Willkommen zum Gipfeltreffen des deutschen Kabaretts!
Ein ganz und gar unernster Streifzug zweier Bühnen- und Lebensprofis durch mehr als ein halbes Jahrhundert Lach- und Sachgeschichte in Deutschland. Als Begründer der Lach- und Schießgesellschaft und jahrzehntelanger Kopf der Sendung "Scheibenwischer" hat Dieter Hildebrandt Zensur und politische Einflussnahme ebenso erlebt wie Peter Ensikat als der meistgespielte Kabarettautor in der DDR. Auf ihren Reisen in den jeweils anderen Teil Deutschlands konnten beide erfahren, wie das Publikum auf Witze made in West bzw. East Germany reagierte. Und die Frage, ob Franz Josef Strauß besser zu karikieren war als Walter Ulbricht, ist auch noch ungeklärt.
(3CDs, Laufzeit: 3h 45)
Ein ganz und gar unernster Streifzug zweier Bühnen- und Lebensprofis durch mehr als ein halbes Jahrhundert Lach- und Sachgeschichte in Deutschland. Als Begründer der Lach- und Schießgesellschaft und jahrzehntelanger Kopf der Sendung "Scheibenwischer" hat Dieter Hildebrandt Zensur und politische Einflussnahme ebenso erlebt wie Peter Ensikat als der meistgespielte Kabarettautor in der DDR. Auf ihren Reisen in den jeweils anderen Teil Deutschlands konnten beide erfahren, wie das Publikum auf Witze made in West bzw. East Germany reagierte. Und die Frage, ob Franz Josef Strauß besser zu karikieren war als Walter Ulbricht, ist auch noch ungeklärt.
(3CDs, Laufzeit: 3h 45)
CD 1 | |||
1 | Über die erste Begegnung | 00:05:35 | |
2 | Über das Publikum in Ost und West | 00:03:17 | |
3 | Über Erinnerungslücken | 00:05:58 | |
4 | Über Misverständnisse | 00:04:54 | |
5 | Über das Mittelmaß | 00:02:37 | |
6 | Über die Motivation Kabaretist zu werden | 00:06:14 | |
7 | Über wiedervereinigung und bayerische Rinder | 00:03:40 | |
8 | Über Narren und Narrenfreiheit | 00:03:48 | |
9 | Über Mut und Feigheit | 00:05:27 | |
10 | Über Tschernobyl und Tabus | 00:06:22 | |
11 | Über Zensur | 00:06:07 | |
12 | Über vorauseilenden Gehorsam | 00:02:50 | |
13 | Über den Umgang mit Zitaten | 00:04:19 | |
14 | Über Tantiemen und Mädchen | 00:11:27 | |
CD 2 | |||
1 | Über Ratschläge und die Arbeitsklasse | 00:08:20 | |
2 | Über das Mitdenken des Publikums | 00:05:49 | |
3 | Über den Umgang mit Satire | 00:03:55 | |
4 | Über Kompetenz in Ost und West | 00:07:57 | |
5 | Über kalte Krieger und Kabarettisten | 00:07:37 | |
6 | Über das spezielle Publikum | 00:02:58 | |
7 | Über das Leben | 00:05:16 | |
8 | Über den Westler im Osten | 00:04:59 | |
9 | Über Geheimdienste | 00:05:49 | |
10 | Über Überwachung und feindliche Übernahmen | 00:08:04 | |
11 | Über Kritiker | 00:04:53 | |
12 | Über Witzeerzähler, Conférenciers und Propagandisten | 00:06:11 | |
CD 3 | |||
1 | Über den Mauerbau | 00:08:40 | |
2 | Über die Wende | 00:06:25 | |
3 | Über Bananen und Widerstand | 00:06:49 | |
4 | Über Geld und Privilegien | 00:06:00 | |
5 | Über Freunde und Vorurteile | 00:07:47 | |
6 | Über den Alkohol | 00:05:30 | |
7 | Über fahrendes Volk und Familie | 00:03:43 | |
8 | Über den Glauben | 00:08:37 | |
9 | Über den Euro und die Leichtigkeit des Seins | 00:03:40 | |
10 | Über den Tod und das Lachen in der Kirche | 00:05:34 |
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.11.2013Die Krux der Kabarettisten
Dieter Hildebrandt und Peter Ensikat im Gespräch über das Leben, Satire gestern und heute und die Unterschiede zwischen Ost und West
Drei Dinge gibt es, die man an diesem Buch abschreckend finden kann, noch bevor man es gelesen hat: Der Titel „Wie haben wir gelacht“ könnte auf eine Sammlung launiger Anekdoten aus dem lustigen Kleinkunstleben weisen; der Untertitel „Ansichten zweier Clowns“ spielt an auf einen vollkommen unkomischen Roman von Heinrich Böll; und die Dialogform lässt die Befürchtung zu, dass hier hemmungslos geplaudert werden soll, und das nicht nur aus der Schule.
Die Verfassernamen entkräften die ersten zwei Verdachtsmomente sofort: Der Titel ist offenbar fragend gemeint, und von Komik und Selbstironie verstehen die beiden Clowns einiges. Dieter Hildebrandt und Peter Ensikat – er starb vor einigen Monaten – sind oder waren die repräsentativen Kabarettisten, beinah konkurrenzlos in ihrem jeweiligen Wirkungskreis.
Wir erleben also ein Satire-Gipfel-Treffen. Darüber sollte die Tatsache, dass der Name Ensikat dem Publikum im Westen der Republik weniger geläufig klingt, nicht hinwegtäuschen. Dieter Hildebrandt dagegen ist allen ein Begriff, die unter Kabarett kein Musical verstehen. Eine Generation ist mit den Fernsehauftritten der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ aufgewachsen, und Hildebrandts Soli waren der Höhepunkt jeder Veranstaltung.
Peter Ensikat – 14 Jahre jünger als Hildebrandt – war als Autor und Darsteller hauptsächlich für das Dresdner Kabarett „Die Herkuleskeule“ und die Berliner „Distel“ tätig. Mit seinen Kinderstücken war er jahrelang der meistgespielte Autor der DDR – „vor Brecht“, wie er gern betonte.
Nach seinem Tod wurde Ensikat als „Dieter Hildebrandt des Ostens“ bezeichnet. Umgekehrt wird das Dieter Hildebrandt gewiss nicht nachgerufen werden. Um solche Unterschiede zwischen Ost und West geht es in den ersten Kapiteln. Ensikats Fazit bringt die Probleme auf den Punkt: „Verachtung geht eigentlich fast immer von Westen nach Osten.“
Ensikats Erzählungen aus dem real existierenden Sozialismus sind naturgemäß interessanter, da hier der Wissensstand in West wie Ost noch viel Luft nach unten lässt. „Je schlechter das Gedächtnis, desto schöner die Erinnerungen“? Ensikat widerlegt seinen eigenen Aphorismus; den „vormodernen Charakter“ des Systems, mit dem er bis 1990 zu tun hatte, vergisst man wohl nicht so leicht. Dass es zum Beispiel in der DDR kurz vor ihrem Zusammenbruch „um die 500 Amateurkabaretts gegeben haben“ soll, wussten im Westen nur wenige. Dass diese enorme Zahl eine reine Erfindung „einer Mitarbeiterin im Kulturministerium“ war, ahnte vermutlich auch im Osten kaum einer. Bleibt die Erkenntnis, dass der verlogene Euphemismus der Selbstdarstellung der DDR womöglich mehr geschadet hat als die Mängel, die damit vertuscht werden sollten.
Die Lebensläufe, die ziemlich gradlinig zum Kabarett geführt haben, werden ohne viele psychologische Plattitüden abgehandelt: Als geborene „Klassenclowns“ bezeichnen sich beide Protagonisten, ein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit und ein gewisser Drang zur Selbstdarstellung sind ohnehin Voraussetzung solcher Karrieren.
Im Laufe der Unterhaltung wird immer deutlicher, was die Gesprächspartner unterscheidet: Ensikat war eher Autor als Komödiant und hat sich gut vorbereitet – für viele Themen hält er aphoristisch klingende Formulierungen parat –, während Hildebrandt als geübter Improvisator seine Gedanken oft erst beim Sprechen zu fassen scheint, im Zweifelsfall allzeit bereit, die Logik einem Lacher zu opfern, getreu seinem Motto: „Was schert mich die Wahrheit, wenn die Pointe stimmt.“
Die spannendsten Kapitel finden sich im Mittelteil des Buchs, wo es um komische Wirkungen und Publikumsreaktionen geht. Dass die Frage, wo die Trennungslinie zwischen klassischen Kabarettisten und Comedians heutiger Prägung verläuft, durch eine eher wohlfeile Diffamierung Letzterer als „reine Witzeerzähler“ pauschal abgetan wird, enttäuscht den Fachmann. Die Crux des Kabarettisten, dass er bei großen Teilen seines Publikums meist nur offene Türen einrennt, indem er vorhandene Gesinnungen und Urteile bestätigt, wird von Hildebrandt nur angerissen: „Lachen bedeutetet ja auch: Ich habe verstanden!“ Und Ensikat ergänzt: „Überlegenheit ist immer ein schönes Gefühl. Egal, worum es geht.“ Ob es in jedem Fall richtig und verdienstvoll ist, dieses dubiose Dominanzbedürfnis zu unterstützen, wird nicht weiter untersucht.
Die wechselseitige Hochachtung, mit der sich die beiden begegnen, verhindert eben nicht nur peinliche Indiskretionen, sondern auch investigative Nachfragen.
Dass die Lektüre dennoch nicht langweilig wird, zeigt, wie unterhaltsam die beiden Altmeister sind und wie ernst sie sich, aller Koketterie zum Trotz, doch nehmen.
BERND EILERT
Dieter Hildebrandt, Peter Ensikat: Wie haben wir gelacht. Ansichten zweier Clowns. Aufbau Verlag, 2013. 208 S., 19,99 Euro.
Der Satiriker Bernd Eilert hat seinerzeit das Magazin „Titanic“ mitgegründet.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Dieter Hildebrandt und Peter Ensikat im Gespräch über das Leben, Satire gestern und heute und die Unterschiede zwischen Ost und West
Drei Dinge gibt es, die man an diesem Buch abschreckend finden kann, noch bevor man es gelesen hat: Der Titel „Wie haben wir gelacht“ könnte auf eine Sammlung launiger Anekdoten aus dem lustigen Kleinkunstleben weisen; der Untertitel „Ansichten zweier Clowns“ spielt an auf einen vollkommen unkomischen Roman von Heinrich Böll; und die Dialogform lässt die Befürchtung zu, dass hier hemmungslos geplaudert werden soll, und das nicht nur aus der Schule.
Die Verfassernamen entkräften die ersten zwei Verdachtsmomente sofort: Der Titel ist offenbar fragend gemeint, und von Komik und Selbstironie verstehen die beiden Clowns einiges. Dieter Hildebrandt und Peter Ensikat – er starb vor einigen Monaten – sind oder waren die repräsentativen Kabarettisten, beinah konkurrenzlos in ihrem jeweiligen Wirkungskreis.
Wir erleben also ein Satire-Gipfel-Treffen. Darüber sollte die Tatsache, dass der Name Ensikat dem Publikum im Westen der Republik weniger geläufig klingt, nicht hinwegtäuschen. Dieter Hildebrandt dagegen ist allen ein Begriff, die unter Kabarett kein Musical verstehen. Eine Generation ist mit den Fernsehauftritten der „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ aufgewachsen, und Hildebrandts Soli waren der Höhepunkt jeder Veranstaltung.
Peter Ensikat – 14 Jahre jünger als Hildebrandt – war als Autor und Darsteller hauptsächlich für das Dresdner Kabarett „Die Herkuleskeule“ und die Berliner „Distel“ tätig. Mit seinen Kinderstücken war er jahrelang der meistgespielte Autor der DDR – „vor Brecht“, wie er gern betonte.
Nach seinem Tod wurde Ensikat als „Dieter Hildebrandt des Ostens“ bezeichnet. Umgekehrt wird das Dieter Hildebrandt gewiss nicht nachgerufen werden. Um solche Unterschiede zwischen Ost und West geht es in den ersten Kapiteln. Ensikats Fazit bringt die Probleme auf den Punkt: „Verachtung geht eigentlich fast immer von Westen nach Osten.“
Ensikats Erzählungen aus dem real existierenden Sozialismus sind naturgemäß interessanter, da hier der Wissensstand in West wie Ost noch viel Luft nach unten lässt. „Je schlechter das Gedächtnis, desto schöner die Erinnerungen“? Ensikat widerlegt seinen eigenen Aphorismus; den „vormodernen Charakter“ des Systems, mit dem er bis 1990 zu tun hatte, vergisst man wohl nicht so leicht. Dass es zum Beispiel in der DDR kurz vor ihrem Zusammenbruch „um die 500 Amateurkabaretts gegeben haben“ soll, wussten im Westen nur wenige. Dass diese enorme Zahl eine reine Erfindung „einer Mitarbeiterin im Kulturministerium“ war, ahnte vermutlich auch im Osten kaum einer. Bleibt die Erkenntnis, dass der verlogene Euphemismus der Selbstdarstellung der DDR womöglich mehr geschadet hat als die Mängel, die damit vertuscht werden sollten.
Die Lebensläufe, die ziemlich gradlinig zum Kabarett geführt haben, werden ohne viele psychologische Plattitüden abgehandelt: Als geborene „Klassenclowns“ bezeichnen sich beide Protagonisten, ein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit und ein gewisser Drang zur Selbstdarstellung sind ohnehin Voraussetzung solcher Karrieren.
Im Laufe der Unterhaltung wird immer deutlicher, was die Gesprächspartner unterscheidet: Ensikat war eher Autor als Komödiant und hat sich gut vorbereitet – für viele Themen hält er aphoristisch klingende Formulierungen parat –, während Hildebrandt als geübter Improvisator seine Gedanken oft erst beim Sprechen zu fassen scheint, im Zweifelsfall allzeit bereit, die Logik einem Lacher zu opfern, getreu seinem Motto: „Was schert mich die Wahrheit, wenn die Pointe stimmt.“
Die spannendsten Kapitel finden sich im Mittelteil des Buchs, wo es um komische Wirkungen und Publikumsreaktionen geht. Dass die Frage, wo die Trennungslinie zwischen klassischen Kabarettisten und Comedians heutiger Prägung verläuft, durch eine eher wohlfeile Diffamierung Letzterer als „reine Witzeerzähler“ pauschal abgetan wird, enttäuscht den Fachmann. Die Crux des Kabarettisten, dass er bei großen Teilen seines Publikums meist nur offene Türen einrennt, indem er vorhandene Gesinnungen und Urteile bestätigt, wird von Hildebrandt nur angerissen: „Lachen bedeutetet ja auch: Ich habe verstanden!“ Und Ensikat ergänzt: „Überlegenheit ist immer ein schönes Gefühl. Egal, worum es geht.“ Ob es in jedem Fall richtig und verdienstvoll ist, dieses dubiose Dominanzbedürfnis zu unterstützen, wird nicht weiter untersucht.
Die wechselseitige Hochachtung, mit der sich die beiden begegnen, verhindert eben nicht nur peinliche Indiskretionen, sondern auch investigative Nachfragen.
Dass die Lektüre dennoch nicht langweilig wird, zeigt, wie unterhaltsam die beiden Altmeister sind und wie ernst sie sich, aller Koketterie zum Trotz, doch nehmen.
BERND EILERT
Dieter Hildebrandt, Peter Ensikat: Wie haben wir gelacht. Ansichten zweier Clowns. Aufbau Verlag, 2013. 208 S., 19,99 Euro.
Der Satiriker Bernd Eilert hat seinerzeit das Magazin „Titanic“ mitgegründet.
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