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Der neue Roman des israelischen Schriftstellers Nir Baram: "Eine Geschichte voller Gefühl, Grausamkeit und brillanter Einsichten in Leben, Tod und Kindheit." Abraham B. Yehoshua
Das Lebensgefühl eines jungen Mannes in Israel - Freundschaft und Einsamkeit, Liebe und Verantwortung, Verlust und Tod: In kunstvollen Rückblenden erzählt Nir Baram von Jonathans Jugend in einem Stadtviertel von Jerusalem. Von der Freundschaft zu Joël, dem Rätselhaften und Gefährdeten, vom Fight mit den Kindern aus den hohen Türmen, vom Wettstreit um das attraktivste Mädchen und der ersten Lust. Aber auch von den…mehr

Produktbeschreibung
Der neue Roman des israelischen Schriftstellers Nir Baram: "Eine Geschichte voller Gefühl, Grausamkeit und brillanter Einsichten in Leben, Tod und Kindheit." Abraham B. Yehoshua

Das Lebensgefühl eines jungen Mannes in Israel - Freundschaft und Einsamkeit, Liebe und Verantwortung, Verlust und Tod: In kunstvollen Rückblenden erzählt Nir Baram von Jonathans Jugend in einem Stadtviertel von Jerusalem. Von der Freundschaft zu Joël, dem Rätselhaften und Gefährdeten, vom Fight mit den Kindern aus den hohen Türmen, vom Wettstreit um das attraktivste Mädchen und der ersten Lust. Aber auch von den Konflikten in der Familie, dem bewunderten und gehassten älteren Bruder, der schweren Krankheit der Mutter und deren Tod. Aufwühlend ehrlich beschreibt dieser autobiographisch grundierte Roman das Erwachen eines jungen Mannes, der inzwischen selbst Vater und ein erfolgreicher Schriftsteller ist.
Autorenporträt
Nir Baram, 1976 in Jerusalem geboren, ist Schriftsteller und Journalist und setzt sich aktiv für die Gleichberechtigung der Palästinenser und für Frieden in Israel ein. Bei Hanser erschien 2012 sein Roman Gute Leute, ausgezeichnet mit dem Prime Minister Award for Hebrew Literature 2010, außerdem Im Land der Verzweiflung (Ein Israeli reist in die besetzten Gebiete, 2016) und Weltschatten (Roman, 2016). Nir Baram lebt in Tel Aviv.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2020

Tausend Schreie der Vergangenheit
Nir Barams "Erwachen" ist eine Chronik der Freundschaft und ihres Verschwindens

Über Nir Baram heißt es, er sei einer der interessantesten israelischen Gegenwartsautoren. Die Geschichte seiner Preise und Übersetzungen spricht dafür, dass er zumindest zu den erfolgreichsten gehört. "Erwachen" ist sein fünfter aus dem Hebräischen ins Deutsche übersetzter Roman. "Im Land der Verzweiflung", bisher Barams prominentestes Buch, war eine Ethnographie des Westjordanlandes, die auf Gesprächen basiert, die er mit Siedlern und palästinensischen Bauern geführt hat. In der israelischen Presse erntete Baram dafür Lorbeeren, das Buch stand lange auf der Bestsellerliste, und die Verfilmung gewann den Ophir Award, eine Art israelischen Oscar, für den besten Dokumentarfilm. Die deutsche Kritik zeigte sich weniger begeistert. Zu erwartbar und naiv sei die Schilderung der besetzten Gebiete (F.A.Z. vom 30. Juli 2016).

Nun hat Nir Baram einen literarischen Text vorgelegt, in dem der Nahost-Konflikt eher als Hintergrundkulisse fungiert. Im Zentrum von "Erwachen" steht der Schriftsteller Jonathan, der als Jugendlicher erst die krebskranke Mutter und dann als Erwachsener den besten Freund verliert. Kurz nach dessen Suizid beginnt Jonathan den schwierigsten Roman seines Lebens. Er schreibt die Geschichte dieser besten Freundschaft und rekonstruiert, wie die beiden einst so engen Freunde einander im Erwachsenwerden allmählich verloren haben. Diese Rekonstruktion verläuft in Sprüngen. Über die Verschachtelung der raumzeitlichen Ebenen, beginnend in den achtziger Jahren und bis in die Gegenwart, durchstreift der Roman in scharfen Schnitten und Sprüngen die Jahrzehnte im Leben Jonathans und Joëls.

Beit Hakerem, der Jerusalemer Stadtteil, in dem sie Tür an Tür aufwachsen, ist in den achtziger Jahren ein Viertel der Intellektuellen und Säkularen. Die Eltern verstehen sich als zionistische Sozialisten und arbeiten als Psychotherapeuten, Politiker oder Lehrer. Sie sind Menschen, deren Macht nichts mit Geld zu tun hatte, so heißt es im Roman, und die ein schlechtes Gewissen mit sich herumtragen, weil sie sich gegen ein Leben im Kibbuz entschieden haben. Und während die Erwachsenen in Beit Hakerem noch über den "verzärtelnden amerikanischen Individualismus" des neuen Israels schimpfen, schauen die Jungen zum ersten Mal MTV, geben Guns N' Roses und Metallica ausverkaufte Konzerte im Yarkon Park und treffen Pakete mit Air-Jordan-Schuhen von Verwandten aus New York ein. Nur noch die Kinder der sozialistischen Jugendorganisation Hashomer Hatzair rügen ihre Mitschüler, wenn sie Burger bei McDonald's essen, und ernten Lachen dafür.

So wie auch in Beit Hakerem alle Zeichen auf Umbruch stehen, so verlieren Joël und Jonathan einander, ohne dass es einen anderen Grund als das Erwachsenwerden gäbe. Fast unmerklich verschwindet, was sie verbindet: die Phantasiereisen in ein ausgedachtes Königreich, die Parole "Wir gegen alle anderen", die Streifzüge ins benachbarte Wadi, in das sich sonst kein Kind traut. Inzwischen kurz vor dem dreijährigen Militärdienst stehend, vertragen sich ihre zärtlichen Gesten des Freundschaftsbekenntnisses nicht länger mit dem mehr als spielerischen Kräftemessen der Altersgenossen. Geschickt collagiert Nir Baram die anekdotischen Erinnerungen Jonathans, so dass ein Eindruck davon entsteht, wie eine falsch verstandene toxische Männlichkeit den Jungen ihre Jugend nimmt. Die Gesinnungsprüfung unter den Kindern lautet: "Könnt ihr Araber leiden?" Ein Dissens in derlei politischen Fragen und die teeniehafte Coolness, die keinen Raum lässt, Konflikte auszutragen, ersticken die Nähe der beiden.

Freundschaften haben die zeitliche Struktur sowohl einer Erinnerungs- als auch einer Zukunftsgemeinschaft. Man liebt die Person, die der Freund war, und im besten Fall liebt man auch die Person, die der Freund werden wird. Baram hat sichtbar Freude daran, die Vergangenheit von Jonathan und Joël, ihre bedingungslose Zuneigung, mit ihrer unverbindlichen Gegenwart zu kontrastieren. Als die beiden sich nach Jahren des spärlichen Kontakts begegnen, sind sie erwachsen. Der erfolgreiche Schriftsteller Jonathan lebt mit seiner Kleinfamilie in Tel Aviv. Der einst so charismatische Joël hat seine Karriere als Anwalt an den Nagel gehängt, ist zurück nach Beit Hakerem zu den Eltern gezogen und verlässt kaum mehr das Bett. Weil die Gegenwart mehr trennt als verbindet, kehren die Freunde in den Gesprächen immer wieder in ihre Kindheit zurück: "Jede ihrer Begegnungen war ein Ineinanderfließen aller Zeiten in einem Augenblick - tausend Schreie der Vergangenheit gegen einen schwachen Laut des Jetzt."

Das ist nichts allzu Neues: die beste Kindheitsfreundschaft, die sich im Prozess des Erwachsenwerdens verliert, eine nahezu homoerotische kindliche Zuneigung, die von schiefen Männlichkeitsidealen hinweggefegt wird. Ohne Frage hat "Erwachen" starke Bilder für das Thema der Freundschaft gefunden, das Kant einmal das "Steckenpferd der Romanschreiber" genannt hat. Dass der Roman dabei stärker inhaltlich als ästhetisch motiviert scheint, mag seinem Unterhaltungswert zugutekommen. Nir Baram ist kein subtiler Schriftsteller, seine Semantik der Jugendfreundschaft scheut kein romantisches Urbild, ineinander verschmelzende Seelen etwa, aus deren gemeinsamer Sprache eine "dionysische Lava" hervorspringt. Beeindruckend und außergewöhnlich ist aber doch die Intensität des aus jeder Zeile springenden nachsommerlich-resignativen Schmerzes darüber, die eine Lebensfreundschaft schon hinter sich zu haben. Treffend lautet der hebräische Originaltitel des Buches "Jekitsa" - ein Wort, das nicht nur "Erwachen" bedeutet, sondern im Hebräischen auch das "Ende" und zugleich den "Sommer" anklingen lässt.

MIRYAM SCHELLBACH

Nir Baram: "Erwachen". Roman.

Aus dem Hebräischen von Ulrike Harnisch. Hanser Verlag, München 2020. 352 S., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Berührend ist es vor allem deshalb, weil Baram nicht nur von Schmerz und Verlust erzählt, sondern auch davon, wie ein gutes Leben gelingt. Eine Lektüre, die ein Stück Lebensklugheit schenkt." Deutschlandfunk Kultur Lesart, 01.04.2020

"'Erwachen' ist harter Stoff, druckvoll erzählt, mit der Tendenz zum Atemlosen, manchmal zum Hyperventilieren. Und ebenso getragen von der Gegentendenz des ruhigen Erzählens, des Entwickelns intimer Szenerien: Nir Baram hat ein ausgezeichnetes Gespür für die richtige Mischung aus Anspannung und Entspannung, das Spiel aus Nähe und Distanz und für urplötzliche Kippmomente." Frank Keil, Jüdische Allgemeine, 12.03.2020

"'Erwachen' erzählt sehr genau von instinktiv ausgeführten Befreiungsschlägen ebenso wie von Lebens- und Schreibkrisen." Sigrid Brinkmann, Deutschlandfunk Kultur, 10.03.2020