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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
„Die Kümmerfalle“: eine Warnung an junge Frauen - und eine Aufforderung, aus der Wut über ungerecht verteilte Arbeit etwas zu machen
Zuerst das Offensichtliche: Frauen arbeiten mehr als Männer. Das zeigt Statistik um Statistik, wenn sie nicht nur Lohnarbeit erfasst, sondern auch das, was sonst so ansteht: Kinder versorgen, Wäsche falten, an Arzttermine denken, Kühlschrank putzen, Beziehungsprobleme ansprechen, Pfand wegbringen, Bett beziehen und Eltern pflegen. Besonders in der Altersgruppe der Mittdreißiger, in der viele kleine Kinder haben, ist der Unterschied massiv: Frauen machen dann 110 Prozent mehr „Care-Arbeit“ als Männer, kümmern sich und fühlen sich für fast alles, was anfällt, verantwortlich. Dass es tatsächlich auch darum geht bei diesem Unterschied, darum, wer sich verantwortlich fühlt – und wer nicht – zeigt eine Untersuchung zur pandemischen Homeoffice-Zeit in Familien: Da waren es nur 14 Prozent der Männer, die wie ihre Partnerinnen zu Hause arbeiteten und sich etwa überwiegend ums tägliche Essen kümmerten. Wo sie nicht da waren, übernahm das dann wohl die andere im Haus.
Die WDR-Journalistinnen Susanne Garsoffky und Britta Sembach haben in ihr Buch „Die Kümmerfalle. Kinder, Ehe, Pflege, Rente – Wie die Politik Frauen seit Jahrzehnten verrät“ viel Wut fließen lassen. Keine Sorge, nicht nur auf die Männer, auch auf eine Politik, in der „die Lebensleistung von Frauen – und damit meinen wir Fürsorglichkeit und die Übernahme von Verantwortung für andere“ nicht anerkannt und sozial abgesichert wird.
So weit, so bekannt leider, doch die Autorinnen unterstreichen das Problem mit der Vehemenz, die nur persönlich erfahrene Ungerechtigkeit produziert. Sie fühlen sich „im Stich gelassen, verraten und verkauft,“ schreiben sie, weil sie „alles geleistet haben, was Frauen im 21. Jahrhundert aus Sicht der politisch Verantwortlichen zu leisten haben“. Also Ausbildungen, Lohnarbeit, Kinder, Ehen. „Wir haben als junge Mütter verzweifelt versucht, es hinzukriegen“. Am Ende, so die Autorinnen, beide Jahrgang 1968, sei ihnen die Quadratur des Kreises nicht gelungen: „Die Vereinbarkeit ist eine Lüge“. Familie und Beruf haben sie nur mit Teilzeitstellen vereinbaren können, auf Gehalt, Karrierechancen, und Rentenansprüche verzichtet. Dennoch habe sie der Spagat ans Ende ihrer Kräfte gebracht, und auch von den Ehen blieb wenigstens bei einer von beiden nur ein Trümmerfeld übrig. Um die finanzielle Misere, in die eine späte Scheidung Frauen durch das aktuelle Unterhaltsrecht bringen kann, geht es ausführlich.
Ein Anliegen des Buches ist, jüngere Frauen zu warnen. Auch sie hätten einmal geglaubt, alles schaffen zu können und das System irgendwie auszutricksen. Doch das sei eben nicht möglich.
Interessant ist, dass sich die Autorinnen auch an ein heikles Thema wagen. Nämlich die Idee, dass viele Frauen sich gerne um andere kümmern. Sie bereuen nicht die Zeit, die sie für Kinder und Mann, Haus und Hof aufgebracht haben – sind aber wütend über deren mangelnde Würdigung. Es ist also nicht falsch, zu sagen: Viele Frauen machen das gerne. Falsch ist aber der Zusatz: Dann sollen sie sich nicht beklagen. Wenn eine überwiegend von Frauen erbrachte Leistung gleichzeitig abgewertet und so instrumentalisiert wird, dass wir heute in einer Gesellschaft leben, der es nur recht ist, wenn Frauen beruflich so wie Männer arbeiten, aber gleichzeitig noch alles andere leisten. Schluss damit, dass alle sich den von Männern normierten Lebensentwürfen anpassen sollen, fordern Garsoffky und Sembach, hin zu wirklicher Selbstbestimmung.
Aus dem Groll, den Frauen wie sie angesammelt haben, ließe sich bestimmt etwas machen.
AURELIE VON BLAZEKOVIC
Susanne Garsoffky,
Britta Sembach:
Die Kümmerfalle.
Kinder, Ehe, Pflege, Rente - wie die Politik Frauen seit Jahrzehnten verrät.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2022.
269 Seiten, 18 Euro.
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