben des Teufels. Dennoch gibt es viele, die immer wieder gern in ihnen blättern, sei es aus technischem, nostalgischem oder voyeuristischem Interesse. Wer sich in den DVD-Regalen der Mediensupermärkte umsieht, kommt aus dem Staunen darüber kaum heraus, was es dort alles gibt: Fernsehklassiker wie die "World at War"-Serie der BBC, Produkte aus der Guido-Knopp-Geschichtsfabrik, Kompilationen zu einzelnen Waffengattungen, Apologien der SS oder der Hitlerjugend, Bombenkriegsbilderbögen und vieles mehr. Der Markt für diese Zusammenschnitte, die sich aus den immergleichen archivalischen Quellen speisen, ist groß, die Neugier auf die Bilder der Blutmühlen des zwanzigsten Jahrhunderts offenbar noch längst nicht gestillt - und die Grenze zwischen echter filmischer Aufklärung und pseudohistorischem Ramsch oft kaum zu erkennen.

"Die Schlacht an der Somme" gehört nicht in diesen Warenkorb. Hier ist kein neuer Aufguss alter Bildmaterialien zu besichtigen, sondern das restaurierte Original eines Films, der schon im August 1916 in den Londoner Kinos lief, während die Sommeschlacht zwischen Engländern und Franzosen und den Armeen des Deutschen Kaiserreichs noch tobte. Seine Autoren, die Kameramänner Geoffrey Malins und John McDowell, waren in den Nord- und den Südsektor der Frontline zwischen den französischen Provinzstädten Albert und Bapaume geschickt worden, um Vorbereitung und Beginn des britischen Angriffs zu dokumentieren.

Wochenschauberichte und kurze Einakter über das Kampfgeschehen hatte es schon seit den ersten Kriegswochen gegeben, aber als Malins und McDowell den Londoner Behörden ihre Aufnahmen vorführten, entschloss sich das British Committee for War Films, daraus einen knapp anderthalbstündigen Langfilm zusammenzustellen. Damit sollte nicht nur die Moral des heimischen Publikums und der von fast zwei Jahren Stellungskrieg erschöpften Soldaten gehoben, sondern auch der erfolgreiche Verlauf der ersten britischen Großoffensive im Westen für die Weltöffentlichkeit festgehalten werden. Bis Mitte 1917 lief der Film in achtzehn Ländern des Commonwealth und der westlichen Welt, und obwohl einzelne Geistliche und Journalisten gegen die Entwürdigung des Tötens und Sterbens zur Kinounterhaltung protestierten, hatte er allein in Großbritannien zwanzig Millionen Zuschauer. Bis heute ist "The Battle of the Somme" eine der erfolgreichsten britischen Produktionen überhaupt.

Dabei kaschieren seine Bilder einen militärischen Fehlschlag. Der "big push" an der Somme, mit dem das britische Oberkommando den französischen Verbündeten vom Druck des deutschen Angriffs auf Verdun entlasten und zugleich die Initiative an sich reißen wollte, war ein Desaster. Allein am 1. Juli, dem ersten Angriffstag, wurden fast sechzigtausend britische Soldaten getötet oder verwundet, während die deutschen Verteidiger nur sechstausend Mann verloren. Bis Ende Oktober kamen die Angreifer im Nordsektor keinen Meter weit voran, im Süden gelangen ihnen nur unbedeutende Geländegewinne. Als die Offensive am 18. November abgebrochen wurde, hatten eine halbe Million Briten, Franzosen und Deutsche auf den Feldern und Hügeln an der Somme ihr Leben verloren, ohne dass sich das Gleichgewicht der Kräfte spürbar verschob.

Der britische Militärhistoriker John Keegan hat in seiner klassischen Studie über "Das Antlitz des Krieges" die ersten Stunden der Schlacht geschildert: lange Reihen begeisterter Kriegsfreiwilliger, die mit schwerem Marschgepäck auf dem Rücken auf die deutschen Linien zumarschieren, bis sie am Stacheldrahtverhau niedergemäht werden; Offiziere, die den Kontakt zu ihren Soldaten verloren haben, Einheiten, die sich im Niemandsland verirren; Schützengräben, die sich mit Toten, Verbandsplätze, die sich mit Verwundeten füllen. Der britische Generalstab hatte die Wirkung des einwöchigen Trommelfeuers, das der Attacke vorausging, falsch eingeschätzt: Statt die deutschen Erdbunker zu zerstören, pflügten die Granaten der Briten bloß die Oberfläche des Geländes um. Englands Heer bezahlte diesen schrecklichen Irrtum mit dem blutigsten Tag seiner Geschichte.

Verletzte, erschöpfte, vom Kampf zermürbte Soldaten sieht man auch bei Malins und McDowell - ihr Anblick gehört zu den Bildern, die sich ins Kollektivgedächtnis des Großen Krieges eingegraben haben. Aber die wahre ästhetische Ikone des Films ist die Explosion der großen Mine am Hawthorn Ridge bei Beaumont Hamel, die am 1. Juli um 7.20 Uhr die vordersten deutschen Stellungen pulverisierte. Die Erdfontäne, die wie ein Geysir aus den Wiesen schießt, fehlt in keiner späteren Dokumentation über den Ersten Weltkrieg, obwohl auch sie ein Sinnbild des taktischen Scheiterns ist. Der gewaltige Krater, den die Mine riss, hielt den Vorstoß der britischen Infanteristen gerade so lange auf, bis ihre Gegner eine neue Verteidigungslinie errichtet hatten.

Seit ihren Anfängen im Amerikanischen Bürgerkrieg krankte die Kriegsfotografie an der Schwerfälligkeit ihrer Apparatur. Die Kamera war zu langsam, um dem Kampfgeschehen folgen zu können, sie konnte nur die Toten und Trümmer festhalten, die es hinterließ. Malins und McDowell standen vor dem gleichen Problem. Die Granateinschläge, die sie zeigen wollten, ereigneten sich nur selten innerhalb ihres Bildfelds, sosehr sie sich auch mühten, den Rauchwölkchen am Horizont hinterherzuschwenken. Daher entschlossen sie sich, einige Szenen des Trommelfeuers und des Massenangriffs auf einem Manövergelände nachzustellen. Dass gerade der Höhepunkt der Schlacht in diesem Film inszeniert ist, mag die Gralshüter des Authentischen befremden. Aber auch das ist eine Wahrheit über die filmische Chronik der Kriege: Das Eigentliche, den Augenblick der Entscheidung, des Durchbruchs oder der Niederlage, kann die Kamera sowieso nicht zeigen; dieses Terrain gehört im Kino der Fiktion.

Die vom Imperial War Museum in London restaurierte DVD-Fassung der "Schlacht an der Somme" kann man auf vier verschiedene Weisen anschauen: mit einem Medley aus zeitgenössischen Melodien als Soundtrack; mit einer eigens neu komponierten und von den Londoner Philharmonikern eingespielten Orchestermusik der Engländerin Laura Rossi; mit einem Audiokommentar des Filmarchivars Roger Smither; und gänzlich stumm. Ästhetisch am eindrucksvollsten ist die Orchesterversion, denn Rossis Musik lässt die Bilder sprechen, statt sie zu überschreien, und bringt noch deutlicher als die stumme Fassung den zurückhaltenden Gestus des Films zum Vorschein.

"Die Schlacht an der Somme" beginnt mit Bildern jubelnder, in die Kamera winkender und lachender Soldaten - auch sie sind in die Ikonographie des Ersten Weltkriegs eingegangen -, aber er endet auf einem gedämpften, beinahe resignierten Ton. Die deutschen Gefangenen und britischen Verwundeten, die nach England transportiert werden, haben den Krieg überstanden, allen anderen steht noch mehr Grauen und Sterben bevor. Zuvor hat man in einem Granattrichter ein paar der Toten des ersten Tages der Offensive gesehen. Wie zerbrochene Puppen liegen sie übereinander, wie abgefallene Zweige nach dem Sturm. "A terrible beauty is born", schrieb William Butler Yeats im gleichen Jahr in einem berühmten Gedicht. Er meinte den Osteraufstand in Irland, aber in seiner Zeile steckt auch die Wahrheit über diesen Film.

ANDREAS KILB

"Die Schlacht an der Somme"

Absolut Medien, 74 Minuten. Extras: Audiokommentar, verschiedene Soundtracks, szenische Varianten.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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