Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 2,09 €
  • Audio CD

4 Kundenbewertungen

Sein Verleger will, dass er einen Krimi schreibt, seine Freundin will endlich ein Kind von ihm und seine 87-jährige Mutter bessert ihr Konto wahrhaftig mit Telefonsex auf. Und nun wollen auch noch drei illegal in Schweden lebende Flüchtlingsmädchen bei ihm das Schriftstellern erlernen! Nein, Jesper Humlin, Lyriker und Schöngeist, hat es im Moment nicht leicht! Stefan Wilkening, Ensemble-Mitglied des Bayerischen Staatsschauspiels München, liest mit Humor diese ironische Geschichte über die tragikomischen Irrungen und Wirrungen des Lebens.

Produktbeschreibung
Sein Verleger will, dass er einen Krimi schreibt, seine Freundin will endlich ein Kind von ihm und seine 87-jährige Mutter bessert ihr Konto wahrhaftig mit Telefonsex auf. Und nun wollen auch noch drei illegal in Schweden lebende Flüchtlingsmädchen bei ihm das Schriftstellern erlernen! Nein, Jesper Humlin, Lyriker und Schöngeist, hat es im Moment nicht leicht!
Stefan Wilkening, Ensemble-Mitglied des Bayerischen Staatsschauspiels München, liest mit Humor diese ironische Geschichte über die tragikomischen Irrungen und Wirrungen des Lebens.
Autorenporträt
Henning Mankell, 1948 als Sohn eines Richters in Stockholm geboren, wuchs in Härjedalen auf. Als 17-jähriger begann er am renommierten Riks-Theater in Stockholm das Regiehandwerk zu lernen. 1972 unternahm er seine erste Afrikareise. Sieben Jahre später erschien sein erster Roman "Das Gefangenenlager, das verschwand". In den kommenden Jahren arbeitete er als Autor, Regisseur und Intendant an verschiedenen schwedischen Theatern. 1985 wurde Henning Mankell eingeladen, beim Aufbau eines Theaters in Maputo, Mosambik, zu helfen. Er begann zwischen den Kontinenten zu pendeln und entschied sich schließlich, überwiegend in Afrika zu leben. Dort ist auch der größte Teil der Wallander-Serie entstanden. Außerdem schrieb Henning Mankell Jugendbücher, von denen mehrere auch in Deutschland ausgezeichnet wurden. 2009 erhielt er den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis. Henning Mankell verstarb im Oktober 2015.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.04.2003

Keine Metapher zu verzollen
Larmoyantes Vibrato: Henning Mankell tut des Guten zuviel

Noch nie hat Henning Mankell sich selbst so preisgegeben wie in seinem neuen Buch, das mit dem Verzicht auf eine Gattungsbezeichnung die Schwebe zwischen Fiktion und Dokumentation hält. Und noch nie ist ihm ein Buch derart mißraten. Sein Protagonist und fiktiver Verfasser ist der von erotischen und literarischen Krisen, von seiner Eitelkeit und seinem Verleger gebeutelte Jesper Humlin, ein erfolgreicher Autor, der sich weigert, einen Kriminalroman zu schreiben. Während eines Schreibkurses für Einwanderer lernt er Flüchtlingsmädchen kennen, die aus Afrika, Rußland und dem Mittleren Osten nach Schweden gekommen sind, mit zerstörten Lebensgeschichten und beschädigten Identitäten. Eine von ihnen hat sich, halb aus Angst, halb aus Trotz, den Unsinnsnamen "Tea-Bag" zugelegt; ihre Geschichte und ihre Beziehung zu Humlin bilden das Zentrum des Buches. An dessen Ende werden die Mädchen zwar kaum etwas geschrieben, dafür aber viel erzählt und dem Autor Stoff nicht nur für ein neues Buch, sondern auch für eine neue Lebenseinstellung geliefert haben.

Er wolle, beschließt der Dichter Humlin, den Flüchtlingen "helfen, ihre eigenen Geschichten zu erzählen". Hätte er das nur getan und nicht diese Hybridform aus Roman und Reportage gewählt! Denn das Mißglückteste an diesem mißglückten Unternehmen sind die Ich-Erzählungen der drei Einwanderinnen, deren unliterarische Spontaneität der Erzähler nicht genug betonen kann, die dann aber doch immerfort reden, als hätten sie zuviel Mankell gelesen. Ernstlich spricht hier eine afrikanische junge Frau von "dem seltsamen Gefühlsleben des weißen Mannes" und den Augen ihrer Großmutter, "Augen, von denen man langsam wie in einen Wasserfall hineingesogen wurde und dann geradewegs in ihre Seele hineintrieb".

Unbegreiflich, wie diesem Schriftsteller, der so lange in Afrika gelebt und so Kluges darüber geschrieben hat, solche Sätze aufs Papier geraten konnten. Unbegreiflich erst recht, daß ausgerechnet ihm immer wieder Klischees unterlaufen, die direkt aus dem Vorrat des Kolonialromans stammen. Das Weibliche, das Dunkle, die Mutter Erde gehen auch in dieser Geschichte manche unangenehmen Verbindungen ein. Dann erkennt der Erzähler, daß "ihre Stimme die Stimme der Erde war, der Erde und des Schmerzes", dann kann er "nicht umhin festzustellen, daß sie einen sehr schönen Körper hatte", und dann läßt er sie selbstvergessen ihren Gedanken nachhängen, "während sie sich ihren schwarzen Körper einseifte" - aber hätte ihm nicht auffallen müssen, wie deplaziert hier das Adjektiv ist?

Von der ersten Seite an sind es die falschen Metaphern, die jedes Bemühen um Authentizität durchkreuzen. Hier zieht sich "ein Bilderreigen der Erinnerungen", zwischen "Mauern aus Angst", durch einen "Laderaum voller Träume", und da ist das erste Kapitel noch längst nicht vorüber. Auf die Frage, wie lange sie sich schon in Schweden aufhalte, antwortet Tea-Bag: "Ein paar Monate. Oder tausend Jahre." Das larmoyante Vibrato, das in den Wallander-Romanen schon eine fast selbstironische Qualität gewonnen hatte - in dieser todernsten Geschichte klingt es auf einmal unerträglich.

Fast alles an diesem Buch ist falsch, nur die Absichten sind es nicht. Dasselbe humanitäre Engagement, das der Autor seit vielen Jahren mit seiner Theaterarbeit in Zimbabwe wie mit seinen beiden ungleich gelungeneren Afrika-Romanen bewiesen hat, bildet zweifellos Grundlage auch dieses Buches. Es erzählt von entsetzlichem Elend, von Erniedrigungen und Entwürdigungen, es soll aufrütteln durch Einfühlung, und es soll die Gefühlsverwirrungen eines populären Schriftstellers offenlegen. Es ist getragen von Hilfsbereitschaft, vom Wunsch, den Untergetauchten und Illegalen in den Vorortghettos und den Sammellagern Europas zur Sprache zu verhelfen, und es ist bemüht, nichts zu beschönigen, auch die Charaktere der Heldinnen nicht. Das Ergebnis gerade dieses Bemühens aber bringt immer neue Kolportagen hervor. Deren Tiefpunkt ist der nicht nur erzählerisch völlig deplazierte Einfall, die greise Mutter des Helden als Telefonhure zu präsentieren, die ihre Rente allnächtlich durch obszöne Gespräche mit alten Herren aufbessert; ein ebenso geschmackloses wie blindes Motiv.

Einen Lichtblick gibt es aber doch, und das ist die mit den Flüchtlingserzählungen nur sehr lose verknüpfte Satire auf den Literaturbetrieb, die überraschend prägnant und witzig geraten ist. Mankells Nachbemerkung erwähnt einige unabgeschlossene Erzählungen, die "in die Buchseiten eingewoben" seien; diese Passagen gehören offensichtlich dazu. Und sie allein geben Anlaß zur Zuversicht, für den schreibenden Helden wie für die unverdrossenen Liebhaber des Moralisten Mankell. Denn trotz der "Gewitterwolken, die ständig an seinem inneren Himmel hingen", und obwohl "die Freiheit immer auf der Flucht ist" - am Ende wartet doch das "Wunder, das Liebe ist".

HEINRICH DETERING

Henning Mankell: "Tea-Bag". Roman. Aus dem Schwedischen übersetzt von Verena Reichel. Zsolnay Verlag, Wien 2002. 381 S., geb., 23,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr