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Seit 2011 sein "Bericht an die Welt" erstmals auf deutsch erschien, ist Jan Karski auch hierzulande dem Vergessen entrissen worden. Jetzt legt Marta Kijowska die erste deutschsprachige Biografie vor, die sein ganzes Leben erzählt, auch die frühen Jahre und die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Jan Karski wurde 1914 in Lodz geboren und hatte eine Diplomatenkarriere vor sich, als die Wehrmacht Polen überfiel. Unter der deutschen Okkupation wurde er zu einem der aktivsten Mitglieder der polnischen Untergrundbewegung und zu einem ihrer wichtigsten Kuriere. Im Herbst 1942 wurde er auf einer…mehr

Produktbeschreibung
Seit 2011 sein "Bericht an die Welt" erstmals auf deutsch erschien, ist Jan Karski auch hierzulande dem Vergessen entrissen worden. Jetzt legt Marta Kijowska die erste deutschsprachige Biografie vor, die sein ganzes Leben erzählt, auch die frühen Jahre und die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Jan Karski wurde 1914 in Lodz geboren und hatte eine Diplomatenkarriere vor sich, als die Wehrmacht Polen überfiel. Unter der deutschen Okkupation wurde er zu einem der aktivsten Mitglieder der polnischen Untergrundbewegung und zu einem ihrer wichtigsten Kuriere. Im Herbst 1942 wurde er auf einer speziellen Mission in den Westen geschickt. Er sollte die polnische Exilregierung und die Alliierten über die Arbeit des Untergrunds, aber auch über das Schicksal der polnischen Juden informieren. Um einen möglichst glaubwürdigen Bericht zu liefern, ließ er sich vorher ins Warschauer Ghetto und in ein Transitlager im Osten Polens einschleusen. Doch seine Versuche, die Welt zu alarmieren, blieben ohne Wirkung: Er wurde zwar in London u. a. von Außenminister Anthony Eden und in Washington sogar von Präsident Franklin D. Roosevelt empfangen, doch entweder schenkte man seinem Bericht keinen Glauben oder man blieb gleichgültig. Schockiert und enttäuscht wollte Karski über seine Erlebnisse nie wieder spreche. Er ließ sich in Washington nieder, wo er viele Jahre an der Georgetown University lehrte. Erst Ende der 70er Jahre gelingt es Claude Lanzmann ihn für seinen Dokumentarfilm "Shoah" vor die Kamera zu holen. Erneut betätigt Karski sich als Kurier, diesmal als Kurier der Erinnerung.
Autorenporträt
Marta Kijowska, geboren 1955 in Krakau, lebt seit 1979 in München. Sie studierte Germanistik, war Redakteurin von Kindlers Literatur Lexikon, arbeitet als Journalistin für Zeitungen und Hörfunk und als Übersetzerin aus dem Polnischen. Sie veröffentlichte u. a. die Biographien Andrzej Szczypiorskis (Der letzte Gerechte, 2003) und Stanislaw Lec? (Die Tinte ist ein Zündstoff, 2009) sowie den Essayband Krakau. Spaziergang durch eine Dichterstadt (2005).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Mit großem Interesse hat Cord Aschenbrenner die Biografie des polnischen Nationalhelden und Intellektuellen Jan Karski gelesen, die Marta Kijowska anlässlich seines hundertsten Geburtstags jetzt veröffentlichte. Besonders hebt der Rezensent den gelungenen Versuch der Autorin hervor, die Person Karski in ihrer Vielschichtigkeit zu porträtieren. So interessierte bei der Recherche, meint Aschenbrenner, nicht nur der mutige Einsatz Karskis im Zweiten Weltkrieg und sein Bestreben die Judenvernichtung publik zu machen, sondern auch der Mensch, der sich dahinter verbarg und der aus jener zentralen - doch in Deutschland fast vergessenen - Figur in der Nachkriegszeit wurde. Ebenfalls lobend erwähnt der Rezensent die "Sympathie", mit der die Autorin Karski beschreibt - ohne dadurch ihren kritischen Blick zu verlieren - sowie die vielen Stimmen von Zeitzeugen, die in die Beschreibung einfließen und diese abwechslungsreich sowie spannend machen.  Dieses Buch ist ein wunderbarer Anlass, sich mit diesem "mutigen Mann" näher auseinanderzusetzen, meint der Kritiker.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2014

Kurier zwischen den Fronten
Wie der Pole Jan Karski die Westalliierten über den Holocaust informierte

Die Karriere des jungen Warschauer Diplomaten wurde durch Hitlers Überfall auf Polen jäh beendet.

Über sein wechselvolles Leben ist schon in verschiedenen Medien berichtet worden. Die Eckdaten seiner Biographie sind bekannt: Der 1914 in Lodz geborene Jan Kozielewski wurde im Zweiten Weltkrieg als Offizier der polnischen Heimatarmee unter dem Decknamen Jan Karski in geheimer Mission nach London und Washington geschickt. Er sollte die Westalliierten mit detaillierten Nachrichten über die polnische Untergrundbewegung und das Schicksal der Juden unter deutscher Besatzung versorgen. Er wurde zwar in London und Washington empfangen, doch seine Hoffnung auf militärische Intervention der Alliierten zugunsten der vom Genozid bedrohten Menschen erfüllte sich nicht. Man schenkte seinen Berichten keinen Glauben.

Aus der Feder der in Krakau geborenen und in München lebenden Journalistin Marta Kijowska ist jetzt eine neue Biographie über Jan Karski erschienen. Was zeichnet das Buch aus? Während sich die älteren Publikationen weitgehend auf Karskis Leben unter Kriegsbedingungen konzentrieren (Story of a Secret State, Einer gegen den Holocaust), legt Kijowska die erste deutschsprachige Biographie vor, "die sein ganzes Leben erzählt, auch die frühen Jahre und die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg". Dank akribischer Recherchen auf breiter Quellenbasis kann die Verfasserin Karskis Kindheit, die "einjährige" Militärdienstzeit und seine 1936 beginnende Diplomatenlaufbahn nicht nur sachkundig, sondern auch anschaulich und einfühlsam schildern.

Die Berufung des jungen Diplomaten ins Außenministerium benutzt Kijowska, um das pulsierende Leben in der polnischen Hauptstadt Anfang 1939 facettenreich vorzustellen: Warschau sei ja das "Paris des Ostens" gewesen, die Stadt der eleganten Geschäfte und der noblen Hotels, "der Bälle, Dinners und Modeschauen, der Smokings und Galauniformen, der Kabaretts, Tanzlokale und Nachtklubs". Dagegen sei die nahende Katastrophe eines Krieges kaum zur Kenntnis genommen worden. "Wieso sollte man sich auch ernsthaft Sorgen machen? Für die Lösung der außenpolitischen Probleme waren Politiker, Diplomaten und Militärs zuständig, und die gaben sich ja stets optimistisch." Diese Darstellung bestätigte Karski kurz vor seinem Tode (2000) ausdrücklich: "Heute würden meine einstigen Kollegen es vermutlich abstreiten, aber damals herrschte im Ministerium wirklich eine Atmosphäre des Optimismus. Es hieß: Hitler blufft ja nur." Karskis hoffnungsvolle Karriere im diplomatischen Dienst wurde durch Hitlers Überfall auf Polen und die Flucht der polnischen Regierung nach London jäh beendet. Um die Exilregierung mit glaubwürdigen Informationen über die deutsche Besatzungspolitik zu versorgen, ließ er sich vorübergehend in das Warschauer Getto einschleusen. Seine schriftlichen und mündlichen Berichte ließen jedoch die Adressaten in London und Washington unbeeindruckt. Auch die amerikanischen Juden sollen sich zurückgehalten haben, "weil sie sich vor den Juden aus Osteuropa gefürchtet hätten".

Über seine Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg hat sich Karski nach 1945 nicht mehr öffentlich geäußert. Er hatte jedoch eine feste Meinung darüber, berichtet Marta Kijowska, "warum die Rettung der Juden damals nicht möglich gewesen war". Sie habe einfach nicht in den Rahmen der alliierten Strategien gepasst, deren Hauptziele geheißen hätten: bedingungslose Kapitulation der Deutschen, geringe eigene Verluste und schnelle Beendigung des Krieges. "Und vor allem die Nicht-Gefährdung der britisch-amerikanisch-sowjetischen Allianz." Wer über die diffizilen Beziehungen zwischen Polen, Großbritannien, den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion zwischen 1938 und 1946 mehr wissen will, dem sei das spannende Buch von Marta Kijowska uneingeschränkt empfohlen.

HANS-JÜRGEN DÖSCHER

Marta Kijowska: Das Leben des Jan Karski. Kurier der Erinnerung. Verlag C.H. Beck, München 2014. 382 S., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Wer ihn einmal gehört hat, wird ihn nie mehr vergessen
Marta Kijowskas Biographie von Jan Karski, der den Alliierten vom Warschauer Getto und den Vernichtungslagern berichtete

Jan Karski (eigentlich Kozielewski) wäre letzte Woche hundert Jahre alt geworden. Er war ein eleganter, sympathischer und heroischer Repräsentant der polnischen Bourgeoisie der Zwischenkriegszeit. Das soziale Milieu dieser Familien hatte zusammen mit den liberalen Fraktionen des polnischen Adels die zweite Republik getragen und die kulturelle Blüte jener Jahre geprägt. Ihre ästhetischen und moralisch-politischen Werte sind bis heute eines der wichtigsten immateriellen Erbstücke unseres östlichen Nachbarlands. Wenig später - man weiß es, aber man macht sich nicht oft klar, was es politisch und kulturell bedeutet hat - haben Stalin und Hitler die europäisch gesinnte Bildungselite Polens in einer Serie von Großverbrechen (von denen Auschwitz und das sowjetische Massaker von Katyn nur die bekanntesten sind) fast vollständig vernichtet.

Marta Kijowska legt jetzt die materialreiche und gut geschriebene Biographie eines polnischen Gentleman der Zwischenkriegsjahre vor, der die Jahre der Doppelokkupation Polens durch Nazideutschland und durch die Sowjetunion nicht nur überlebte, sondern später in den Vereinigten Staaten als Professor der Georgetown University und bis zu seinem Tod im Jahr 2000 die Erinnerung an die Jahre der zweiten polnischen Republik wachhielt und verkörperte.

Wer Claude Lanzmanns Film "Shoah" gesehen hat, wird das Interview mit Jan Karski nicht vergessen können, in dessen Verlauf er von den entsetzlichen Erinnerungen an seinen Besuch im Warschauer Getto mehrmals übermannt wird. Er hatte sich in Begleitung von Vertretern des jüdischen Widerstands durch einen Tunnel in diese Hölle begeben, um als Kurier der polnischen Heimatarmee der Londoner Exilregierung und den westlichen Politikern aus erster Hand über die Lage der Juden unter der deutschen Besetzung berichten zu können. Diese Berichte haben unglaublicherweise nicht nur in London, sondern später auch in den Vereinigten Staaten zum größten Teil merkwürdig beiläufige und halb desinteressierte Reaktionen hervorgerufen.

Dass der junge Diplomat und Offizier der Heimatarmee damals die Westmächte über den Holocaust informiert hat, ist trotzdem seine eigentliche historische Leistung gewesen, der weltgeschichtliche Moment des Jan Karski, auch wenn dieser Moment damals politisch und militärisch weitgehend folgenlos vorübergegangen ist. Wie ja auch das zweite Ziel des polnischen Untergrundstaats und der Londoner Exilregierung, nach dem gemeinsam mit den Westmächten gewonnenen Krieg ein demokratisches Polen wiederherzustellen, eine derartig halbherzige Unterstützung seitens der Demokratien erfuhr, dass Stalin das Land für lange Jahrzehnte der totalitären Machtsphäre einverleiben konnte.

In ihrer biographischen Erzählung hält sich Kijowska bis 1944 eng an Jan Karskis mittlerweile klassisch gewordene Autobiographie "Mein Bericht an die Welt: Geschichte eines Staates im Untergrund", deren brillante Prosa sie teils zitiert, teils paraphrasiert, teils mit Augenzeugenberichten und sogar literarischen Kurzauftritten anderer Autoren anreichert - eine Erzähltechnik, die in gelungener Weise an Verfahren des historischen Dokumentarfilms anknüpft. Die bleierne Zeit des Kalten Kriegs nach 1945, die Jahrzehnte einer prekären Stabilisierung der polnischen Volksrepublik, verbrachte Karski in den Vereinigten Staaten - als Zeitzeuge und als Professor an der School of Foreign Service in Georgetown. Er war ein wissenschaftlicher Gewährsmann der amerikanischen Sowjetologie, Marxismusforschung und psychologischen Kriegsführung, Berater des Pentagon und von Radio Free Europe. Bill Clinton studierte bei ihm, Madeleine Albright wurde seine Nachfolgerin, und er schrieb ein Standardwerk zur polnischen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. 1965 heiratete er die jüdisch-polnische Tänzerin Pola Nirenska.

Über seine Missionen als Kurier des polnischen Untergrunds sollte er erst in den späten siebziger Jahren wieder öffentlich sprechen. Claude Lanzmann suchte die Bekanntschaft des mittlerweile emeritierten Autors von "Story of a Secret State. My Report to the World" und überredete ihn, sich für "Shoah" interviewen zu lassen. Sein durch diesen Film erneuerter öffentlicher Ruhm trug ihm die Ehrung durch Israel als "Gerechter unter den Völkern" ein, führte ihn auf ausgedehnte Vortragsreisen (auch nach Deutschland, das er jahrzehntelang nicht betreten hatte) und schließlich auch wieder auf erste offizielle Besuche in seiner alten Heimat, wo er nach 1990 zu einem elder statesman des neuen Polen wurde.

In dieser letzten Phase seines Lebens ist Karski - wie andere große Figuren des intellektuellen und politischen Polen - nationales Denkmal und Ketzer zugleich gewesen. Er sah Polen von seiner zweiten, der amerikanischen Heimat aus. Er redete seinen Landsleuten nicht nach dem Mund, und er sagte über die nationalen Mythen, was er aufgrund seiner persönlichen Erfahrung wusste und dachte. Das galt für die Beurteilung des Warschauer Aufstands ebenso wie für die Präsidentschaft Lech Walesas. Die Kandidatur Aleksander Kwasniewskis unterstützte Karski zum Entsetzen vieler seiner Bewunderer, und die Geschichte sollte ihm recht geben, denn es war der Postkommunist Kwasniewski, der Polen erfolgreich und umsichtig in die Nato und in die EU geführt hat.

Als Träger der höchsten polnischen Auszeichnung, des Weißen Adlerordens, machte Karski sich unbeliebt, indem er immer wieder betonte, er persönlich hätte dieselbe Ehre sowohl Lech Walesa als auch General Wojciech Jaruzelski zuerkannt, denn ihnen gemeinsam sei es zu verdanken, dass sich Polen ohne Blutvergießen von einer Diktatur zu einer Demokratie gewandelt habe. "Ich bin schon ein alter Mann", schrieb er an Jaruzelski, "habe 84 Jahre auf dem Buckel. Mein Herz schlägt polnisch, aber meine Weltanschauung verdanke ich meiner zweiten Heimat Amerika, von der ich so viel Freundlichkeit und Anerkennung erfahren habe. Wahrscheinlich deshalb betrachte ich den Lauf der Dinge in Polen anders als viele Patrioten, die dort leben. Ich sehe den Wald, sie - die Bäume."

Historiker, heißt es, seien rückwärtsgewandte Propheten. Aber wer Geschichte betrachtet, macht sich unwillkürlich auch Gedanken über historische Paralleluniversen und mögliche Geschichtsverläufe. Wer auf das Jahrhundert Hitlers und Stalins zurückschaut, dem drängt sich das Gedankenexperiment auf, dass es auch das Jahrhundert Jan Karskis hätte werden können. Marta Kijowskas schöne Biographie des Diplomaten, Untergrundkämpfers, Kuriers, Politikers und Wissenschaftlers ist eine Art Lesebuch über die besseren Möglichkeiten der letzten hundert Jahre.

STEPHAN WACKWITZ

Marta Kijowska: "Kurier der Erinnerung". Das Leben des Jan Karski.

Verlag C. H. Beck, München 2014. 382 S., Abb., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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