Bildband von Kamerakidz, einem Projekt in Indien, welches indischen Kindern ermöglicht, Fotos aus ihrer Lebenswelt aufzunehmen und diese dann verbreitet. Die Kinder erhalten einen Teil des Gewinns direkt, der Rest fließt in das Projekt.Dieses Buch beschreibt mit Worten und Bildern den Alltag in einem rajasthanischen Dorf in der Nähe von Jodhpur. Alle Fotos haben die Kinder während eines dreiwöchigen Workshops selber fotografiert. Die begleitenden Texte sind eine Mischung aus Aufsätzen, Interviews, Beschreibungen und Beobachtungen teils von den Kindern, teils von der Projektleiterin Nana Ziesche.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.06.2015Ich zeig dir meine Welt
Das Angebot an interessanten Büchern aus und über Indien nennt die Fotografin Nana Ziesche "begrenzt". Das will sie ändern - doch keineswegs mit ihren Arbeiten, sondern mit ihrem Engagement. "KameraKidz" nennt sie ihr Projekt, für das sie Kindern in entlegenen Gebieten Digitalkameras in die Hand drückt. "Fotografiert euren Alltag", sagt sie ihnen. Dann zieht sie sich mitunter monatelang zurück, bevor sie in die Siedlungen zurückkehrt, um die Aufnahmen auszuwerten. Zwei Bücher hat sie mit dem Material bisher veröffentlicht - eines über Chandelao, ein Wüstendorf in Rajasthan, und eines über den Winter in Zanskar - "für die Einheimischen langweilig, für Besucher grausam", wie eines der Kinder das Leben bei minus dreißig Grad beschreibt.
Natürlich hatten all die Kinder längst Fotoapparate gesehen: die der Touristen. Und längst hatten sie den Besuchern hundertfach Modell gestanden für deren Urlaubsbilder. Das merkt man augenblicklich an den meist steifen Posen und einem gefrorenen Lächeln. Oft genug auch nehmen sie genau das auf, was die Fremden fotografieren würden: eine farbenfrohe Hochzeit etwa oder Frauen bei der Handarbeit. Aber dann finden sich plötzlich Motive, die nicht nur durch Ausschnitt und Komposition beeindrucken, sondern durch ein Moment, das dem Touristen verborgen bleibt. Da schaut etwa ein Bub ernst in die Kamera und balanciert dabei ein Küken auf seinem Kopf. Oder man schaut einem Mädchen dabei zu, wie es mit Dung und Lehm und Wasser den Fußboden eines Hauses ausbessert. "Das muss einmal im Jahr gemacht werden", heißt es dazu. Auf anderen Fotos helfen Kinder ihrer Mutter trotz Schnees, im Freien Wäsche zu waschen. Aber man sieht auch, wie eine wilde Schar auf dem Hosenboden einen gefrorenen Fluss hinunterschlittert. Und schon ist man mittendrin in einer Welt fremder Aufgaben, fremder Spiele - und fremder Träume. "Vater bringt das Fleisch", heißt es in einem ihrer Lieder. "Mutter bringt die Butter aus dem Kälteraum." Und zwei Zeilen weiter: "Bitte, wir wollen süße Dinge essen, wir brauchen Geld." Das könnte demnächst eintreffen. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Bücher gehen an die jungen Fotoreporter. (F.L.)
"Chandelao - Alltag in einem Rajasthanischen Dorf", 104 Seiten, zahlreiche Farbfotos. "Winter in Zanskar", 144 Seiten, zahlreiche Farbfotos. Beide Bände broschiert, je 22,90 Euro. Yangla Press, zu beziehen über www.kamerakidz.com
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Angebot an interessanten Büchern aus und über Indien nennt die Fotografin Nana Ziesche "begrenzt". Das will sie ändern - doch keineswegs mit ihren Arbeiten, sondern mit ihrem Engagement. "KameraKidz" nennt sie ihr Projekt, für das sie Kindern in entlegenen Gebieten Digitalkameras in die Hand drückt. "Fotografiert euren Alltag", sagt sie ihnen. Dann zieht sie sich mitunter monatelang zurück, bevor sie in die Siedlungen zurückkehrt, um die Aufnahmen auszuwerten. Zwei Bücher hat sie mit dem Material bisher veröffentlicht - eines über Chandelao, ein Wüstendorf in Rajasthan, und eines über den Winter in Zanskar - "für die Einheimischen langweilig, für Besucher grausam", wie eines der Kinder das Leben bei minus dreißig Grad beschreibt.
Natürlich hatten all die Kinder längst Fotoapparate gesehen: die der Touristen. Und längst hatten sie den Besuchern hundertfach Modell gestanden für deren Urlaubsbilder. Das merkt man augenblicklich an den meist steifen Posen und einem gefrorenen Lächeln. Oft genug auch nehmen sie genau das auf, was die Fremden fotografieren würden: eine farbenfrohe Hochzeit etwa oder Frauen bei der Handarbeit. Aber dann finden sich plötzlich Motive, die nicht nur durch Ausschnitt und Komposition beeindrucken, sondern durch ein Moment, das dem Touristen verborgen bleibt. Da schaut etwa ein Bub ernst in die Kamera und balanciert dabei ein Küken auf seinem Kopf. Oder man schaut einem Mädchen dabei zu, wie es mit Dung und Lehm und Wasser den Fußboden eines Hauses ausbessert. "Das muss einmal im Jahr gemacht werden", heißt es dazu. Auf anderen Fotos helfen Kinder ihrer Mutter trotz Schnees, im Freien Wäsche zu waschen. Aber man sieht auch, wie eine wilde Schar auf dem Hosenboden einen gefrorenen Fluss hinunterschlittert. Und schon ist man mittendrin in einer Welt fremder Aufgaben, fremder Spiele - und fremder Träume. "Vater bringt das Fleisch", heißt es in einem ihrer Lieder. "Mutter bringt die Butter aus dem Kälteraum." Und zwei Zeilen weiter: "Bitte, wir wollen süße Dinge essen, wir brauchen Geld." Das könnte demnächst eintreffen. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Bücher gehen an die jungen Fotoreporter. (F.L.)
"Chandelao - Alltag in einem Rajasthanischen Dorf", 104 Seiten, zahlreiche Farbfotos. "Winter in Zanskar", 144 Seiten, zahlreiche Farbfotos. Beide Bände broschiert, je 22,90 Euro. Yangla Press, zu beziehen über www.kamerakidz.com
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