Anmutig tanzen die bunten Holzfiguren über dem Kinderbett. Mit großen Augen verfolgt der kleine Daniel das Spiel des Mobiles, das ihn in immer quälendere Alpträume treibt. Da macht sein Vater Joachim eine unheimliche Entdeckung: Die Bemalung einer Holzfigur verblasst - und er begreift, dass mit den Farben der Figur auch Daniels Leben entschwindet. Längst besteht zwischen dem Mobile und dem Kind eine Beziehung, die sich nicht mehr trennen lässt. Um seinen Sohn zu retten, muss Joachim das dunkle Geheimnis des Mobiles lösen - doch die Zeit rennt ihm davon ... . »Latent nervöse Spannung und stetes Unbehagen, ein Gruselerlebnis.« Hamburger Abendblatt »Ein Thriller, den man nicht mehr aus der Hand legt. Dauerspannung pur!« Kieler Nachrichten
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Abgeblättert: Andreas Richter dreht das Mobile
Wenn Joachim Netzner abends seinen fünf Monate alten Sohn Daniel betrachtet, wie der entspannt in seinem Gitterbettchen schnurchelt, dann läuft ihm schon mal "ein leichtes Schaudern, eine Zusammensetzung aus Glückseligkeit und tief empfundender Liebe" über den Rücken. Das ist aber nur ein Teil seines Gesamtglücks. Mit Gattin Carola lebt er in einer "großen, exklusiven Wohnung" in Hannover; auch der siebenjährige Niklas ist wohlgeraten; ihn selbst ziert ein "ansprechendes Gesicht mit leicht mediterranem Teint" und eine dank Fitnesstraining "gut definierte Figur". Beruflich kann der neununddreißig Jahre alte Mann auch nicht meckern: "Ich bin Prokurist eines mittelständischen Elektrounternehmens."
Nur die Mutter trübte das allgemeine Glück, denn sie verschied friedlich in einem Reihenhaus am Stadtrand, unter Hinterlassung eines überraschend gut gefüllten Sparbuchs. Entscheidend ist, was Joachim aus dem Haus als Andenken mitnimmt, bevor die herbeigerufenen Wohnungsauflöser noch vor der Beerdigung Tabula rasa machen. Das sind triviale Erinnerungsstücke aus dem Elternhaus: zwei Langspielplatten von den Stones und den Tremoloes, aber auch ein ominöses Kästchen mit einem Holzmobile aus sechs Figuren.
Dieses Mobile entstammt einer semikriminellen Jugendtat: 1966 hatten der kleine Netzner und der kleine Wohlert ein Antiquitätengeschäft durchstöbert, nachdem sie beobachtet hatten, dass ein Diebstrio gerade säckeweise Beute abgeschleppt hatte. Sie entwendeten ein Mobile, das, kaum über dem Bett des Säuglings angebracht, aus dem Sonnenschein Daniel ein entnervendes Schreibaby macht. Nachdem die Eltern wechselseitig eingestehen, sie seien am Ende, die medizinischen Experten erklären, der Patient sei kerngesund, das Mobile sich aber durch auffälligen Farbverlust geradezu aufdrängt, als Teil einer pathogenen Kausalkette erkannt zu werden, wird knapp zwei Monate nach der Anbringung des Spielzeugs der ehemalige Kindheitsfreund Wohlert aufgesucht. Und der erklärt sich zu allem bereit: "Ich will die Sache mit dir gemeinsam durchziehen."
Ihre erste Begegnung nach vielen Jahren findet an einem Sonntag statt, am folgenden Mittwoch ist die Affäre bereinigt. Zuerst wird Frau Reichel aufgespürt, deren Mann das ehemalige Antiquitätengeschäft besaß. Sie weiß offensichtlich viel, sagt jedoch wenig. Aber immerhin ist zu erfahren, dass ihr verstorbener Gatte bei der Geschäftsgründung 1954 einem Engländer mit sehr blauen Augen verbandelt gewesen sei, der mit Sicherheit noch lebe und dessen Vorname mit "G" beginne. Auf Umwegen geraten beide nach London und suchen alte Spielzeugmacher. Wenig später sitzen Netzner und Wohlert dann dem Gesuchten gegenüber, eindeutig einem Schlimmfinger, dessen Tagewerk darin besteht, die Lebenszeit Unschuldiger zu stehlen. "Und erneut lächelte er unangenehm schief." Wie die zwei Helden den Fall und den Mann knacken? Nur so viel: Bei einem der Beteiligten grenzt der Einsatz ans Heroische.
Es handele sich um einen "spannenden Mystery-Thriller", behauptet der Verlag über "Mobile". Den Text betritt man durch ein Portal mit einem Einstein-Zitat als Motto: "Das tiefste und erhabenste Gefühl, dessen wir fähig sind, ist das Erlebnis des Mystischen. Wem dieses Gefühl fremd ist, der ist seelisch bereits tot." Mysteriös geht es tatsächlich zu, bedenkt man etwa, dass der üble Gauner allein in einem halben Jahr Lebenszeit für sich zusammengaunert, die ausreichte, ein halbes Altersheim in den Kindergarten zurückzubringen. Aber erhabenstes Tiefgefühl? Eindeutig Fehlanzeige.
Die ausführliche Danksagung des Autors - an die Mutter, "die an mich glaubt", an den Lektor, "der umsichtig lektoriert hat" - endet mit einem "Ich danke und vertraue Gott". Gottvertrauen muss auch den Verlag tragen. Der schickt das Buch mit einer Erstauflage von 50 000 Exemplaren auf den Markt. Mon Dieu!
BURKHARD SCHERER
Andreas Richter: "Mobile". Achilla Presse Verlagsbuchhandlung, Hamburg, Bremen 1999. 147 S., geb., 36,- DM.
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