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Wolfgang Welsch beschreibt die Strukturen des Ministeriums für Staatssicherheit sowie seiner Auslands-Spionage-Abteilung und geht dabei auf die Mittel und Methoden der Stasi ein, die bis hin zu Entführungen und Mordaufträgen reichten. Im Zentrum seines neuen Buches jedoch steht der Widerstand gegen die SED-Diktatur. Flucht, Fluchthilfe und Ausreise sind für ihn originäre Widerstandshandlungen, wohingegen der Autor der Bürgerrechtsbewegung widerständiges Verhalten weitgehend abspricht. Weder die Kirchen noch die verschiedenen dissidenten Bewegungen leisteten per se Widerstand, sondern neigten…mehr

Produktbeschreibung
Wolfgang Welsch beschreibt die Strukturen des Ministeriums für Staatssicherheit sowie seiner Auslands-Spionage-Abteilung und geht dabei auf die Mittel und Methoden der Stasi ein, die bis hin zu Entführungen und Mordaufträgen reichten. Im Zentrum seines neuen Buches jedoch steht der Widerstand gegen die SED-Diktatur. Flucht, Fluchthilfe und Ausreise sind für ihn originäre Widerstandshandlungen, wohingegen der Autor der Bürgerrechtsbewegung widerständiges Verhalten weitgehend abspricht. Weder die Kirchen noch die verschiedenen dissidenten Bewegungen leisteten per se Widerstand, sondern neigten dazu, das sozialistische System nur reformieren zu wollen. In den Medien, in der Literatur und in der Forschung werden diese Vorgänge teilweise schief und undifferenziert dargestellt, beklagt der Autor. Die gängige Aufarbeitung der SED-Diktatur sei insofern gescheitert, als den SED- und MfS-Opfern nicht Gerechtigkeit in Form einer angemessenen Restitution gewährt wird. Dagegen sind die Täter ungeschoren davongekommen, belastende Akten wurden ungestraft vernichtet. Die Bundesrepublik Deutschland hat es bis heute versäumt, ihr damaliges Versagen gegenüber der Gewaltherrschaft einzugestehen; die Gerechtigkeit ist auf der Strecke geblieben.
Autorenporträt
Wolfgang Welsch, geboren 1944, absolvierte die Oberschule und studierte in Ost-Berlin Schauspiel, bis er nach einem Fluchtversuch 1964 von der Stasi verhaftet wurde. Nach seinem Freikauf 1971 studierte er in der Bundesrepublik Soziologie und Politik und promovierte 1977 in England. Daneben verhalf er vielen Menschen zur Flucht aus der DDR. 1981 überlebte der Widerstandskämpfer gegen die SED-Diktatur nur knapp mehrere Mordanschläge von Agenten des Ministeriums für Staatssicherheit. Er ist als Publizist und Politologe tätig. Für seine Verdienste um die Menschenrechte wurde ihm 2015 im EU-Parlament Strasbourg die Robert-Schuman-Medaille verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.2021

Undifferenzierte Generalabrechnung
Ein Widerstandskämpfer aus der DDR erweist der Aufarbeitung des Geschehenen einen Bärendienst

Wolfgang Welsch ist bekannt als engagierter Gegner des ehemaligen SED-Staates. Er wurde wegen eines gescheiterten Fluchtversuchs aus der DDR im Jahr 1964 zu zehn Jahren Haft verurteilt, 1966 frühzeitig entlassen, dann wegen "Vorbereitung eines Hetzfilms" abermals verhaftet und verurteilt. Im Jahr 1971 kaufte ihn die Bundesrepublik schließlich frei. Danach war er als Fluchthelfer aktiv, wurde von der Stasi auch im Westen verfolgt und entging nur knapp einem Giftanschlag. Nach 1990 hat sich Welsch mit Nachdruck für die juristische und politische Aufarbeitung des SED-Unrechts eingesetzt. Er hat seine Geschichte als Buch publiziert und ist als Zeitzeuge sehr engagiert, um über den SED-Staat und seine Verbrechen aufzuklären.

Nun hat er ein Buch vorgelegt, das über die reine Zeitzeugenschaft hinausgeht. Und hier liegt dann auch ein grundsätzliches Problem: die Vermischung von Zeitzeugenschaft und politischem Anliegen mit dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Das gelingt nur in absoluten Ausnahmefällen. Die eigene Betroffenheit, der fehlende Abstand zum Geschehen erschweren den notwendigen unaufgeregten Blick auf die Geschichte. Die Grenzen zwischen Erlebtem und gewollter wissenschaftlicher Analyse werden fließend. Die eigenen Erfahrungen werden absolut gesetzt und verallgemeinert - so auch in diesem Fall. Das Buch ist dann auch keine Abhandlung über den Charakter des SED-Staates, den Widerstand gegen das System und dessen Bekämpfung durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Es ist ein politisches Traktat, ein Rundumschlag, eine undifferenzierte Generalabrechnung mit der DDR und der Aufarbeitung der SED-Diktatur in der Bundesrepublik. Das ist alles legitim, solange man nicht vorgibt, eine wissenschaftlich und historisch fundierte Studie vorlegen zu wollen, sondern das Ganze als das kennzeichnet, was es ist.

Es würde hier zu weit führen, auf jede historische Falschaussage, jeden sachlichen Fehler und jede Fehlinterpretation von denen es in dem Buch viele gibt, einzugehen. Einige Beispiele: Im Ansatz wird eine undifferenzierte und ahistorische Gleichsetzung zwischen Nationalsozialismus und SED-Diktatur verfolgt. Methoden, die die Staatssicherheit nachweislich in den Fünfzigerjahren anwandte, werden pauschal auf die 40-jährige Existenz des Staates übertragen. Gleiches gilt für die Strafrechtspraxis. Auch werden wissenschaftlich nicht abgesicherte Zahlen von politischen Häftlingen als valide betrachtet und aufs Jahr runtergerechnet - ohne einzubeziehen, dass es im Lauf der DDR-Geschichte härtere und weniger harte Repressionsphasen gab.

Alle, die keinen aktiven Widerstand gegen das SED-Regime geleistet haben oder dies anders, als der Autor es nach seinem persönlichen Selbstverständnis für richtig hält, taten, werden per se diffamiert. Damit meint er beispielsweise auch diejenigen, die eine Reform des Sozialismus und nicht seine völlige Abschaffung forderten. Dabei wird undifferenziert argumentiert und außer Acht gelassen, dass bis zum Herbst 1989 die Zahl derjenigen, die aktiven Widerstand geleistet haben, überschaubar war.

Für die Zeit seit der Wiedervereinigung werden unbelegte Vermutungen über Seilschaften alter SED- und MfS-Kader in der Bundesrepublik, "die Entscheidungspositionen in Politik, Rechtswesen, Wirtschaft und Kultur eingenommen" hätten und den Aufbau Ost "sabotieren" würden, verbreitet. Hinsichtlich der juristischen Aufarbeitung des SED-Unrechts - die ohne Zweifel schwierig war - stellt der Autor den juristischen Ansatz sine lege nulla poena, eine wichtige Grundlage eines demokratischen Rechtssystems, infrage und bezeichnet ihn als "merkwürdig", "ignorant" sowie "lebens- und wirklichkeitsfremd".

Es lohnt sich nicht, dieses Buch zu lesen. Wolfgang Welsch hat seinem mehr als berechtigten Anliegen, über den Unrechtscharakter des SED-Regimes aufzuklären und den Opfern eine Stimme zu geben, damit einen Bärendienst erwiesen, denn eine solche Art der Darstellung nehmen nur Leute ernst, die ebenso lieber mit groben Pinselstrichen auf wenig faktenreichem Fundament Anklagen erheben, ohne die mühsamen und komplexen Prozesse der Mechanismen der Diktatur und ihrer Aufklärung zu untersuchen. DANIELA MÜNKEL

Wolfgang Welsch: "Widerstand. Eine Abrechnung mit der SED-Diktatur".

Lukas Verlag, Berlin 2021. 379 S., 30,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die hier rezensierende Historikerin Daniela Münkel bedauert, dass der SED-Gegner Wolfgang Welsch in seinem Buch über den Widerstand in der SED-Diktatur die eigene Zeitzeugenschaft und das eigene Engagement mit Wissenschaftlichkeit verwechselt. Als politischer "Rundumschlag" eines Betroffenen wäre das Buch Münkel passabel erschienen, der wissenschaftliche Anspruch aber macht daraus für sie ein Ärgernis, weil der Autor seine Distanzlosigkeit nicht reflektiert, das Buch historische und sachliche Fehler enthält, Fehlinterpretationen, Vermutungen (über SED-Seilschaften in der BRD etwa) und Diffamierungen. Dass für den Autor der Widerstand gegen die SED das Nonplusultra ist, und alles andere verdammenswert, ist eine persönliche Meinung, kein Fakt, stellt Münkel fest.

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