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Zwei Schüsse zerreißen die Stille der Nacht. Der Hund Moses ist der erste, der die fremde Schönheit, die nur wenig später an diesem Abend im Jahr 1930 in der abgelegenen Gemeinde Dogville auftaucht, bemerkt. Als nächstes wird Tom Edison jr., der sich selbst als Schriftsteller bezeichnet und gerne über das Leben im Allgemeinen und die Moral im Besonderen philosophiert, auf die mondän gekleidete Frau, die ganz offensichtlich auf der Flucht ist, aufmerksam. Tom hatte wie jeden Abend seinen Kindheitsfreund Bill besucht, um ihm eine weitere vernichtende Niederlage beim Mühle-Spiel zuzufügen und…mehr

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Produktbeschreibung
Zwei Schüsse zerreißen die Stille der Nacht. Der Hund Moses ist der erste, der die fremde Schönheit, die nur wenig später an diesem Abend im Jahr 1930 in der abgelegenen Gemeinde Dogville auftaucht, bemerkt. Als nächstes wird Tom Edison jr., der sich selbst als Schriftsteller bezeichnet und gerne über das Leben im Allgemeinen und die Moral im Besonderen philosophiert, auf die mondän gekleidete Frau, die ganz offensichtlich auf der Flucht ist, aufmerksam. Tom hatte wie jeden Abend seinen Kindheitsfreund Bill besucht, um ihm eine weitere vernichtende Niederlage beim Mühle-Spiel zuzufügen und vielleicht auch, um dessen Schwester Liz zu sehen, wie manch einer in Dogville behauptet. Auf dem Heimweg hatte er sich auf kurz auf der Bank niedergelassen und hing seinen Gedanken nach, als er die beiden Schüsse hörte. Tom versteckt Grace vor ihren Häschern und behauptet den Gangstern gegenüber, er habe nichts Außergewöhnliches gesehen oder gehört.

Am darauffolgenden Tag beruft Tom ein Gemeindetreffen ein. Es gelingt ihm tatsächlich, die Einwohner der kleinen Gemeinde in den Rocky Mountains davon zu überzeugen, Grace zunächst für zwei Wochen Asyl zu gewähren. Nach Ablauf der Zeit soll abgestimmt werden, ob sie auch weiterhin in der kleinen 15-Seelen-Gemeinde bleiben darf. Damit auch jeder in den vierzehn Tagen die Möglichkeit hat, Grace kennen zu lernen, schlägt Tom vor, sie solle den Einwohnern von Dogville ein wenig zur Hand gehen.

Anfangs protestieren die Leute von Dogville: es gebe nichts, wobei Grace ihnen helfen kann. Doch Grace lässt nicht locker und schließlich findet doch jeder eine kleine Aufgabe für sie. Bei der Gemeindeversammlung zwei Wochen später stimmen alle dafür, dass Grace weiterhin in Dogville wohnen darf.

Der Frühling und Frühsommer erweist sich als eine glückliche Zeit für Grace. Sie arbeitet für die Bewohner von Dogville und wird dafür sogar entlohnt. Zwar bekommt sie nicht allzu viel Geld, aber immerhin kann sie für das erste der insgesamt sieben Porzellanfigürchen, die im Laden von Ma Ginger bisher nur als Staubfänger dienten, sparen. Beim alljährlichen Picknick am 4. Juli gestehen sich Tom Edison jr. und Grace schüchtern ihre Liebe, die sie vor den übrigen Bewohnern von Dogville allerdings noch geheim halten wollen.

Doch dann kommt die Polizei in den Ort, um noch einmal nach der flüchtigen Frau zu suchen. Sie heften Steckbrief auf, auf denen Grace als Verbrecherin gesucht wird: ganz offensichtlich liegt den Gangstern, vor denen Grace vor vielen Wochen geflüchtet ist, sehr viel daran, sie zu finden.

Zwar ist ganz offensichtlich, dass die Anschuldigungen gar nicht wahr sein können - dennoch kippt die Stimmung und Dogville beginnt nun die Zähne zu fletschen. Grace muss von fortan von früh bis spät arbeiten, immerhin tragen die Bewohner der Gemeinde, die inzwischen ja eine gesuchte Verbrecherin verstecken, nun auch ein höheres Risiko. Sie beginnen, nicht nur Graces Arbeitskraft auszunutzen - sie arbeitet inzwischen weitaus mehr, als der Rest der Menschen in Dogville und wird auch schon länger nicht mehr dafür entlohnt - sondern erniedrigen, beleidigen und vergewaltigen sie sogar. Nur Tom Edison jr. hält noch zu ihr und hilft ihr dabei, einen Fluchtplan zu entwerfen. Der LKW-Fahrer Ben soll sie zusammen mit einer Lieferung Äpfel aus der Stadt bringen. Doch die Flucht misslingt, Ben vergeht sich an Grace und bringt sie wieder zurück nach Dogville. Um weitere Fluchtversuche unmöglich zu machen, binden die Bewohner von Dogville das Halsband von Moses, an dem zuvor eine Glocke und eine schwere Kutschfelge befestigt wurde, um ihren Hals. So weiß jeder, wo sich Grace, die mit großer Mühe das Wagenrad hinter sich herziehen muss, aufhält.

Schließlich kann auch Tom dem sozialen Druck der anderen Bewohner nicht mehr standhalten und erinnert sich an die Visitenkarte, die ihm einer der Gangster in der Nacht von Grace Ankunft in Dogville in die Hand gedrückt hat. Er greift zum Telefon und von nun an scheint Dogville einfach nur zu warten ...

Bonusmaterial

DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Audiokommentar von Lars von Trier - Informationen zu Cast & Crew - Bebilderte Produktionsnotizen - Fotogalerie
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2003

Der amerikanische Traum findet nicht statt
Lars von Trier weckt die schlafenden Hunde des Kinos: Einen Film wie "Dogville" hat es in Europa noch nicht gegeben

In diesem Film, in dem es keine Gnade gibt, keine Großherzigkeit, kein Mitleid und keine Versöhnung, gibt es einen Helden: Es ist Moses, der Hund. Drei Stunden lang - denn so lange dauert der Film, aber man merkt es nicht - war er auf ein paar Kreidestriche am Boden reduziert, ein Zeichentier vor einer gezeichneten Hütte, und nur zwei-, dreimal (freilich immer in entscheidenden Momenten) konnte man ihn bellen hören. Aber jetzt, in der Stille nach der Katastrophe, die das ganze Städtchen ausgelöscht hat, in dem der Film spielt - rauchende Trümmer, verkohlte Kreidestriche überall -, bekommt Moses seinen Auftritt. Er erhebt sich aus seiner Unsichtbarkeit und wird endlich richtig Hund. Dogville ist tot, "Dogville" ist aus, Moses lebt. Das ist, nach so viel Menschenelend, Menscheneitelkeit und -gier, der Trost dieses Films: ein befreiendes Gebell.

Es gibt auch einen Schurken in dieser Geschichte der Gnadenlosigkeit, der engen Herzen, des Hochmuts und der Ausbeutung, und das ist das Licht. Es ist der große Betrüger dieses Films. Während die Menschen in "Dogville" sich ahnungslos selbst belügen, Marionetten am Faden ihrer Ängste und Lüste, lügt und täuscht das Licht, das von oben auf sie herabfließt, mit voller Absicht und ganzem Bewußtsein. Denn der, welcher es scheinen läßt - kein gütiger Gott, sondern ein zu allem entschlossener dänischer Regisseur -, weiß genau, daß wir dieser Geschichte nicht willig folgen würden, wenn er sie von Anfang an so aussehen ließe, wie sie wirklich ist. Also zeigt er ein kleines Dorf in mildem Frühlingslicht, eine hübsche, halbverwelkte amerikanische Idylle, und die kauzigen Leute, die sie bevölkern: eine Glasschleiferfamilie, eine Ladenbesitzerin mit ihrer Tochter, ein pensionierter Arzt, ein Blinder, ein Apfelbauer samt Frau und Kinderschar und einige mehr. Und selbst als alle diese Leute sich bis auf die Knochen blamiert haben, als Dogville längst zu einem jener Orte geworden ist, an denen die Menschheit buchstäblich vor die Hunde geht, scheint das Licht immer noch in gleichmütig strahlender Reinheit auf den Schauplatz herunter, als nähme es das Wort "Hölle" bei seinem alten Sinn: "Helle". Hell wie die Hölle ist dieser Film, und erst ganz zum Schluß, als der Rauch der Brände und Gewehrschüsse seine Szenerie verdüstert, wird er so dunkel, wie es seinem Ausgang entspricht.

Es gibt auch eine Unschuld, die in "Dogville" geopfert wird, aber es ist nicht Nicole Kidmans Grace, die sich aus der großen Stadt in das kleine Dorf geflüchtet hat, zu ihrem und aller anderen Bewohner Unglück - es ist, wie immer bei Lars von Trier, die Unschuld des Kinoblicks. Eine Unschuld, die an Bilder glaubt, als wären sie Emanationen einer höheren Wahrheit; die das Gemachte, Künstliche, Bruchstückhafte der filmischen Einstellung verdrängt, um sich ihren Inhalten desto willenloser hingeben zu können. Kein anderer europäischer Regisseur hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten so hartnäckig an der Zerstörung der filmischen Illusion gearbeitet wie Lars von Trier, von der parodistischen Hypnose, mit der "Europa" (1991) beginnt, über die Fusion von Handkamera und Cinemascopeformat in "Breaking the Waves" (1995) und das Spiel mit der Fiktion in "Idioten" (1998) bis zum hypermotorischen Reportagestil von "Dancer in the Dark" (2000), wo der absichtlich unsaubere Schnitt einen Illusionismus zweiter Ordnung erschafft. Der Ausbruch aus den Konventionen des Kinos war für von Trier immer auch ein Weg zu sich selbst. Wenn nicht alles täuscht, ist er mit "Dogville" an einem Punkt angekommen, von dem aus kein Nachahmer weitergehen sollte, auf einem Gipfel reiner Konstruktion, der vom Abgrund bloßer Methodik nur einen falschen Schritt entfernt ist.

Der Gipfel ist eine Bühne. Ein Bretterboden in einer Lagerhalle bei Göteborg, auf den jemand mit dicker weißer Kreide ein paar Straßennamen geschrieben - "Elm Street", "Racoon Street" - und die Grundrisse einiger Häuser gezeichnet hat. Wo sich eine Tür befinden müßte, steht "door". Ein freistehendes Schaufenster bezeichnet den Dorfladen, ein Holzgerüst mit einer Glocke dran den Kirchturm. Hier wiegt sich ein Schaukelstuhl im Leeren, dort stehen ein Sofa, ein Stockbett, ein Arzneischrank. Sonst nichts. Der Eingang zur versiegten Goldmine am Dorfrand wird durch eine Reihe von Stützbalken markiert; über dem ersten Balken stehen drei lateinische Wörter: dictum ac factum, "gesagt, getan". Man wird noch an sie denken, später im Film.

Denn es geht um Sagen und Tun in "Dogville", mehr als um alles andere, mehr als um die Bilder, die großartigen Schauspieler (Lauren Bacall, James Caan, Ben Gazzara, Chloë Sevigny, Stellan Skarsgård, Jeremy Davies) und die wunderbare Barockmusik (Antonio Vivaldi), die in den Pausen der Handlung vom Band erklingt. Wo so wenig Kulisse ist, wird alles Kulisse, auch die Menschen, die zwischen den Kreidestrichen stehen. "Illustration" ist ein Schlüsselwort des Films. Illustration wofür? Für die Hauptsache. Das große Spiel. Das Experiment. Die endgültige Prüfung. Dogville wird sie nicht bestehen. Aber "Dogville", der Film, wird sie glänzend meistern, die Bewährungsprobe eines Kinos, das der Kinoillusion entsagt und sich in einen Theaterraum zurückzieht, eine platonische Höhle des Schauens und eine Wolfshöhle der Imagination.

Die Geschichte hat neun Kapitel. Im ersten kommt Grace (Nicole Kidman) in Dogville an, in einer windigen Frühlingsnacht, verfolgt von Schüssen, Rufen und Motoren. Im letzten hält sie über die Einwohner des Ortes Gericht. Dazwischen wird sie von ihnen gemustert, gemieden, geschützt, geliebt, gescholten, benutzt, vergewaltigt, verachtet, betrogen, angekettet, verraten und ausgeliefert. Das dauert seine Zeit, mit allen psychologischen Wendungen des Geschehens, den Steckbriefen, die der Sheriff an die Ladentür heftet, den Abstimmungen im Gemeindesaal, den Schmiedearbeiten an der eisernen Halskrause, die Grace an der Flucht aus Dogville hindern soll. Das vierte Kapitel - "Glückliche Tage in Dogville" - ist dennoch ganz kurz. Es erzählt davon, wie Tom Edison (Paul Bettany) beim Festessen zum Unabhängigkeitstag Grace seine Liebe gestehen will. Es gelingt ihm nicht. Denn Tom betrachtet sich, obwohl er noch keine Zeile zu Papier gebracht hat, als Schriftsteller und mißtraut deshalb seinen Gefühlen. "Einen Roman oder sogar eine Trilogie" will er schreiben, um in der Welt berühmt zu werden. Aber zuerst muß er etwas erleben. Er weiß nur nicht, was.

Tom ist die eigentliche Hauptfigur des Films, weil er unaufhörlich Entscheidungen trifft. Er ist es, der sich entschließt, Grace zu verstecken, sie den Bewohnern von Dogville als Schutzbefohlene zu präsentieren, sie zu lieben, zu hintergehen, zu verraten. Nur vor der naheliegenden Lösung, Dogville mit Grace zusammen den Rücken zu kehren, schreckt Tom zurück. In der langen Reihe schwächlicher Männergestalten, die sich durch Lars von Triers Filme zieht, ist Tom Edison das traurigste Exemplar: der Intellektuelle, der sich aus Angst um sein Schreibprojekt vor den Herausforderungen des Lebens drückt. Ginge "Dogville" nicht vollkommen düster aus, könnte man den Film als Toms éducation sentimentale bezeichnen. Aber Tom ist nicht mehr da, wenn der Vorhang über seiner Geschichte fällt, der Liebesgeschichte, die er nicht erlebt hat.

Toms Name - Thomas Edison Jr. - gehört wie der des Ortes und der Landschaft zur allegorischen Konstruktion des Films. Dogville, die Hundestadt, liegt in den Rokky Mountains, und die Rocky Mountains liegen in Amerika, aber dieses Amerika liegt, wie schon der Schauplatz in "Dancer in the Dark", in der Welt des Lars von Trier. Die amerikanischen Kritiker in Cannes, wo "Dogville" uraufgeführt wurde, haben sich dennoch an der Tendenz des Films gestoßen, an seinen Schlußfolgerungen über die Verhältnisse, die er ausbreitet, und die Bestiennatur des Menschen. Tatsächlich wirkt "Dogville" wie eine Umkehrung des amerikanischen Traums: Abhängigkeit, Erniedrigung, Rache statt Freiheit und Gerechtigkeit. Aber so wie der Traum nicht an einen Ort gebunden ist, ist es auch sein Zerrbild nicht. Dogville liegt überall, wo es Fremde und Einheimische, Mehrheiten und Außenseiter gibt. Erst im Abspann, der Fotos aus der amerikanischen Depression, in der auch "Dogville" angesiedelt ist, mit Aufnahmen aus den Ghettos von heute verbindet, gibt von Trier seinem Film eine polemische Wendung. Dazu singt David Bowie sein Lied von den "Young Americans". Diese Sequenz ist ebenso großartig wie kleinkariert: Sie verwandelt den Film, der ihr vorausgeht, in ein Mittel zum Zweck. Von David Bowie gibt es auch ein anderes bekanntes Lied: "This is not America". Daran sollte man sich halten.

Einen Film wie "Dogville" hat es im europäischen Kino noch nicht gegeben. Sein Furor straft all jene Spekulationen über die Erschöpfung der filmischen Mittel, die Übermacht Hollywoods, das Ende des Autorenprinzips Lügen, die in den letzten Jahren auch bei uns im Schwange waren. Gleichzeitig hat sich sein Regisseur mit ihm von den Verspieltheiten und Bildklingeleien seiner Anfänge befreit, die ihn oft eher als Bastler denn als Visionär erscheinen ließen. So ähnlich muß Brechts "Dreigroschenoper", auf die sich von Trier ausdrücklich beruft, über das Klassikertheater der zwanziger Jahre hereingebrochen sein: als Kampfansage und Spektakel zugleich. Und so wie Brechts Bühnenzauber das zeitgenössische Publikum spaltete, wird auch "Dogville" die schlafenden Hunde des Kinos wecken. Die eiserne Kette, an die seine Hauptdarstellerin am Ende gefesselt ist, hat Lars von Trier mit diesem Film zerrissen. "Dogville" beweist, daß auf der Leinwand mehr möglich ist, als unser Verstand sich träumen läßt.

ANDREAS KILB

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