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Das im Jahre 2000 erschienene Buch "Nachbarn" des Soziologen Jan T. Gross über das Pogrom von Jedwabne hat in Polen eine intensive Debatte über den Zweiten Weltkrieg sowie das Verhalten der christlichen polnischen Bevölkerung gegenüber der jüdischen Mitbevölkerung ausgelöst. Auf die Thesen von Gross hat das Warschauer Institut für Nationales Gedenken (IPN) mit einer intensiven Forschungstätigkeit reagiert, die Ergebnisse der Forschungen wurden Ende 2002 in Polen veröffentlicht. Der vorliegende Band präsentiert - erstmals in deutscher Sprache - einen Teil dieser neuen Forschungsergebnisse…mehr

Produktbeschreibung
Das im Jahre 2000 erschienene Buch "Nachbarn" des Soziologen Jan T. Gross über das Pogrom von Jedwabne hat in Polen eine intensive Debatte über den Zweiten Weltkrieg sowie das Verhalten der christlichen polnischen Bevölkerung gegenüber der jüdischen Mitbevölkerung ausgelöst. Auf die Thesen von Gross hat das Warschauer Institut für Nationales Gedenken (IPN) mit einer intensiven Forschungstätigkeit reagiert, die Ergebnisse der Forschungen wurden Ende 2002 in Polen veröffentlicht. Der vorliegende Band präsentiert - erstmals in deutscher Sprache - einen Teil dieser neuen Forschungsergebnisse renommierter polnischer Historiker zu der ersten Phase der Judenvernichtung in Nordostpolen nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Sommer 1941. Pawel Machcewicz gibt einen Überblick über die aktuelle Debatte polnischer Historiker um das Jedwabne-Pogrom. Edmund Dmitrcw untersucht die Vernichtungspolitik deutscher Einsatzgruppen im Gebiet von Lomza und Bialystok im Sommer 1941. Tomasz Szarota hat für den Band ein umfangreiches wissenschaftliches Kalendarium zum Mord in Jedwabne und zur juristischen, politischen und wissenschaftlichen Aufarbeitung dieses Ereignisses erstellt.
Autorenporträt
EDMUND DMITRÓW, geb. 1949, Dr. habil., Historiker und Politologe; Dozent am Institut für Politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Mitarbeiter des Instituts für Nationales Gedenken; 1992-1994 stellvertretender Vorsitzender der Stiftung "Polnisch-Deutsche Aussöhnung"; seit 2002 im Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. PAWEL MACHCEWICZ, geb. 1966, Dr. habil., Historiker; 1999-2000 Mitarbeiter des Instituts für Politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften; seit August 2000 Direktor des Büros für Bildung und Forschung am Institut für Nationales Gedenken, Warschau. TOMASZ SZAROTA, geb. 1940, Prof., Historiker, Leiter der Abteilung Geschichte Polens nach 1945 am Historischen Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau. In der fibre-Reihe "Klio in Polen" erschien seine Monographie "Der deutsche Michel. Die Geschichte eines nationalen Symbols und Autostereotyps".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.03.2005

Deutsch-Polnisches Massaker
Am 10. Juli 1941 wurde die Mehrheit der jüdischen Einwohner des ostpolnischen Städtchens Jedwabne ermordet. Ein Teil wurde erschlagen, die Mehrheit fand den Tod in einer Scheune, die angezündet wurde. Über dieses Massaker hat der aus Warschau stammende amerikanische Politologe Jan T. Gross 2000 ein Buch mit dem Titel „Nachbarn” vorgelegt. Hauptthese: Ohne Dazutun der deutschen Besatzer sei die katholische Hälfte der Einwohnerschaft über die jüdische hergefallen, 1600 Menschen seien auf bestialische Weise ermordet worden. Das Buch löste die heftigste Debatte der jungen polnischen Demokratie aus. Es ging um nichts Geringeres als eine mögliche Mittäterschaft beim Holocaust.
Da indes viele Fragen nicht geklärt waren, startete das Institut für das Nationale Gedächtnis (IPN), das polnische Gegenstück zur Gauck/Birthler-Behörde, eine Untersuchung. Sie ergab, dass die Zahl der Opfer wie der Täter wesentlich kleiner war. Vor allem aber wurde nachgewiesen, dass die Rolle der Deutschen keineswegs eine passive war. Denn im Sommer 1941 graste ein SS-Einsatzkommando unter Führung des Obersturmführers Hermann Schaper systematisch die Region ab, mit dem Ziel, die Juden zu ermorden. In mehreren Orten, darunter in Jedwabne, gelang es der SS, Einheimische zu Mordtaten anzustiften, nachdem diesen Straffreiheit und die Übernahme des Besitzes ihrer jüdischen Nachbarn zugesichert wurde. Jedwabne war also kein polnisches Verbrechen, sondern ein deutsch-polnisches. In anderen Orten führte das Kommando selbst Massenexekutionen durch.
Der IPN-Bericht liegt nun auf Deutsch vor, eingebettet in eine Darstellung der Einsatzgruppen in diesem Teil Europas. Auch ist die Biografie Schapers darin nachgezeichnet: Er wurde zwar wegen der Beteiligung an der Ermordung von Juden und Polen vor drei Jahrzehnten zu einer Haftstrafe verurteilt, doch wurde das Urteil wegen eines Formfehlers aufgehoben. Schaper lebt, mittlerweile 93 Jahre alt, in einem Altersheim bei München, einer von vielen NS-Tätern, die nie bestraft wurden.
THOMAS URBAN
EDMUND DMITROW / PAWEL MACHCEWICZ / TOMAS SZAROTA: Der Beginn der Vernichtung. Zum Mord an den Juden in Jedwabne und Umgebung im Sommer 1941. Neue Forschungsergebnisse polnischer Historiker. Fibre-Verlag, Osnabrück 2004. 261 Seiten, 19,50 Euro.
Der New Yorker jüdische Cantor Joseph Malovany sang im Jahr 2001 bei den Trauerfeierlichkeiten in Erinnerung an den Massenmord in Jedwabne Psalmen.
Foto: AP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Im Jahr 2000 hatte der polnische Politologe Jan Tomasz Gross nachgewisen, dass das Massaker von Jedwabne, bei dem am 10. Juli 1941 1600 Menschen ums Leben kamen, von der polnischen Bevölkerung des Ortes begangen worden war. In Polen löste das Buch heftige Debatten aus. War Polen etwa am Holocaust beteiligt? Der Bericht des polnischen Instituts für das Nationale Gedächtnis (IPN) schafft nun Klarheit, wie Thomas Urban schreibt. Polen waren an den Untaten beteiligt; angestiftet wurden sie jedoch von SS-Einsatzkommandos, so das Ergebnis der Untersuchungen. Als Belohnung stellte die SS den Kollaborateuren Straffreiheit in Aussicht - und das Hab und Gut der Opfer. Ein deutsch-polnisches Verbrechen also. Der Bericht zeige auch auf, dass die Zahl sowohl der Opfer als auch der Täter "wesentlich kleiner" war als angenommen.

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