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Im Zweifelsfall ist die Blackbox die letzte Hoffnung auf der Suche nach Ursachen für Abstürze: Was hat versagt oder wer, lag es an der Technik, am Klima, oder war es menschliches Versagen?
In acht Texten entwirft Benjamin von Stuckrad-Barre Tragödien unterschiedlichster Art und macht sich mittels akribischer Protokollauswertung auf die Suche nach möglichen Absturzursachen. So unterschiedlich diese Themen sind, so unterschiedlich sind die Textformen, die der Autor benutzt: Protokolle, Erzählungen, Märchen, Gedichte, Dialoge, ein Dramolett - gemeinsam ist allen Texten die Konfrontation eines…mehr

Produktbeschreibung
Im Zweifelsfall ist die Blackbox die letzte Hoffnung auf der Suche nach Ursachen für Abstürze: Was hat versagt oder wer, lag es an der Technik, am Klima, oder war es menschliches Versagen?

In acht Texten entwirft Benjamin von Stuckrad-Barre Tragödien unterschiedlichster Art und macht sich mittels akribischer Protokollauswertung auf die Suche nach möglichen Absturzursachen. So unterschiedlich diese Themen sind, so unterschiedlich sind die Textformen, die der Autor benutzt: Protokolle, Erzählungen, Märchen, Gedichte, Dialoge, ein Dramolett - gemeinsam ist allen Texten die Konfrontation eines sicher geglaubten Ordnungssystems mit plötzlich auftauchenden Störungen, mit Problemen, die sich als Systemfehler entpuppen, Fehler grundsätzlicher Art oder bloß in der Bedienung.
Autorenporträt
Benjamin von Stuckrad-Barre, 1975 in Bremen geboren, ist Autor von 'Soloalbum', 1998, 'Livealbum', 1999, 'Remix', 1999, 'Blackbox', 2000, 'Transkript', 2001, 'Deutsches Theater', 2001, 'Festwertspeicher der Kontrollgesellschaft - Remix 2', 2004, 'Was.Wir.Wissen', 2005, 'Auch Deutsche unter den Opfern', 2010, 'Panikherz', 2016, 'Nüchtern am Weltnichtrauchertag', 2016, 'Udo Fröhliche', 2016, 'Ich glaub, mir geht's nicht so gut, ich muss mich mal irgendwo hinlegen - Remix 3', 2018 und 'Alle sind so ernst geworden' (mit Martin Suter), 2020.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.2000

Gießkannengebrüll vor Hirschen und Hirschkühen im Harz
Benjamin von Stuckrad-Barres neues Soloalbum heißt "Blackbox" · Von Hans-Herbert Räkel

Benjamin von Stuckrad-Barre ist ein Senkrechtstarter: "Teenie-Star" und "Mädchenschwarm", "Gagschreiber" und "Talk-Show-Held", "Jung-Autor" und "Pop-Literat" heißen die Motoren, mit denen er sich in den Himmel des Medienruhms katapultiert hat. Sein neues Buch heißt "Blackbox" und hat einen schwarzen Umschlag. Daß auf der Klappe "Letzte Worte von Flugkapitän Ahmed al-Habashi (31. 10. 1999) an Bord der EA 990 New York-Kairo, aufgezeichnet vom Videorecorder um 01 Uhr 50.15", neben Walter Fabers fiktionaler Notlandung seiner "Super-Constellation" in der mexikanischen Wüste festgehalten werden, gehört zu den Geschmacklosigkeiten, die man coolen Büchern nachsehen muß. Ansonsten ist der Jung-Autor viel zu publikumsfreundlich, um sich auf Makabres einzulassen. Der Absturz von EA 990 ist schnell vergessen, wenn es vordergründig um Abstürze von Betriebssystemen geht, hintergründig um "die Suche nach möglichen Absturzursachen" für die in acht Kapiteln niedergelegten "Tragödien".

Das Inhaltsverzeichnis sieht aus wie der Ausdruck eines PC-Menüs, seine Titel sind dem Jargon entlehnt. In "heruntergefahren" wird ein Drogentrip als Stilübung durchgezogen ("das Betriebssystem kollabiert"); "vom Netz" erzählt eine Novelle von einem jungen Mann, den seine Geliebte mit 25 000 Mark Abfindung sitzenläßt; in "speichern unter: krankenakte dankeanke" recycelt der Autor das Gerücht seines Verhältnisses mit der "Comedy-Queen" Anke Engelke als Mediensatire; "strg s" erzählt im Ton des erschütterten psychiatrischen Beraters mit literarischen Ambitionen einen Fall von Hyperorexie (aus Liebeskummer); "sound files" lassen den Ton von Quasslern erschallen, die sich mit ihrem Gerede bloßstellen; "standarddokument" entwirft die Figur eines Interviewvermittlers, der für die Talkshows die "normalen" Menschen anwirbt.

Das letzte Kapitel "neustart" behandelt das Lieblingsmotiv auch anderer Jung-Autoren mit der ihrem Alter und sozialen Status angemessenen Lebenserfahrung: Studentenumzug und WG! Vorher gibt es eine Reihe von "dialogfeldern". Darin steht der einzige Text, der nicht zu lang geraten ist. Es ist ein Vierzeiler, Benjamin von Stuckrad-Barres Gottesbeweis: "Wenn es dich gibt / Dann mach was / Wenn nicht / Trotzdem." Oder war das das Selbstgespräch eines Autors, der wissen möchte, ob es ihn gibt?

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, daß er mit der Blackbox "trotzdem" was gemacht hat. Der Erfolg seines Romans "Soloalbum" enthält eine Reihe von Ingredienzien, auf die man nicht ungestraft verzichten kann, wenn es um die Fortschreibung des Erfolgs geht. Die Aufmachung des Buches, eben als Soloalbum, das mit dem Inhaltsverzeichnis zweier CDs und lauter Songtiteln als Kapitelüberschriften schon so ähnlich wie die Blackbox arbeitete, erklärt sich inhaltlich recht gut, ist der Held doch ein Pop-Fan und Plattenverkäufer, als solcher ein Klon des, literarisch gesehen, erheblich massiveren älteren Helden von "High Fidelity": dessen Laure kommt schließlich zurück - diesem Loser des Soloalbums wagt man nicht zu wünschen, daß seine Katharina sich noch mal für ihn erwärmt. Aber er schreibt doch wenigstens, genau wie der Held Nick Hornbys, alles selber auf.

So etwas zu motivieren fällt jedem Autor schwer, und nur wenige reüssieren damit wie der Schöpfer des briefeschreibenden Werther. Für Benjamin von Stuckrad-Barre ist dies der entscheidende Schritt, denn nun kann er sich in seinen Helden versetzen; und sich in jemanden versetzen, das kann er wirklich. Er hat die Begabung eines Tierstimmenimitators: seine Rekonstruktion der Jargons ist umwerfend. Das kann er so gut, daß die Nachgeahmten (zum Beispiel im Show- und Mediengeschäft) sich darin wiedererkennen und ihn für einen der Ihren halten - wie die Hirsche und Hirschkühe im Harz, denen ein gekonntes Gießkannengebrüll bekanntlich einen Adrenalinstoß versetzt. Die Sprache ist das, was von Stuckrad-Barres "Soloalbum" über ein schlecht aufgewärmtes "High Fidelity" erhebt. Auch für ein Quentchen Ironie ist man zwar dankbar (der Held schreibt zum Beispiel einmal: "Soloalben sind fast immer scheiße"), aber das ist beiläufig.

In seiner "Blackbox" geht es ihm nun aber wie dem Tierstimmenimitator, der nicht mehr Tierstimmen imitiert, sondern seine eigene Stimme erhebt: Er verliert an Interesse. Das gilt nicht für das satirische Spiel "krankenakte dankeanke", wo der Medienjargon Orgien feiert, von denen einem das Wasser im Munde zusammenlaufen würde, wenn es dabei nicht plump um den Autor ginge; es gilt auch nicht für einige glossenhafte Stücke, welche fremde Stimmen imitieren. Aber in den novellenhaften Partien "Vom Netz", "Strg s", "Standarddokument" und "Neustart" schlägt die eigne Stimme mit ethischer Überfettung bei epischer Anämie durch: Der junge Mann ohne Namen wird nur namenloser, wenn ihn kokette Sätze wie dieser beschreiben: "Dieses Foto aufzubewahren, wäre dem jungen Mann vorgekommen wie das Sammeln gebrauchter Q-Tips." Die Geschichte vom Essen sagt die Wahrheit. Vielleicht ist es eine "wahre Geschichte", wie man sie in den geschmähten Frauenzeitschriften findet? Jedenfalls würde sie sich unzensiert als Werbetext für die Finanzierungskampagne eines Forschungsprogramms gegen Fettleibigkeit empfehlen.

Auch die Studie des Talk-Show-Vermittlers und das Abenteuer des Studentenumzugs haben diesen Hautgout altkluger Wahrheit. Es sind gelängte Glossen nach Art der Kolumnen eines Max Goldt, deren alltäglicher Inhalt trotz genauer Beobachtung und penibler Beschreibung langweilig werden würde, wenn nicht stilistische Glanzlichter die Aufmerksamkeit wecken und das Ego des Autors polieren würden. Da gibt es Lebensprobleme wie das "Handschmutzüberbleibselpfützchen" auf dem Waschbecken, da kann das Zusammenleben in der WG "wie tägliches Auslutschen des gemeinsam vollgehaarten Duschsiebs" werden - sind das nicht würdige Nachkommen der "resttröpfchengetränkten Klofußumpuschelung" des Altmeisters?

Wenn der Autor solche stilistischen Glanzleistungen in seinen Talk-Shows zum besten gibt, verlangsamt er den Vortrag und hebt die Stimme, damit nichts verlorengeht, und das jugendliche Publikum quittiert die Virtuosität mit Kichern: so zu hören auf den beiden CDs des Albums "bootleg", das in seiner Aufmachung der Blackbox nachempfunden ist, nur nicht schwarz, sondern weiß. Da setzt sich der Showmaster als ein sympathischer und etwas schüchterner, entwaffnend ehrlicher junger Mann in Szene, der aber nicht gern jemanden zu Wort kommen läßt. Wenn Katja Kessler ihre "Nackedei-Poeme" - auf dem Plattenumschlag heißt es großsprecherisch "Porno-Poeme" - vorliest, hört man sie erröten. Froh muß sie sein, wenn der dreinredende Showmaster nicht die Pointe vorher erklärt.

Benjamin von Stuckrad-Barre wird authentisch, wenn er andere nachmacht. In einem Kurzinterview wird ihm ein Angelhaken hingeworfen: "Sie wurden schon mal mit Zlatko verglichen." Er antwortet: "Ich bin ja nicht wie Zlatko, der nichts kann. Oder wie Gerhard Schröder, der auch nichts kann, aber ein Land leiten darf. Ich kann ja was: Ich kann schreiben." Simuliert er hier den, der er sein möchte? Obwohl schon 25 Jahre alt, nutzt er beherzt das Vorrecht der Jugend, dick aufzutragen wie die kleinen Mädchen à la Alison Ashworth bei Nick Hornby, die sich mit dem Lippenstift den Mund verschmieren und damit ihr dunkel gefühltes Ziel erreichen: bemerkt zu werden, am liebsten von großen Jungs. In einem Punkt ist er vielleicht doch wie Zlatko, der da singt: "Verdammt, ich bleibe, wer ich bin, denn ich mag mich so!"

Benjamin von Stuckrad-Barre: "Blackbox - unerwartete Systemfehler". Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000. 348 S., br., 19,90 DM.

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"Ein großer Sozialhistoriker unserer Epoche." Tagesspiegel

"Begnadeter Berichterstatter aus dem Inneren unseres Landes." Süddeutsche Zeitung
»Wer so schreibt, hat nicht nur ein Problem mit der Haut.« Der Spiegel