Marktplatzangebote
7 Angebote ab € 5,00 €
  • Buch mit Leinen-Einband

Tric-Trac - das ist ein Entwicklungsroman ohne Entwicklung. Ein Mehrgenerationenportrait im Kaleidoskop. Einmal staunen wir im Iran über einen kurzen Frühling, dann wieder erleben wir ein Paris sondergleichen und auch in Deutschland wirdnicht nur kurz getreten. Was kann man schon sagen über einen Roman, der mit zwei ermordeten Kinderleben beginnt und der diese Leben wieder auferstehen lässt und direkt ins Glück führt, und das alles veranstaltet, allein um die Schicksalsfestigkeit des Lebens zu testen. Neben Flucht und Exil geht es um eine gealterte Comtesse, die noch immer Lust auf Liebe hat…mehr

Produktbeschreibung
Tric-Trac - das ist ein Entwicklungsroman ohne Entwicklung. Ein Mehrgenerationenportrait im Kaleidoskop. Einmal staunen wir im Iran über einen kurzen Frühling, dann wieder erleben wir ein Paris sondergleichen und auch in Deutschland wirdnicht nur kurz getreten. Was kann man schon sagen über einen Roman, der mit zwei ermordeten Kinderleben beginnt und der diese Leben wieder auferstehen lässt und direkt ins Glück führt, und das alles veranstaltet, allein um die Schicksalsfestigkeit des Lebens zu testen. Neben Flucht und Exil geht es um eine gealterte Comtesse, die noch immer Lust auf Liebe hat und in jeder Minute die Auferstehung des Fleisches feiert. Aber es geht auch um Galeristen und die debile Kunst-Moderne. Es geht um Religionisten und Religionen, eine gehörige Portion Blasphemie also. Es geht um Islamisten-Geschrei und die melancholische Last der Selbstverbannung. Es geht um die Zotigkeit und Zärtlichkeit im Leben, auch um die trostlosen Seligkeiten des Strichermilieus. Und immer geht es um Backgammon - die Franzosen nennen es Tric-Trac, das heilige Spiel, das die Liebe zum Zufall preist. Und endlich geht es auch um die schönsten Ärsche der Welt. Kurz: esgeht um Leben und Tod und natürlich geht es immer um die Liebe.
Autorenporträt
AsjadiAsjadi wurde als Sohn eines deutsch-jüdischen Kulturattachés und einer persischen Journalistin 1980 in Teheran geboren. 1982 zog die Familie nach Deutschland. Nach einem Studium der Germanistik und Komparatistik in Tübingen und der Politischen Wissenschaften in Zürich unterrichtete Asjadi zwei Jahre Deutsch in Teheran. 2006 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitet seitdem als Filmemacher und als Ausstellungskurator, bevorzugt in Moskau, Paris, Salzburg und Zürich.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2022

Da möchte einer Sterne und Proust beerben

Zitatspektakel auf vier Ebenen: Asjadis Roman "Tric-Trac" über Heimat- und Männerliebe arbeitet mit allen Mitteln der Intertextualität.

Von Andreas Platthaus

Was ist das, ein roman trouvé? Das Analogon zum kunsthistorischen Begriff des objet trouvé, also eines durch den Willen des Künstlers zur Kunst nobilitierten Fundstücks. Die Gattungsbezeichnung, die der deutsche Autor, der sich Asjadi nennt, seinem Buch "Tric-Trac" verpasst, ist aber gleich mehrfach aufschlussreich. Sie verrät neben der ästhetischen Methode auch eine Vorliebe fürs Französische (die sich dann auch in der Handlung widerspiegelt) und große Freude am literarischen Vexierspiel. Asjadi, laut Verlagsangabe 1980 in Teheran geborener Sohn eines deutsch-jüdischen Kulturattachés und einer persischen Journalistin, schreibt genauso grenzüberschreitend, wie es diese Biographie verheißt. Und das unter Einsatz einer reichen in die Handlung einmontierten Bilderwelt aus unterschiedlichsten Quellen: Dutzende von Abbildungen machen "Tric-Trac" zum visuellen Spektakel. Auch das passt: In gleich mehreren europäischen Staaten soll Asjadi als Filmemacher und Ausstellungskurator tätig sein. Spuren davon finden sich jedoch zumindest unter seinem nom de plume nicht; Asjadi war aber der Name eines persischen Dichters aus dem elften Jahrhundert. Und Dichtung spielt in diesem Roman eine große Rolle.

Vor allem die der 1967 in jungen Jahren tödlich verunglückten Lyrikerin Forugh Farrochzad. Verse aus ihren Gedichten leiten neben einem bewusst schwach gedruckten Porträtfoto der Dichterin jeweils die größeren Abschnitte des Romans ein. Die erzählen von drei persischen Freunden: Farshid, Aadish und Shaahin, die wie Asjadi selbst in Westeuropa leben, weil ihre Familien vom 1979 etablierten Mullah-Regime außer Landes getrieben wurden. Es ist ein extrem unterschiedliches Trio: Shaahin Abkömmling einer reichen Familie, die sich für alles Schöne begeistert, Farshid ein Kunstverächter, der jedoch gerade durch seine Rüpelhaftigkeit als Künstler reüssiert, und Aadish als sensible Seele der Mittler zwischen diesen beiden Freunden. Leitfaden für das, was über sie erzählt wird, ist eine Kollektion von Gegenständen, die Shaahins als melancholischer Dandy in Paris lebender Onkel Said in einem Backgammonkasten für den Neffen aufbewahrt hat. Tric-Trac ist die französische Bezeichnung dieses Spiels, und so wie Backgammon Glück und Geschick gleichermaßen erfordert, verläuft auch das Schicksal der drei.

Der Weg dieser Freunde ist eine sentimentale Reise zu einer geistigen Heimat: Erinnerungen an Shaahins Großeltern in Iran gehen einem vierjährigen Aufenthalt bei Onkel Said in Paris voraus, ehe sich das Trio in Deutschland ansiedelt, wo Farshid seinen Aufstieg erlebt. Diese Erzählung ist aber nur eine Facette des Romans, wenn auch dessen umfangreichste. Eingebettet sind die großen, bis zu fast hundert Seiten umfassenden Abschnitte in kürzere Episoden, die von der Beziehung eines Schriftstellers erzählen, der die Geschichte von Shaahin, Farshid und Aadish aufschreibt: Christian Yorickson. Sein Name weist ihn als Nachfahren von Lawrence Sternes Alter Ego Yorick aus, und tatsächlich nimmt Asjadis Montagestil weitaus mehr Einflüsse von Sterne auf als von all den anderen Schriftstellern, die sein Buch durchspuken, selbst mehr als von Proust, der zwar mit schöner Regelmäßigkeit von Farshid geschmäht wird, aber in Ton, Details und Stimmung die zweite wichtige literaturgeschichtliche Bezugsgröße darstellt.

Vor allem auch deshalb, weil "Tric-Trac" ein Roman über Männerliebe ist. Seine Keimzelle war das Foto von zwei 2005 in Iran als Schwule hingerichteten jungen Männern. Diesen beiden Toten schreibt Yorickson, der selbst eine Liebesbeziehung mit dem italienischen Linguisten Andrea dell'Uomo unterhält (Asjadis schönster Kunstgriff ist die lange Schwebe, in der er Yoricksons Liebe zu halten versteht, weil "Andrea" zunächst nicht als männlicher Vorname erkennbar ist), ein Requiem, indem er sie in Farshid und Aadish überführt. Das als unvereinbar Geltende lebt in ihnen. Wobei der letzte Teil der Romanhandlung, eine Sammlung von Presseausrissen, Chat-Protokollen und sonstigen Dokumenten, all das, was Yorickson als heroische Erfolgsgeschichte formuliert hat, wieder relativiert und ins Gewöhnliche gescheiterter Existenzen zurückführt. Die Rettung bleibt ein Traum.

Erzählt wird also auf drei Ebenen zugleich. Das ist ambitioniert, leider oft auch überambitioniert. Asjadi verliert sich ans Verliebtsein in die Form. Die Seiten eines halben Großkapitels werden mit einem Zensurstempel versehen, weil darauf ein blasphemischer Dialog zu finden ist, ein weiteres enthält Spoiler-Warnungen zum folgenden Geschehen, und wieder ein anderes besteht aus dem sich über Dutzende Seiten hinziehenden Abschiedsbrief des durch Suizid aus dem Leben geschiedenen persischen Großvaters von Shaahin - kursiv gedruckt, wie überhaupt die Typographie im Buch je nach Erzählebene wechselt, was aber weniger deren Trennung zugutekommt, als den Eindruck von l'art pour l'artiste erweckt. Denn der Kunst selbst gilt's hier weniger als den beteiligten Künstlern. Die Gestalter konnten sich einmal so richtig austoben, doch es macht weniger Vergnügen, den Roman zu lesen, als Asjadi Vergnügen gehabt haben wird, ihn zu schreiben.

Bei "Tric-Trac" handelt es sich laut Impressum um die "Leipziger Fassung". Wie mögen etwaige andere aussehen? Der umfangreiche Anmerkungsteil, der den überbordenden kulturellen Anspielungsreichtum zumindest in Teilen entschlüsselt, ist laut Asjadis Vorbemerkung auf Verlangen des Verlags angelegt worden. Aber er ist so sehr Bestandteil der Fiktion - gerade auch in der bisweilen geheuchelten Unkenntnis des Kommentators -, dass man sich "Tric-Trac" ohne diese Addenda nicht vorstellen kann. Die konkrete Gestalt von "Tric-Trac" ist seine vierte narrative Ebene. Das, was diesen Roman modern machen soll, ist ja nicht seine auf literarische Traditionen eines ganzen Jahrtausends in Orient und Okzident zurückgehende Schreibweise, sondern deren angestrebte Versöhnung mit der Zerstreuung unserer medialen Wahrnehmung: die Idee von Intertextualität im Stil der unbegrenzten Freiheit motivischer Fischzüge durchs Internet. Doch der konkrete roman trouvé von Asjadi bleibt eher Verlustanzeige.

Asjadi: "Tric-Trac". Roman trouvé.

Verlag Faber & Faber, Leipzig 2022. 598 S., Abb., geb., 28,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Unschlüssig liest Rezensent Fabian Wolff den Debütroman des iranischen Filmemachers und Kurators, der unter dem Pseudonym Asjadi schreibt. Der Autor lässt einen mittelalten Mann die Geschichte dreier Iraner im Exil erzählen, erklärt Wolff. Eingebettet in die weite Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts sei die Erzählung regelrecht "überfrachtet" von Zitaten und Referenzen, stellt Wolff ein wenig genervt fest. Dank des beigefügten Apparates von Anmerkungen lernt er entsetzt, dass zwei junge Männer, die im Iran wegen vorgeworfener Vergewaltigung erhängt wurden, namensgebend für zwei der Romanfiguren sind, was der Rezensent mindestens "verantwortungslos" findet, da sie lediglich als leere Hüllen dienen, ohne dass sich näher mit den Hintergründen des Geschehens beschäftigt wird. Auch andere essentielle Punkte des Werkes können den Rezensenten, der einen Hang zur Körperlichkeit und "etwas miefigen politischen Unkorrektheit" feststellt, nicht überzeugen. Versöhnlicher stimmen ihn die Briefe, die teils "sehr schön" zu lesen seien und der ab und zu aufkommende "melancholische Charme", wenn der Rezensent durch Zitate auf die Schönheit anderer, wie er meint, "besserer" Kunst verwiesen wird. Welche Intention der Autor dabei hatte, bleibt dem Rezensent unklar.

© Perlentaucher Medien GmbH