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Die Familie eines Nazitäters, 60 Jahre nach Kriegsende. Längst ist die Wahrheit über die Vergangenheit des Vaters aktenkundig, aber unter seinen Verwandten wird sie beschönigt, geleugnet und verdrängt - mit all der Leidenschaft, zu der nur Familienbande fähig sind. Hanns Ludin, Wehrmachtsoffizier, steigt nach 1933 schnell zum SA-Obergruppenführer auf. Ihm werden der Blutorden und andere hohe Weihen des Nazistaates zuteil. 1941 wird er von Hitler als »Bevollmächtigter Minister des Großdeutschen Reiches« in den »Schutzstaat« Slowakei geschickt. Er soll die Interessen Berlins durchsetzen: vor…mehr

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Produktbeschreibung
Die Familie eines Nazitäters, 60 Jahre nach Kriegsende. Längst ist die Wahrheit über die Vergangenheit des Vaters aktenkundig, aber unter seinen Verwandten wird sie beschönigt, geleugnet und verdrängt - mit all der Leidenschaft, zu der nur Familienbande fähig sind. Hanns Ludin, Wehrmachtsoffizier, steigt nach 1933 schnell zum SA-Obergruppenführer auf. Ihm werden der Blutorden und andere hohe Weihen des Nazistaates zuteil. 1941 wird er von Hitler als »Bevollmächtigter Minister des Großdeutschen Reiches« in den »Schutzstaat« Slowakei geschickt. Er soll die Interessen Berlins durchsetzen: vor allem die »Endlösung«. Nach dem Krieg wird Hanns Ludin von den Amerikanern an die Tschechoslowakei ausgeliefert, 1947 zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Diese Tatsachen nimmt sein jüngster Sohn, der Filmemacher Malte Ludin, zum Ausgangspunkt einer schmerzlichen filmischen Auseinandersetzung mit den Legenden, die in der Familie über den Vater kursieren. War er ein Held und Märtyrer oder ein Verbrecher? Auf einmal sind alle bereit zu reden: Die Schwestern, Schwager, Nichten und Neffen ... Es entsteht ein intimes und doch beispielhaftes Filmdokument - ein hochemotionaler Bericht aus dem Inneren einer deutschen Familie. 60 Jahre nach Kriegsende spielt die Hitlerkatastrophe in deren Leben noch immer eine brennend kontroverse Rolle.

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2005

Obduktionen eines Familienleibs
Der Mörder war unter uns: "2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß", Malte Ludins Dokumentarfilm über seinen Nazi-Vater

Die einzige Schwäche des Films "2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß" ist sein harmloser Titel. Dieses aufwühlende Familienporträt, diese Familienobduktion am lebenden Leib, hieße besser "Die Mörder sind immer die anderen", denn das ist sein Thema. Es ist der Film für alle Nachgeborenen, die sich immer fassungslos gefragt haben, warum niemand etwas gewußt haben will, während die Judenvernichtung in vollem Gange war, und warum nach dem Krieg scheinbar keiner dabeigewesen war. Denn dieser Film zeigt, wie Menschen aktiv und wider besseres Wissen bis zum heutigen Tag verdrängen, weil sie sonst emotional zu krepieren glauben.

Malte Ludin, jüngster Sohn des Hanns Ludin, hat einen Film über seine Familie gemacht, darüber, wie sie heute, sechzig Jahre nach Kriegsende, zu diesem ihrem Vater, Schwiegervater und Großvater steht. Hanns Ludin war ein Nazi der ersten Stunde, er konspirierte für Hitler und ging für ihn 1930 ins Gefängnis, er war Blutordensträger und glühender SA-Mann, überlebte und überstand auch den Röhm-Putsch und beschloß seine Karriere auf höchstem Posten: als Gesandter Nazi-Deutschlands in der Slowakei, dem von den Deutschen penibel kontrollierten Satellitenstaat. Nach dem Krieg wurde Ludin von den Amerikanern an die Tschechoslowakei ausgeliefert, als Kriegsverbrecher zum Tod durch den Strang verurteilt und Ende 1947 hingerichtet. Es war das logische Ende dieser Bilderbuch-Nazikarriere.

Seinem Sohn Malte Ludin geht es nun um die Bewertung, die dieser hohe Nazi in der Familie heute erfährt. Das ist das Neue. Ludin nimmt keine wütende Abrechnung mit dem Vater vor wie einst Niklas Frank, sondern eine schmerzhafte und auch für den Zuseher immer quälendere Inspektion der Familie. Zuerst ist das nämlich eine deutsche Familie, wie sie viele haben möchten: eine echte Sippe mit Zusammenhalt, traditionsbewußt, die sich bei Taufen und Hochzeiten an langen Tischen versammelt, am Kopfende Hanns' Witwe Erla, die uneingeschränkte Patronin, eine schöne, gebildete, etwas strenge alte Dame, der Säuglinge gereicht werden, damit es später Fotos davon gebe. "Solange sie lebte, hätte ich mich an diesen Film nicht gewagt", tönt Maltes Stimme aus dem Off, "und sie lebte lange."

Das glaubt man ihm gern. Dabei sind seine drei älteren Schwestern, Barbel, Ellen und Andrea, kaum weniger respekteinflößend. Während der Film, scheinbar gelassen, anhand von Dokumenten und Archivbesuchen Vaterfragmente zusammensetzt, schwillt in den Gegenschnitten eine unheilvolle Konfrontation mit diesen Schwestern an. Denn die drei weigern sich verhement, einen Schatten des Verdachts auf diesen Vater fallen zu lassen, der ihnen so früh genommen wurde und der ihnen ihr Leben lang gefehlt hat. In dieser Hinsicht sind sie loyale kleine Mädchen geblieben. "Er hat nichts gewußt", "er war ein anständiger Mann", auf diese beiden Sätze läuft alles immerzu hinaus. Da genügen keine von diesem Vater abgezeichneten Dokumente, in denen von Deportationen die Rede ist, da ist kein Beweis schlagend genug, nein, "er hat ja nicht mit der Pistole irgendwo gestanden oder den Schlüssel zur Gaskammer gehabt", ruft Schwester Ellen aus, als sie sich im Eck fühlt. Die Kehrseite dieser Argumentation hat jeder Zuseher im Kopf: Hätte er die Pistole oder den Schlüssel gehabt, hätte er nichts dafür gekonnt, wäre er ein hilfloser, zu Tode geängstigter Befehlsempfänger gewesen. Wie man es dreht und wendet: Die Mörder sind immer die anderen.

Das Schlimmste an diesem Film ist das Mitleid, das man trotz aller geäußerter Ungeheuerlichkeiten mit diesen Schwestern empfindet. Auch sie, ihre Seelen, sind Opfer der Bluttaten ihres Vaters. Denn man sieht sie leiden und wanken, in Großaufnahme, immer wieder den Tränen oder der Hysterie nahe, das Tabu und das unbewußte Wissen ist ihnen ins Gesicht geschrieben. "Mein Recht ist, meinen Vater zu sehen, wie ich will, wie ich ihn eben sehe", schreit die besonders wütende, die besonders sture Barbel an einer Stelle, bevor sie sich, Höhepunkt der Lebenslüge, "nicht als Täterkind, sondern als Kind eines Opfers dieser schrecklichen Zeit" bezeichnet. Ja, Vater war ein Nazi und ein Mörder, sie wissen es wohl, aber sie würden nicht ertragen zu sagen, daß sie es wissen. Das Schönste an dem Film, wenn es etwas Schönes geben kann, ist aber die kluge Gelassenheit der Enkel. Die eine, Barbels Tochter, die zu allem Überfluß noch mit dem Namen Benita durchs Leben gehen muß, liebt einen gläubigen Juden aus Amerika. Die Söhne, Malte Ludins Neffen, erinnern sich, daß ihnen der Großvater als Held, als Märtyrer beschrieben wurde, so daß sie ihn in ihrer kindlichen Naivität eine Zeitlang sogar für einen Widerstandskämpfer hielten. Woher sie das damals hatten, wollen ihre Eltern nicht begreifen. "Das hat er wirklich gesagt?" fragt kopfschüttelnd Barbels Mann. Doch diese Enkel können auch, ganz ruhig, formulieren, daß man ihrem Großvater nichts Gutes tut, wenn man seine Taten verharmlost: Denn er selbst hat dazu ja in vollem Umfang gestanden.

Aus diesem Film läßt sich lernen, was der mörderische Wahnsinn des Nationalsozialismus psychisch in den Täterfamilien angerichtet hat und wie das bis heute fortwirkt, das Verschleiern und Lügen und Beschönigen um den Preis der eigenen seelischen Gesundheit. Maltes älteste Schwester hat sich zu Tode gesoffen, Maltes Bruder flüchtete ans andere Ende der Welt und erzählte seinen südafrikanischen Kindern, der Mann, dessen Bild da auf seinem Schreibtisch stand, sei nur ein entfernter Verwandter. Am Ende bleibt von jenem Foto aus den vierziger Jahren mit den sechs blonden, strammen Kindern im Gras, die so fatal an die sechs Goebbels-Kinder erinnern, nur ein großes Unglück.

Viele werden hier vieles wiedererkennen aus ihren eigenen Familien. Es löst und lockert sich aber auch langsam einiges, wie man an den Enkeln sehen kann und an Malte Ludin selbst, dem jüngsten Sohn, der diesen ungeschönten und mutigen Blick in die Geheimnisse seiner Familie überhaupt gewährt. Dafür gebührt ihm der höchste Respekt.

EVA MENASSE

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