Wir befinden uns im Jahre 2036 in der Einzelzelle einer »Sammeleinrichtung«. Der 75jährige Häftling, früher in seinem Land, das er nicht mehr beim Namen nennen darf, als Verfasser von Essays und Miszellen bekannt, schreibt »aus freien Stücken«, wie er sagt, ein Loblied auf das von der Besatzungsmacht, der »Asiatischen Union«, kürzlich erlassene Romanverbot. Sein für eine in der Strafanstalt distribuierte Broschur gedachte Text erkundet anhand zahlreicher Beispiele aus der westlichen und östlichen Literatur die Grenzen zwischen diversen literarischen Gattungen, insbesondere die zwischen Essay und Roman. Am Ende schreibt der inhaftierte Autor natürlich keinen Essay, sondern einen Roman, in dem er bald offensichtlich, bald versteckt auch Informationen zu seiner eigenen Lage und zu der des Landes unterbringt.Deutsche Erstausgabe.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.05.2023ROMAN
FAVORITEN DER WOCHE – FÜNF EMPFEHLUNGEN DER SZ–REDAKTION
Eine Dystopie
von Seiko Ito
Vielleicht ist es nur das Alter, das wenigste ist noch ganz neu. Andererseits stört es bei Kartoffelpüree auch nicht, dass man so was Ähnliches schon mal gegessen hat. Und trotzdem steht man bisweilen traurig im Buchladen und denkt: Das kenn ich doch alles. Hier die Autofiktion, da das Patriarchat, dazwischen erste Sätze, in denen jemand in der Gegenwart steht und raucht. Wer diese Traurigkeit kennt, den wird es freuen, ein Buch zu entdecken, auf dessen Umschlag dieser Titel steht: „So einen seltsamen Roman haben Sie noch nie gelesen, glauben Sie mir.“ Und dass man darunter einen zweiten Titel findet: „Das Romanverbot ist nur zu begrüßen“. Wer die Traurigkeit kennt, dem sollte man jetzt besser nichts mehr verraten, außer: Japan, Dystopie, Literaturtheorie, kurz, aber nicht ganz leicht zu lesen. Und vor allem: beglückend seltsam.
NELE POLLATSCHEK
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FAVORITEN DER WOCHE – FÜNF EMPFEHLUNGEN DER SZ–REDAKTION
Eine Dystopie
von Seiko Ito
Vielleicht ist es nur das Alter, das wenigste ist noch ganz neu. Andererseits stört es bei Kartoffelpüree auch nicht, dass man so was Ähnliches schon mal gegessen hat. Und trotzdem steht man bisweilen traurig im Buchladen und denkt: Das kenn ich doch alles. Hier die Autofiktion, da das Patriarchat, dazwischen erste Sätze, in denen jemand in der Gegenwart steht und raucht. Wer diese Traurigkeit kennt, den wird es freuen, ein Buch zu entdecken, auf dessen Umschlag dieser Titel steht: „So einen seltsamen Roman haben Sie noch nie gelesen, glauben Sie mir.“ Und dass man darunter einen zweiten Titel findet: „Das Romanverbot ist nur zu begrüßen“. Wer die Traurigkeit kennt, dem sollte man jetzt besser nichts mehr verraten, außer: Japan, Dystopie, Literaturtheorie, kurz, aber nicht ganz leicht zu lesen. Und vor allem: beglückend seltsam.
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