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Vor mehr als zwanzig Jahren fing alles an, mit der Faszination für die japanische Teezeremonie. Schon als Jugendlicher sammelte Christoph Peters lieber Teegefäße als Schallplatten. Heute verbringt er jede Woche viele Stunden mit der Zubereitung von Tee und stellt fest, dass sich im Nachvollziehen der zugleich reduzierten wie vollendet funktionalen Gesten seine Wahrnehmung verändert hat, er weniger fahrig und unkonzentriert ist. Der Leser erfährt außerdem von ersten Tee-Initiationsriten am Internat,von Begegnungen mit Zollbeamten, die ratlos vor einer antiken Teekanne standen, und davon, wie…mehr

Produktbeschreibung
Vor mehr als zwanzig Jahren fing alles an, mit der Faszination für die japanische Teezeremonie. Schon als Jugendlicher sammelte Christoph Peters lieber Teegefäße als Schallplatten. Heute verbringt er jede Woche viele Stunden mit der Zubereitung von Tee und stellt fest, dass sich im Nachvollziehen der zugleich reduzierten wie vollendet funktionalen Gesten seine Wahrnehmung verändert hat, er weniger fahrig und unkonzentriert ist. Der Leser erfährt außerdem von ersten Tee-Initiationsriten am Internat,von Begegnungen mit Zollbeamten, die ratlos vor einer antiken Teekanne standen, und davon, wie der Tee für den Autor irgendwann den Genuss von Alkohol ersetzt hat. Humorvoll und entspannt nimmt Christoph Peters uns mit auf eine Reise durch die Teekulturen der Welt, von Ostfriesland bis in die Türkei, von Japan über China zum High Tea nach England.
Autorenporträt
"Christoph Peters, geboren 1966 in Kalkar am Niederrhein, studierte Malerei an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe. Heute lebt er als freier Schriftsteller und Künstler in Berlin. Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem aspekte-Literaturpreis, dem Friedrich-Hölderlin-Preis sowie dem Wolfgang-Koeppen-Preis; zuletzt erschienen ›Dorfroman‹ (2020) und der Reiseessay ›Tage in Tokio‹ (2021)."
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.11.2016

Stövchen-Glück
Christoph Peters’ eleganter Essay
erzählt vom Leben mit Tee
Für die korrekte Zubereitung von Kaffee bedarf es mittlerweile einer Hochleistungsmaschine. Wer etwas auf sich hält, hat in seiner Küche einen aggressiven EspressoBoliden aufgestellt. Die Teekultur dagegen hat eher kontemplativen Charakter. Sie ruht in sich, genügt sich selbst. Selbstverständlich ist das eine zugespitzte Darstellung. Doch sie hat einen wahren Kern: Teetrinker sind Außenseiter. Wer bei Freunden, so beschreibt es Christoph Peters, auf die Frage „Tee oder Kaffee“ überraschend mit „Tee“ antworte, werde erleben, wie aus dem letzten Winkel des Küchenschrankes ein angestaubter Beutel Earl Grey herausgekramt werde.
  Christoph Peters ist ein Schriftsteller, der sich in all seinen Büchern, wenn auch auf höchst unterschiedliche Weise, mit der Darstellung von Regelwerken auseinandergesetzt hat, seien es die der Kunstbetrachtung, der Religion, der japanischen Küche oder des Brennens von Keramikschalen. Ihn interessiert zum einen der fremde Blick auf ein geschlossenes System, zum anderen aber auch die Erprobung von Möglichkeiten, an diesem System teilzuhaben, ohne es lächerlich zu machen oder zu kolonialisieren. Man kann eine derartige Haltung im besten Sinne als aufklärerisch und tolerant bezeichnen. Christoph Peters also ist Teetrinker. Davon handelt dieses kleine, liebevoll gestaltete und mit Zeichnungen von Matthias Beckmann ergänzte Buch.
  Unter der Erzähloberfläche allerdings ist „Diese wunderbare Bitterkeit“ ein elegant konzipierter Essay, der autobiografische Erfahrungen in Beziehungen zur Zeitgeschichte setzt. Die Achtzigerjahre, die Peters in einem katholischen Internat am Niederrhein verbrachte, beschreibt er als eine Epoche des drohenden Weltuntergangs (das Waldsterben, die Atomkraft, die Aufrüstung!), in der gleichzeitig das Bedürfnis nach neuen, sinn- und troststiftenden Ritualen wächst. Die voluminösen Möbel in den holzverkleideten Zimmern verbreiten eine höhlenartige Atmosphäre, bieten „gebärmutterartigen Schutz, und im abgedunkelten Zimmer leuchtete über der Flamme im Stövchen eine Glaskanne mit goldenem Tee.“
  Das war der Anfang. Von dort aus schwärmt Peters aus in die weite Welt der unterschiedlichsten Geschmäcker und Materialien. Wir lesen von Wasserqualität, von Porzellan- und Zinnkannen, lernen allerhand über Filtrierungsmethoden und vor allem immer wieder über von Peters’ große Leidenschaft, die japanischen Keramiktradition. Doch es ist vollkommen gleichgültig, worüber Peters schreibt – es ist immer interessant, weil sich dahinter stets ein über den Gegenstand hinausreichender Erkenntnisdrang verbirgt. Und, nicht zu unterschätzen: eine gute Portion Humor.
  Höchst komisch ist die Schilderung des sich über Monate hinziehenden Versuchs, sich mittels eines YouTube-Videos die japanische Teezeremonie anzueignen. Es geht dabei um Meisterschaft und Körperbeherrschung, um Reduktion und Selbstvergessenheit. Ohne jede esoterische Nebengeräusche wird der Tee zum Symbol einer Suche nach Vollkommenheit. Der Satz, wenn man sich auf die Welt des Tees ganz und gar einlasse, müsse man sein Leben ändern, dürfte keinesfalls ironisch gemeint sein.
CHRISTOPH SCHRÖDER
Über seine Leidenschaft
schreibt Peters ohne Esoterik,
dafür mit gutem Humor
            
      
    
  
  
Christoph Peters:
Diese wunderbare Bitterkeit. Leben mit Tee. Arche Verlag, Zürich 2016. 144 Seiten,
15 Euro. E-Book 11,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2017

Hier wirst du Mensch, dann darfst du's sein

Tee-Lektüren: Kakuzo Okakura und Christoph Peters schreiben hochambitioniert über ihr Lebenselixier und dessen Verbindung zu Schönheit und Tod.

Einen Satz wie "Nur wer die Schönheit gelebt hat, kann auch schön sterben" wird man leicht einem japanischen Autor zuschreiben. Die Verbindung des gelungenen Lebens mit einem gelungenen Tod ist geradezu eine Konstante jenes japanischen Denkens der Meiji-Zeit, das im Westen höchste Aufmerksamkeit fand, weil die ohnehin bewunderte Ästhetik der weltweit populär gewordenen Artefakte aus Japan auch noch lebensanschaulich grundiert wurden. Das passte perfekt ins ideologisch ebenso hellhörige wie willfährige frühe zwanzigste Jahrhundert.

Dass eine solch dezidierte Verbindung von Schönheit und Tod in einem Buch zum Teetrinken gezogen wird, dürfte dennoch manchen Leser überraschen. Kakuzo Okakuras 1906 als Orginalausgabe in Amerika erschienenes "Buch vom Tee", das der 1862 in Yokohama geborene Kunstwissenschaftler während seiner Zeit als Leiter der Asiatischen Abteilung des Museum of Fine Arts in Boston schrieb, richtete sich an ein westliches Publikum, aber es wollte gar keine Erläuterung zur Kulturgeschichte des Teetrinkens liefern, sondern eine Hinführung zur Mentalität in Okakuras Heimat über die einzige japanische Errungenschaft, die nach Meinung des Autors im Westen uneingeschränkt geschätzt wurde: die Teezeremonie.

Das Buch ist seit seiner ersten Übersetzung ins Deutsche 1922 immer wieder aufgelegt worden, die heute gängige Übertragung stammt aus dem Jahr 1949 und von Horst Hammitzsch, einem Japanologen, der Sympathien für den Nationalsozialismus gezeigt und in den Japanern das geborene Herrenvolk Ostasiens gesehen hatte. Aber auch das existenzialistische Pathos der fünfziger Jahre fand in Okakuras Text ein japanisches Parallelphänomen und in Hammitzsch eine passende deutsche Stimme. So erklärt sich die Popularität des Buchs bis heute. Gerade ist es in der Insel-Bücherei wiederaufgelegt worden, für eine neue Publikum aufgehübscht durch Illustrationen der beiden jungen Berliner Zeichnerinnen Alexandra Klobouk und Eva Gonçalves, die sich vor allem an floralen Motiven berauschen - ganz passend angesichts Okakuras Begeisterung für den Blumenschmuck bei der Teezeremonie, weil er in kurzlebiger Blütenpracht den Inbegriff der naturgemäßen Todesverachtung erkannte: "Manche Blumen frohlocken noch im Tode - wie die japanischen Kirschblüten, wenn sie sich frei den Winden hingeben."

Ein Gutteil unserer Japan-Klischees, aber auch unseres Verständnisses für die dortige Kultur stammt aus diesem Buch. Wer allerdings auf Hinweise zur richtigen Ausführung der Teezeremonie wartet oder gar praktische Hinweise zu Teeauswahl und -zubereitung erhofft, der sollte ein ähnlich schmales illustriertes Bändchen lesen, das der Schriftsteller Christoph Peters gerade publiziert hat: "Diese wunderbare Bitterkeit - Leben mit Tee". Peters ist, wie man spätestens seit seinen hochgelobten Romanen "Mitsukos Restaurant" und "Herr Yamashira bevorzugt Kartoffeln" weiß, zwar kein Japanologe, aber ein Japanophiler, wenn nicht gar Japanomane. In "Mitsukos Restaurant" gab es schon die autobiographisch motivierte Schilderung des Offenbarungserlebnisses sorgsam zubereiteten japanischen Tees. Nun ist aus dem im Jahr 1993 begonnenen Streben nach Wiederholung und Perfektionierung dieses Genusses ein ganzes Buch geworden, diesmal komplett autobiographisch.

Existenzialistisch ist hier außer den kargen Schwarzweißillustrationen von Matthias Beckmann, zu dessen Zeichnungen über die japanische Teezeremonie Christoph Peters schon einmal ein Geleitwort geschrieben hatte, gar nichts. Okakuras "Buch vom Tee" hat es nicht einmal in Peters' Literaturverzeichnis geschafft, obwohl der Deutsche das von dem Japaner eingeführte Wort vom "Teemenschen" übernimmt. Weniger wichtig nimmt Peters das Teetrinken auch nicht, nur dass bei ihm alles individualistisch begründet wird, was bei Okakura mit gesamtkulturellem Anspruch daherkommt. Allerdings hat auch Peters durchaus soziologische Thesen zu bieten wie die zur Verwandtschaft von Tee und Eucharistie: Beide seien "auch als durchgeformte multimediale Performanceakte einer spirituellen Mahlgesellschaft lesbar". Ein leises Gelächter über solchen Jargon ist diesem Buch aber miteingeschrieben.

Denn sonst ist "Diese wunderbare Bitterkeit" wunderbar lesbar und vor allem erfahrungssatt. Nicht nur im Hinblick auf japanischen Tee, sondern auch auf ägyptischen und chinesischen, ja selbst die Ostfriesenmischung bekommt einen Seitenblick zugeworfen. Nur dass das Buch mit dem kolonial bedingten Siegeszug des englischen High Tea abschließt, ist antiklimaktisch, weil Peters einen solchen mit Frau und Tochter in einem Berliner Hotel einnahm, wo gerade auch Mario Götze einkehrte. Dass dieses profane Ereignis die Analyse des Teegenusses überstrahlt, bringt das Liebeslied an den Tee mit einem Missklang zum Abschluss.

Aber sonst ist bei Peters alles zu finden, was Okakura Lesern vorenthält, die konkrete Hilfe erwarten: Sortenbeschreibungen und Zubereitungstipps, Preisangaben und vor allem Geschmacksbeschreibungen. Und neben dem Liebes- auch ein Klagelied über die Zustände in Gastronomie und Privathaushalten, wenn es an die Teezubereitung geht. Da konnten wir zwar schon jede Strophe mitsingen, aber je lauter der Chor der darob Leidenden wird, desto besser.

ANDREAS PLATTHAUS

Kakuzo Okakura:

"Das Buch vom Tee".

Aus dem Japanischen und mit einem Nachwort von Horst Hammitzsch. Mit farbigen Illustrationen von Alexandra Klobouk und Eva Gonçalves. Insel Verlag, Berlin 2016. 103 S., 13 Abb., geb., 14,- [Euro].

Christoph Peters: "Diese wunderbare Bitterkeit". Leben mit Tee.

Mit Zeichnungen von Matthias Beckmann. Arche Verlag, Zürich 2016. 144 S., 14 Abb., geb., 15,- [Euro].

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»So klug wurde selten über Tee geschrieben.« Alexander Wasner, SWR 2