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Aus der Einleitung von Michèle Fleury-Seemuller Zeichen der Hoffnung Fast fünfzig Jahre lang blieb das Tagebuch von Friedel Bohny-Reiter in der Schublade liegen. Als ich mir bewußt wurde, daß es verschwinden könnte und man nie davon erfahren würde, daß eine junge Schweizer Frau 1942 in einem Interniertenlager im Süden Frankreichs als Krankenschwester gearbeitet hat, wollte ich sie kennenlernen. Ich besuchte sie in Basel, wo sie seit vielen Jahren mit ihrem Mann wohnt, den sie seinerzeit in Frankreich kennenlernte. Sie ist achtzig Jahre alt und malt - viele Landschaften, die Wüste Algeriens,…mehr

Produktbeschreibung
Aus der Einleitung von Michèle Fleury-Seemuller Zeichen der Hoffnung Fast fünfzig Jahre lang blieb das Tagebuch von Friedel Bohny-Reiter in der Schublade liegen. Als ich mir bewußt wurde, daß es verschwinden könnte und man nie davon erfahren würde, daß eine junge Schweizer Frau 1942 in einem Interniertenlager im Süden Frankreichs als Krankenschwester gearbeitet hat, wollte ich sie kennenlernen. Ich besuchte sie in Basel, wo sie seit vielen Jahren mit ihrem Mann wohnt, den sie seinerzeit in Frankreich kennenlernte. Sie ist achtzig Jahre alt und malt - viele Landschaften, die Wüste Algeriens, die Camargue, Erinnerungen ihrer zahlreichen Reisen - und heute noch Bilder vom Lager in Rivesaltes. Sie schreibt weiter in ihrem Tagebuch, wie sie es seit ihrer Jugend tut. Sie vertraute mir zwei dicke Schulhefte an, ein blaues und ein braunes. Das erste beginnt mit einer Notiz vom 6. Juli 1940 in Florenz, wo Friedel als Kinderschwester in einer italienischen Familie arbeitete und endet mit dem 13. Dezember 1941 im Interniertenlager in Rivesaltes. Das andere, viel dicker, handelt fast ausschließlich von ihrer Arbeit im Lager bis zu dessen Schließung Ende 1942. Ich war tief berührt, als ich diese Hefte las. In meiner Hand war ein Dokument, das von einer schrecklichen Zeit sprach. Tag für Tag notiert Friedel das Leiden der Internierten - ihren Kampf gegen Krankheit, Schmutz, Unterernährung und vom August 1942 an gegen den Abtransport der Juden - Männer, Frauen und Kinder -, der in die Todeslager führte. Zugleich entdeckte ich in der Autorin eine junge Frau, die nicht aufhörte, in diesem Elend ein Zeichen der Hoffnung zu suchen, die sich über einen Strauß Papierblumen freute, den ihr ein Kind hingestreckt hatte, über einen Sonnenaufgang, über Hündchen, die im Lager geboren werden. Als die Spannungen am größten waren, lernte sie August Bohny kennen, ihren künftigen Mann, der in Chambon-sur-Lignon für die Heime der Kinderhilfe verantwortlich war. Es handelt sich also um ein richtiges Tagebuch, worin man alles niederschreibt, ein Tagebuch einer erstaunlichen Frau, die sich in einer außergewöhnlichen Situation befand. Je weiter mich meine Lektüre führte, desto dringender schien es mir, diese Geschichte mit anderen teilen zu müssen. Friedel Bohny-Reiter zögerte lange, ihr Einverständnis zur Veröffentlichung zu geben. Sie zweifelte daran, das ihr altes Tagebuch für andere interessant sein könnte; sie fand es zu persönlich, ...
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Autorenporträt
Ich wurde 1912 in Wien geboren. Zu Anfang des Ersten Weltkrieges 1914 mit anderen Kindern aus der Hauptstadt des Kaiserreiches evakuiert, verbrachte ich die Kriegsjahre in der Nähe von Melk an der Donau. Mein Vater, den ich kaum kannte, fiel an der Front. Ich kehrte 1919 nach Wien zurück, in die überdimensionale Hauptstadt eines verlorenen Reiches, wo revolutionäre Un-ruhen und Hunger herrschten. Diese schreckliche Not, welche die Kinder Wiens quälte, führte dazu, Kinderzüge in die Schweiz zu organisieren, und so fuhr ich 1920 nach Kilch-berg am Zürichsee zu einer Familie, bei der ich schließlich bis zu meinem 24. Altersjahr blieb. Ich wurde in Zürich als Kinderschwester ausgebildet und arbeitete dann während eineinhalb Jahren in meinem Beruf in Florenz. Nach meiner Rückkehr in die Schweiz meldete ich mich bei der 'Arbeitsge-meinschaft für kriegsgeschädigte Kinder', die mich in das Lager von Rivesaltes schickte. Ich erinnere mich gut, wie nach der Schließung des Lagers Ende November 1942 eine große Leere in mir zurückblieb. Alle die Menschen, mit denen ich hoffte und die mir viel bedeutet hatten, waren fort, verschwunden. Doch blieb wenig Zeit zum Nachdenken und Grübeln. Neue Arbeit wartete. Es wurde mir die Leitung eines der von August Bohny eingerichteten Kinderheime in Le Chambon sur Lignon in den Nord-Cevennen anvertraut.