Was für ein süßes Mäuseleben! Die alt gewordenen Katzen ruhen sich aus, und die Mäuse können quietschvergnügt statt in ihre Löcher zu flüchten, genüsslich ein Stück Torte naschen, lässig im Sessel sitzen, dazu ein Gläschen Wein trinken und obendrein die müde Katze keck herausfordern. Kann das lange gut gehen? Für Martin Karaus frech-rasantes Katz- und Mausspiel über das Älterwerden hat Isabel Pin fröhliche und fantasievolle Bilder entworfen.
Eine ungewöhnliche Freundschaft
Die alten Feindbilder stimmen nicht mehr; selbst Katz und Maus sitzen heute in friedlicher Koexistenz bei Kaffee und Kuchen zusammen. Davon erzählt uns Martin Karau in kurzen, klaren Versen, die schon vor mehr als zwanzig Jahren veröffentlicht wurden. Katzen, so lesen wir, lassen das Mausen doch. Zumindest dann, wenn sich das Fell weiß färbt und der Zahn der Zeit an ihnen nagt. „Wenn die Katzen älter werden, haben sie oft Sehbeschwerden.” Isabel Pin hat Karaus Vierzeiler doppelbödig illustriert. Rührend hilfsbereit, aber mit verschmitztem Blick führt eine kleine Maus die vom Alter geplagte Katze an der Hand, begleitet sie auf den Weg zum Schlafzimmer. Die alte Katze bietet ein Bild des Jammers; schwach und erschöpft liegt sie im Bett, umgeben von Katzen- und Mäuseporträts. Derweil vergnügt sich die Maus im Wohnzimmer bei Torte und Wein. Die doppelseitigen Bilder geben der kleinen Geschichte Raum und Weite. Isabel Pin beschränkt sich auf wenige szenische Momente, lässt freie Flächen zwischen den Figuren und schafft so eine große Bildspannung, in der sich auch Hintersinnigkeit und Komik entfalten können. Zunächst scheint es, dass die Mäuse den alten Katzen auf der Nase herumtanzen. „Sie drehen Kugeln aus Papier und werfen nach dem Katzentier”, sie sitzen frech auf der Parkbank und beobachten respektlos die vorbeiziehenden zahmen Katzen. Aber Martin Karau hat am Ende noch einen kleinen Zweizeiler in der Hinterhand: „Doch wenn die Katzen älter sind, hat jede mindestens ein Kind.” Nun wechselt die Perspektive: Jetzt sind es die alten Katzen, die zufrieden auf der Parkbank sitzen. Im Hintergrund sehen wir, wie ihre Jungen die Mäuse lustvoll jagen und fangen. Das alte Spiel zwischen Katz und Maus scheint von neuem zu beginnen, die alten Machtverhältnisse scheinen wieder hergestellt. Doch die Illustratorin wollte sich damit nicht zufrieden geben; die (nicht ganz ernst gemeinte) Möglichkeit des friedlichen Zusammenlebens der natürlichen Feinde hat sie zu einem Nachbild inspiriert. Gemeinsam mit der frechen Maus blicken wir in ein Kinderzimmer, in dem nun Katzen- und Mausekind friedlich nebeneinander in ihren Betten liegen. Ein fragiles, ironisch angelegtes Bild, dem man nicht trauen mag. Auch das Schlussbild bleibt in der Schwebe. Die alte Katze lässt sich von der Maus ein Küsschen auf das weiße Fell hauchen. Sie selbst legt ihre Pfote liebevoll um den kleinen Mausekörper. Wer hier mit wem spielt, ist nicht auszumachen.
So wie Isabel Pin Katz und Maus zeichnet, in ironisch vermenschlichter Form und in trauter häuslicher Umgebung, erzählt das Bilderbuch auch von den Umgangsformen der Menschen miteinander. Zeit und Alter lassen so manches Feindbild in mildem Licht erscheinen, aber können wir unseren Gegnern von einst auch trauen? Sollen wir wirklich mit ihnen Himbeertorte essen? Fragen, die auch Kindern nicht ganz fremd sein dürften.
JENS THIELE
MARTIN KARAU: Wenn die Katzen älter werden. Mit Illustrationen von Isabel Pin. Aufbau Verlag. 28 Seiten, 12 Euro.
Illustration aus Martin Karau: Wenn die Katzen älter werden.
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