• Broschiertes Buch

3 Kundenbewertungen

Justin Quayle, Diplomat im britischen Hochkommissariat in Nairobi und begeisterter Hobbygärtner, führt ein beschauliches Leben - bis zu dem Tag, an dem seine junge Frau Tessa ermordet aufgefunden wird. Justin macht sich auf die Suche nach dem Mörder und entdeckt, dass die rebellische Tessa einem Komplott auf der Spur war, in das nicht nur die mächtige Pharmaindustrie, sondern auch britische Regierungskreise verwickelt zu sein scheinen. Doch erst im Laufe seiner zunehmend brisanten Nachforschungen wird ihm klar, wie wenig er die Frau, die er zu lieben glaubte, wirklich kannte und wie viel er…mehr

Produktbeschreibung
Justin Quayle, Diplomat im britischen Hochkommissariat in Nairobi und begeisterter Hobbygärtner, führt ein beschauliches Leben - bis zu dem Tag, an dem seine junge Frau Tessa ermordet aufgefunden wird. Justin macht sich auf die Suche nach dem Mörder und entdeckt, dass die rebellische Tessa einem Komplott auf der Spur war, in das nicht nur die mächtige Pharmaindustrie, sondern auch britische Regierungskreise verwickelt zu sein scheinen. Doch erst im Laufe seiner zunehmend brisanten Nachforschungen wird ihm klar, wie wenig er die Frau, die er zu lieben glaubte, wirklich kannte und wie viel er ihr schuldig geblieben ist.

Große TV-Doku "Der Taubentunnel" ab 20. Oktober 2023 auf Apple TV+
Autorenporträt
John le Carré, 1931 geboren, schrieb über sechs Jahrzehnte lang Romane, die unsere Epoche ausloten. Als Sohn eines Hochstaplers verbrachte er seine Kindheit zwischen Internat und Londoner Unterwelt. Mit 16 ging er an die Universität Bern (Schweiz), später dann nach Oxford. Nach einer kurzen Zeit als Lehrkraft in Eton schloss er sich dem britischen Geheimdienst an. Während seiner Dienstzeit veröffentlichte er 1961 seinen Erstlingsroman  Schatten von Gestern. Der Spion, der aus der Kälte kam, sein dritter Roman, brachte ihm weltweite Anerkennung ein, die sich durch den Erfolg seiner Trilogie Dame, König, As, Spion, Eine Art Held und Agent in eigener Sache festigte. Nach dem Ende des Kalten Krieges weitete le Carré sein Themenspektrum auf eine internationale Landschaft aus, die den Waffenhandel ebenso umfasste wie den Kampf gegen den Terrorismus. Seine Autobiografie  Taubentunnel erschien 2016, Das Vermächtnis der Spione, der abschließende Roman um George Smiley, 2017. John le Carré verstarb am 12. Dezember 2020. Posthum erschien sein Roman Silverview.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.03.2001

Liebesgrüße aus Nairobi
Auch in Kenia sieht John le Carré die vornehmen Heuchler im Dienst Ihrer Majestät am Werk
Moja Shamba heißt das Losungswort, was auf Suaheli Ein Garten bedeutet. Flüstert man es in einer bestimmten Buchhandlung von Nairobi, dann greift der Verkäufer in ein Versteck und bringt einen verpackten Band zum Vorschein. So wird dieser Tage aus Kenia gemeldet. Der Kauf von John le Carrés neuem Roman „Der ewige Gärtner” erfordert dort konspiratives Vorgehen. Buchhandlungen müssen mit Verleumdungsklagen rechnen, wenn sie unliebsame Bücher anbieten. Kürzlich wurde die umstrittene Ehre eines Ministers durch eine Schadenersatzforderung von 128000 Dollar verteidigt.
In le Carrés Roman aber gerät gleich die ganze Regierung ins Zwielicht: „Sie behaupten, die Regierung Moi sei durch und durch korrupt”, bemerkt ein britischer Diplomat. „Das habe ich nie bezweifelt. Das Land stirbt an Aids, es ist bankrott, es gibt keinen Bereich, der nicht wegen Betrugs, aus Inkompetenz oder Desinteresse zugrunde ginge.” Allerdings kommen auch die Vertreter der Ersten Welt, denen der Glanz der Zivilisation den tadellosen Scheitel krönt, nicht gut weg. „Leuten wie Ihnen sollte das Handwerk gelegt werden, Mr. Woodrow”, muss sich derselbe Diplomat sagen lassen. „Sie glauben, Sie würden die Probleme der Welt lösen, dabei sind sie selbst das Problem.”
Le Carré hat wieder einmal seine Lieblingsgegner aufs Korn genommen: die vornehmen Heuchler im Dienste Ihrer Majestät, die, wie er an anderer Stelle schrieb, „loyalen Männer in grauen Anzügen, die in blinder Hörigkeit nach der Pfeife ihrer institutionalisierten Weltanschauung tanzen”. Dabei erscheint besagter Mr. Woodrow keineswegs als ein besonders übler Bursche. Das gilt ja für die meisten Erfüllungsgehilfen der ihnen auferlegten sozialen Rolle und Funktion.
Als im britischen Hochkommissariat von Nairobi der Mord an Tessa Quayle bekannt wird, ist Woodrow offenbar nicht viel weniger erschüttert als ihr Mann Justin. Dennoch verstehen es die perfekt dressierten Gentlemen ihr aufgewühltes Innenleben in Schach zu halten – worüber le Carré mit seiner analytischen Porträtkunst genauesten Aufschluss gibt. Was Tessas Tod bewirkt, ist zunächst einmal ein bewegtes Gesellschaftsdrama in der britischen Diplomatengemeinde der Stadt.
Sie war eine Oxbridge-Anwältin, hinreißend schön, aus bestem Hause, eine engagierte, unabhängige Frau – und trotzdem mit Justin Quayle verheiratet. Der ist zwar ebenfalls ein edles Produkt britischer Zucht, tritt aber so überzeugend als vornehm-harmloser Langweiler auf, dass man ihm bei der Verteidigung nationaler Interessen nicht viel zutraut.
Woodrow dagegen ist als Kanzleileiter des Hochkommissariats äußerst effizient und außerdem mutig, jedenfalls als Schürzenjäger. Er weiß auch genau über Tessas Aktivitäten Bescheid. Zusammen mit dem afrikanischen Arzt Arnold Bluhm hat sie Beweise dafür gesammelt, dass mittellose Afrikaner von einem Pharma-Multi als Versuchskaninchen bei der Entwicklung eines Tbc-Medikamentes missbraucht werden. Ohne Rücksicht auf tödliche Verluste. Ihr Bericht darüber ging durch Woodrows Hände ans Londoner Außenministerium. Doch wirtschaftliche und politische Interessen haben sich gegen die unprofitable Humanität verschworen. Ganz oben gibt jemand ein diskretes Zeichen, und an einer staubigen afrikanischen Piste wird Tessa der Hals durchgeschnitten und ihr attraktiver Mitstreiter verschleppt.
Darum arbeiten die maßgeblichen Stellen, zu denen auch Woodrow gehört, mit Pokermiene und großem Fleiß daran, aus dem politischen Mord, den alle zumindest erahnen, eine private Schmierentragödie zu machen. War nicht der schwarze Schönling Arnold der Liebhaber Tessas? Vermutlich auch ihr Mörder, unberechenbar, wie diese Leute sind? Und sie war doch, I’m afraid, ein ziemliches Luder, Ehebrecherin und erfüllt von politischen Wahnvorstellungen? Ach, der arme Justin, so gedemütigt und trotzdem immer ritterlich! Woodrows Frau Gloria nimmt ihn in ihre Obhut und verliebt sich in den leidenden Edelmann. Andere Autoritäten zeigen sich zwar betroffen, aber seltsam distanziert: die Freunde vom Geheimdienst, der Hochkommissar selbst, die Londoner Vorgesetzten. Alle geben sich die größte Mühe, nichts zu wissen, was der Wahrheit nur entfernt nahe kommen könnte. Was die beiden zähen Detektive Lesley und Rob (Scotland Yard, Abteilung für Überseeverbrechen) ziemlich auf die Palme bringt.
John le Carré gehört – wie schon Graham Greene – zu den Seelenforschern des Agenten-Genres. Er beleuchtet die geheimnisvollen Nischen im Innenleben seiner Figuren mit noch größerer Hingabe als den Stoff, aus dem die Intrigen sind. Obwohl auch darüber vieles mitgeteilt wird. Niemals jedoch zappeln bei diesem Autor die Figuren nur wie Gliederpuppen an den Fäden der Handlung. Auch in der Schilderung von Milieus ist er ein Meister, gleich ob es sich um ein britisches Diplomaten-Ghetto handelt, um einen Londoner Club, um die Flure des Außenministeriums, eine Bügerinitiative in Bielefeld oder ein Entwicklungshelfercamp im Norden Kenias. Unübertrefflich werden, wie stets bei le Carré, britische Eigenheiten und Marotten vorgeführt: aalglatter Standesdünkel von oben etwa, plebejischer Sarkasmus von unten; idiomatisch ungeheuer treffende, geschliffene Dialoge, die auch noch in der Übersetzung von Werner Schmitz (mit Karsten Singelmann) eine Freude sind. (Die deutsche Ausgabe ist soeben im List Verlag, München, erschienen; 560 Seiten, 44,90 Mark.)
Zur weiteren abwechslungsreichen Handlung auf verschiedenen Schauplätzen nur so viel: Tessas Mann Justin versucht, ihren Mördern auf die Spur zu kommen, und setzt damit zugleich ihren Kampf gegen die Kumpanei von Politik und Pharmaindustrie fort. Insofern erzählt dieser Roman noch eine andere Geschichte, die dem Zerebralpatriarchen Daniel arap Moi, Kenias Staatspräsidenten seit 1978, ebenfalls missfallen dürfte. Dekretierte er doch jüngst: „Ihr Frauen könnt wegen eurer kleinen Gehirne nie das bekommen, was ihr erwartet.” Nicht nur dass Tessa die afrikanischen Frauen gegen ihre schwellköpfigen Gebieter unterstützte. Sie gibt zudem ein fast parabelhaftes Beispiel für eine der schönsten Möglichkeiten der emanzipierten Frau: dem Mann neue Horizonte zu eröffnen. Obwohl sie ihrem Angetrauten zunächst nach alter Manier hinaus in die Welt folgte, war sie es dann, die Afrika und das menschenrechtliche Engagement für sich entdeckte und auch Justin zur guten Tat der Aufklärung mobilisierte. Indem er ihre Mission fortführt, verlässt er den Pfad der Konvention, zu dem auch seine Upper-Class-Liebhaberei für die Blumenzucht gehört – er ist der „ewige Gärtner” des Romantitels. Damit befreit er sich aus dem grauen Anzug des frommen Staatsdieners (mit einer Thatcher- artigen Chefin) und wechselt über in jene Welt, die ihm Tessa eröffnet hat: Wo es gegen den Imperialismus der Multis geht und die Korruption der Politik. Das ist wahrlich eine Huldigung an die neue Frau. Nicht die erste, die man bei John le Carré liest, doch die nachdrücklichste. (Dass die Frau vorher sterben muss, gehört zum Genre, nicht zur ideellen Intention.)
Nicht zu übersehen ist allerdings auch die Reverenz des Autors an solche gesitteten Burschen wie Justin Quayle mit ihrer altmodischen Bürgerlichkeit. In seiner Gestalt nimmt sich ein erweckter Bürger der Verbesserung der Welt an, anstatt diese Aufgabe an irgendwelche Action-Helden oder imponierende Gesinnungsathleten zu delegieren. Eine schöne alte Idee, genauso wie Tessas Hoffnung, man könnte „das System zwingen, sich selbst von innen heraus zu bessern”. Leider kommt es anders.
Am Ende stirbt Justin am selben Ort wie Tessa durch einen Kopfschuss. Selbstmord eines Zerrütteten – melden die Zeitungen. Genauso vertuscht werden alle anderen Untaten, gleich ob sie aufs Konto der Industrie oder der Politik gehen. Nicht einmal die Wissenschaft hat geholfen: „Es wird immer schwerer, wissenschaftliche Meinungen zu finden, die nicht gekauft sind.” (Wer Argumente gegen die Finanzierung von Ausbildung und Forschung durch die Industrie sucht, findet sie hier in der Form des Thrillers.) Und die Männer in den grauen Anzügen werden für ihr Funktionieren mit noch höheren Funktionen, Ehren oder Pensionen belohnt.
„Je tiefer ich in den pharmazeutischen Dschungel eindrang”, schreibt le Carré in einer Nachbemerkung, „desto klarer wurde mir, dass mein Roman, verglichen mit der Wirklichkeit, ungefähr so harmlos ist wie eine Urlaubspostkarte.” Schlimm genug für die Wirklichkeit. Doch diesem brisanten und glänzenden Werk tut das nicht den geringsten Abbruch.
EBERHARD FALCKE
John le Carré
Foto: SZ-Archiv
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2001

Das Böse blüht nicht nur in Bielefeld
Hobbygärtner an der Wurzel allen Übels: John le Carrés Pharma-Thriller bietet Licht- und Schattengewächse · Von Paul Ingendaay

Es ist soweit: John le Carré, geboren 1931, hat seinen achtzehnten Roman veröffentlicht und mit seinem großen Vorgänger Eric Ambler, dem Begründer des modernen Spionageromans, gleichgezogen. An reiner Papiermasse hatte le Carré seinen überaus ökonomisch schreibenden Landsmann wohl schon nach neun Titeln übertroffen. Man könnte sich fragen, ob jede dieser vielen Seiten gerechtfertigt war. Gibt die Welt des Kalten Krieges, geben die internationalen Krisenschauplätze der postideologischen Ära so viel geheimnisumwitterten Stoff her, daß sich Thriller-Autoren, selbst solche vom Kaliber John le Carrés, gleichsam naturwüchsig an die Sechshundert-Seiten-Marke heranschreiben?

Manchmal ja. In den Smiley-Romanen etwa, besonders dem ersten und dritten, betreibt le Carré eine atemberaubende Epistemologie der geheimdienstlichen Sphäre, die nicht nur jeder einzelnen Abschweifung bedarf, sondern großartige Literatur jenseits der Thriller-Konventionen hervorbringt. Unvergeßlich, wie Smileys Leute in dem Roman "Dame, König, As, Spion" (1974) nach dem Verräter in den eigenen Reihen fahnden, wie sie sinnlos erscheinende Informationsfetzen anhäufen, während das Vertrauen in die eigene Sache schwindet, wie sich grauer Zynismus breitmacht und jeglichen Gedanken an die moralische Überlegenheit des Westens erdrückt.

Daß le Carré es jedoch grundsätzlich eher mit Dostojewski hält als mit Kafka (den Eric Ambler wiederum verehrte), hat schon manchem seiner Bücher geschadet, und es beschert dem Leser des neuen Romans "Der ewige Gärtner" einige Dutzend flauer Seiten, gegen die auch ein sicherer Übersetzer wie Werner Schmitz machtlos ist. Die meisten stehen im ersten Viertel, und sie lassen sich leicht erklären: Der Autor will seine Hauptfigur nicht sogleich preisgeben, sondern läßt erst einmal andere über sie reden; er umstellt einen vom Schicksal getroffenen Mann, der seinerseits höflich schweigt, gewissermaßen mit fremden Meinungen, Bildern und allerlei fürsorglichen Absichten. Und weil Schauplatz diesmal Kenia und besonders die Bürokratie des britischen Hochkommissariats in Nairobi ist, erfahren wir aus der Welt der niederen Diplomatie und ihren schäbigen Antrieben viel mehr, als uns lieb ist.

Wie gehen solche Leute mit einem mehrfachen Mord um, der ihre Karriere gefährden könnte? Was tun sie, um sowohl ihre moralische Blindheit wie auch frühere Vertuschungsversuche zu vertuschen? So lauten die Fragen, als Tessa Quayle, die junge, schöne Frau eines unbedeutenden britischen Beamten, in einem umgestürzten Jeep weit außerhalb der Hauptstadt tot aufgefunden wird. Der Fahrer wurde geköpft; Tessas Begleiter, der schwarze Arzt Arnold Bluhm, ist verschwunden. Nach und nach stellt sich heraus, daß Tessa und ihr Gefährte einem gigantischen Arzneimittel-Skandal auf der Spur waren, dessen europäische Urheber auf die Komplizenschaft der kenianischen Regierung und der Briten zählen konnten. Daß fast alle mit drinstecken, ist ja so etwas wie eine le Carrésche Konstante. Nur wünschte man sich ein Komplott psychologisch auch halbwegs plausibel. Dieses hier hat ein paar Laufmaschen, besonders an den afrikanischen Schauplätzen. Vielleicht ein Indiz dafür, daß mit wachsender geographischer Entfernung auch die poetische Freiheit zunimmt.

Der Leser bemerkt im ersten Viertel des Romans vor allem zweierlei: Wie geschickt le Carré eine Story konstruieren und mit Details unterfüttern kann, in diesem Fall über die Machenschaften eines Pharmakonzerns, der Tote in Kauf nimmt, um als Monopolist ein hochdubioses Tuberkulose-Medikament auf den afrikanischen Markt zu werfen; und wie unambitioniert, ja täppisch der Autor seine Exposition mit Lokalkolorit aufpumpt. Das ändert sich schlagartig mit Seite 145, als Justin Quayle die Vorderbühne betritt, der ewige (laut Original eher "beständige") Gärtner des Titels. Dieser Justin ist ein stiller Blumenfreund, so reserviert und bescheiden, daß man sich fragt, ob er überhaupt einen Schatten wirft; jedenfalls hat er im Hochkommissariat keine Karriere gemacht. Und nun sieht er plötzlich ein Ziel vor Augen: Während ihm seine Vorgesetzten tröstend auf die Schulter klopfen, auch jene, die seiner Frau Liebesbotschaften geschickt haben, will er herausfinden, wer Tessa ermorden ließ und ob er, wie alle Welt glaubt, ein gehörnter Ehemann war.

Le Carré macht viel aus dieser schönen Idee. Das persönliche Motiv (wie gut kennt einer die eigene Frau?) fließt mit der Kriminalhandlung (wo sitzen die Drahtzieher der Pharma-Schweinerei?) harmonisch zusammen, und im Nu geht's ab nach England, Italien, Deutschland, die Schweiz und Kanada, was zusammen mit Kenia und dem Sudan sieben Länder auf drei Kontinenten ergibt. Ein bißchen viel für ein einziges Buch, mag man denken, aber eine Kleinigkeit für einen ausgewiesenen Kosmopoliten wie John le Carré, der im Mittelstück des Romans seine Stärken entfaltet. Die Dialoge sind am besten, wenn sie klassische Verhörsituationen abbilden; die größte Spannung entsteht, wenn die Figuren sich fast aussichtslos in ihrer Aufgabe verfangen haben; und besonders beeindruckt die Schilderung eines einsamen Mannes, der jedes neue Terrain betritt wie ein Ritter mit ziemlich dünner Rüstung - ein Held, um den man zittern muß.

Seite 345 führt Justin Quayle nach Bielefeld, zu einer tapferen Organisation, die mit Tessa per E-Mail gegen die Pharma-Industrie im Bunde war. Wer von der blonden Birgit liest, ihrem Fahrrad mit Kindersitz und ihrem gutmütigen Söhnchen darin, ihrem Idealismus und ihren rosigen Wangen, der wäre bestimmt stolz, ein Deutscher zu sein - wenn le Carré seinem Helden auf einem Spaziergang nicht die sonderbaren Sätze eingegeben hätte: "Waren das die beiden Alten mit den schwarzen Filzhüten vom Morgen, die auf die Beerdigung gewartet hatten? Was starren die mich so an? Bin ich ein Jude? Bin ich ein Pole? Wie lange dauert es noch, bis euer Deutschland nur ein langweiliges Land von vielen in Europa ist?"

Ja, wie lange noch? Wir wissen es leider nicht. Aber auch mit anderen Ländern ist es bei le Carré zivilisatorisch nicht sehr weit her. Das britische Hochkommissariat ist ein Pool von farb- und skrupellosen Karrieristen, die kenianische Regierung ohnehin korrupt. In Kanada wird eine kritische Ärztin aus dem Job gedrängt. Die Schweiz bietet dem verbrecherischen Unternehmen eine glitzernde Geschäftsfassade.

Gedanklich stehen solche klischeeverdächtigen Konstruktionen zweifellos ärmer da als frühere Erfindungen le Carrés. Das Branchenblatt "Publishers Weekly" nannte den "Ewigen Gärtner" zwar "zorniger, leidenschaftlicher als alle anderen Romane des Autors". Aber man sollte darin keine Empfehlung sehen. Erst recht nicht nach Lektüre der Nachbemerkung, in der er betont, gemessen an der Wirklichkeit (womit er die Praktiken der Pharma-Industrie meint), sei sein Roman "ungefähr so harmlos wie eine Urlaubspostkarte". Das humanitäre Engagement in allen Ehren, einem Thriller hat dergleichen noch nie auf die Beine geholfen. Und wer wissen will, was böse Buben in die Pillen tun, konnte das schon vor zwanzig Jahren bei Kurt Langbein und anderen nachlesen: in einem Buch mit dem Titel "Gesunde Geschäfte".

John le Carré: "Der ewige Gärtner". Roman. Aus dem Englischen von Werner Schmitz unter Mitarbeit von Karsten Singelmann. List Verlag, München 2001. 558 S., geb., 44,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

John Le Carrés neuester Roman beinhaltet einen hypothetischen Pharmaskandal in Kenia mit kaum verhüllten Verweisen auf lebende Personen, informiert Reiner Luyken. Er verweist auf eine fast zeitgleich mit der englischen Ausgabe des Buches erschienene Artikelserie in der Washington Post über Experimente mit neu entwickelten Medikamenten in der Dritten Welt mit teilweise furchtbaren Auswirkungen für die Testpersonen. Ein Rezensent der New York Times fand Le Carrés Buch dennoch unglaubwürdig, in England war es ein Ladenhüter, schreibt Luyken, der dafür durchaus Verständnis zeigt. Ein engagierter Roman sei leider nicht immer ein guter. Luyken kritisiert Le Carrés weitschweifiges Erzählen, die typisierten Personen und die insgesamt langweilige zweite Hälfte des Romans. Die Artikelserie hat ihm viel besser gefallen.

© Perlentaucher Medien GmbH