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Produktdetails
Trackliste
CD
1LUV XXX00:05:18
2Oh Yeah00:03:40
3Beautiful00:03:04
4Tell Me00:03:45
5Out Go The Lights00:06:55
6Legendary Child00:04:13
7What Could Have Been Love00:03:44
8Street Jesus00:06:43
9Can't Stop Lovin' You (Duet With Carrie Underwood)00:04:04
10Lover Alot00:03:35
11We All Fall Down00:05:13
12Freedom Fighter00:03:20
13Closer00:04:04
14Something00:04:37
15Another Last Goodbye00:05:46
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Man lebt nur neunmal

Seit vierzig Jahren erfreuen Aerosmith mit rotzfrecher Musik. Jetzt drehen sie wieder voll auf: Nach elf Jahren gibt es erstmals eine Platte mit eigenen Liedern - ein Hardrock-Monster alter Schule.

Von Edo Reents

Vor ein paar Jahren sah es tatsächlich so aus, als wären sie ihn los. "Soweit ich weiß, hat Steven aufgegeben", behaupte Joe Perry. Nichts genaues wusste man aber nicht. Steven Tyler war eines Abends von der Bühne gefallen, musste mit gebrochener Schulter ins Krankenhaus, und die Tournee natürlich abgebrochen werden, der Kontakt zur Band brach dann irgendwie ab, es tauchte eine Solosingle auf ("Love Lives"), die aber eher ein Grund gewesen wäre, den Alleingang schnell wieder zu beenden (ohne Perrys rasiermesserscharfen Riffs bringt das alles eben nichts), und zur Krönung dieser ganzen Entfremdelei stieg Tyler dann noch hinunter in die tiefsten Tiefen der Juror-Tätigkeit bei der Sendung "American Idol".

Hatte er das nötig? Offenbar. Obendrein ging es ihm gesundheitlich noch schlechter als sonst. Aber das alles wäre kein Grund gewesen, dass Joe Perry dann die Stirn hatte, zu sagen, die Band könne nicht nur ohne Tyler weitermachen, sondern werde dann erst "richtig aufdrehen", das war zu viel. Nichts gegen Sammy Hagar, der damals im Gespräch war - aber sollte der fortan "Rag Doll" raushauen?

Aerosmith ohne Steven Tyler, das ist jedenfalls noch undenkbarer als Keith ohne Mick, Dick ohne Doof, Dings ohne Bums. Aber dazu kam es dann doch nicht. 2010 meldete Tyler sich zurück zum Dienst, und jetzt, nach elf Jahren ohne eine Platte mit eigenen Liedern - "Honkin' On Bobo" (2004), die exzellente Kollektion aus zusammengeklauten, hochphonigen Bluesnummern sollte trotzdem nicht vergessen werden -, gibt es wieder ein richtiges Aerosmith-Album: "Music From Another Dimension" ist, wie das godzillaähnliche Wesen auf dem Comic-Cover, ein Rock-'n'-Roll-Monster alter Schule. Täppisch und breitbeinig stapft es auf uns zu, als hätte es Äonen im Eis überwintert und gewisse Entwicklungen, die es in den vergangenen vierzig Jahren doch unzweifelhaft gab, wie ein zufriedenes Baby verschlafen.

Hat es denn etwas verpasst? Wenn, dann nicht viel. Die Aerosmith-Masche aus Dreist- und Überdrehtheit sowie Witz, erstmals angewandt 1973, funktioniert immer noch, besser sogar als bei Kiss, den anderen großen, gleichfalls noch passabel erhaltenen Hardrock-Entertainern der Siebziger, die im selben Jahr debütierten und unlängst ebenfalls nachgelegt haben, wobei "Monster" (so heißt die neue Kiss-Platte wirklich), dann doch, wie sagt man?, etwas eindimensionaler ist, weil es durchweg auf die Zwölf zielt.

Das taten Aerosmith von Anfang an nicht. Die zweite oder dritte Karriere dieser Band noch im Ohr, kommt es einem heute so vor, als wären sie erst mit dem Doppelalbum "Get A Grip" dazu übergegangen, mit Schmelzballaden, die es freilich an Hinterhältigkeit nicht fehlen ließen, auch die Damenwelt zu erobern, wie es ihnen besonders mit "Amazing" und "Crazy" gelang. In Wahrheit enthielt schon ihre ungehobelte, unterschätzte Debütplatte "Aerosmith" eine damals noch gar nicht so genannte Rockballade. "Dream On" war das erste Lied dieser Art, besinnlich und kraftvoll, wie später alle Bands davon mindestens eines auf jeder Platte hatten. Die Feuerzeuge in den Konzerten gingen ganz von selbst an.

Und bei Aerosmith brannten sie besonders gut. Joe Perry kommentierte das zu Zeiten des Albums "Nine Lives" (1997), als es den Musikern selbst wohl schon zu viel wurde mit den ganzen Balladen: "Als Rockband kannst du heute nur einen Hit haben, wenn die Leute dazu schmusen können" - und wenn man Steven Tyler hat, diese Katze mit den neun Leben. Sie schnurrt jetzt wieder allerliebst und schmiegt sich ans Knie an (wo bei Joe Perry und Brad Whitford wohl immer noch die Gitarren hängen), wie man bei Liedern wie "Tell Me", "What Could Have Been Love" und dem melodiös besonders gefälligen "We All Fall Down" ausprobieren kann. Sie lässt aber auch die Muskeln spielen wie in dem mit sieben Minuten für Aerosmith-Verhältnisse überlangen "Out Go the Lights" und dem sich mächtig daherwälzenden "Something", wobei es hier Joe Perry sein müsste, der singt, obwohl im Booklet, das sonst mit Details nicht geizt, nichts davon steht. Das gilt wahrscheinlich auch für das nun wirklich schon sehr primitive, aber gerade deswegen gute Rockstück "Freedom Fighter".

Gemeinsam mit Tyler und Perry hat Jack Douglas die Platte mitproduziert, der Fachmann fürs Abgefeimte, der schon die Aerosmith-Blockbuster Mitte der Siebziger betreut hat. Auf der neuen Platte wirkt dazu noch jede Menge Prominenz mit, von Julian Lennon bis Johnny Depp, aber niemand in einer tragenden Rolle, denn das hätte diese typische Rotzfrechheit verwässert.

Es stimmt natürlich: Diese Musik ist klischeehaft und im Grunde vielleicht reaktionär. Aber so ist Rockmusik eben, und selbst im Schmusewaschgang gilt: Falsche Gefühle sind besser als gar keine. Schließlich haben Aerosmith anderen Bands etwas voraus: dass sie, wie schon Mitte der Siebziger ganz richtig bemerkt wurde, "die einfachen Rock-Wahrheiten mit Großspurigkeit und Cleverness" servieren. Das gelingt vor allem dank der toxic twins, die noch jedes Tempo mitgehen können: Joe Perrys stakkatohafte Riffs sind extrem kalkuliert und wirken trotzdem unwiderstehlich, und Steven Tylers Hingabe ist nach wie vor unbezahlbar; zuweilen scheint er um sein Leben zu kreischen, wie eine Katze, die ertränkt werden soll. Das ist besonders bei "Another Last Goodbye" zu hören, oberflächlich ein Liebesabschiedslied, aber wohl auch ein Kommentar zum Auflösungs- und Wiedervereinigungswesen, das den Rockbetrieb am Laufen hält. Aerosmith haben diese Spielchen nicht nötig. Ihre Plattenverkäufe müssten bald die Einhundert-Millionen-Marke erreicht haben; unter den großen Bands mit vergleichbarer Lebensdauer sind sie die einzige, die immer noch in Originalbesetzung spielt. Das heißt, für einen Moment gab es sie, wie referiert, auch schon mal nicht. Aber das war ein Fehler, ein Irrtum, undenkbar eigentlich. Diese Platte braucht kein Mensch. Also her damit.

Aerosmith,

Music From

Another

Dimension

Columbia 44281 (Sony Music)

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