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Ursula Wolfs Neuübersetzung präsentiert den Text für den heutigen Leser handhabbar
Die Nikomachische Ethik ist einer der Grundtexte der Philosophie. In dieser Abhandlung entwickelt Aristoteles als erster eine systematische Begrifflichkeit für alle Bereiche des Denkens und Handelsn. Die NE entwirft ein Gesamtbild des praktischen Lebens und Zusammenlebens, das inhaltlich sämtliche wichtigen Teilaspekte behandelt, diese durch eine handlungstheoretische Begrifflichkeit differenziert erfasst und sie in ihrer Eigenart gegenüber den theoretischen Wissenschaften methodisch reflektiert. - Was…mehr

Produktbeschreibung
Ursula Wolfs Neuübersetzung präsentiert den Text für den heutigen Leser handhabbar
Die Nikomachische Ethik ist einer der Grundtexte der Philosophie. In dieser Abhandlung entwickelt Aristoteles als erster eine systematische Begrifflichkeit für alle Bereiche des Denkens und Handelsn. Die NE entwirft ein Gesamtbild des praktischen Lebens und Zusammenlebens, das inhaltlich sämtliche wichtigen Teilaspekte behandelt, diese durch eine handlungstheoretische Begrifflichkeit differenziert erfasst und sie in ihrer Eigenart gegenüber den theoretischen Wissenschaften methodisch reflektiert. - Was Aristoteles im Bereich der Ethik geleistet hat, gehört nicht nur historisch zum Grundbestand abendländischer Kultur; es prägt noch heute die Begriffe, mit denen wir auf Mensch, Staat und Gesellschaft reflektieren.
Die zurzeit greifbaren deutschen Übersetzungen der Nikomachischen Ethik sind 50 oder mehr Jahre alt, philosophisch teilweise fragwürdig und sprachlich nicht mehr auf der Höhe. Ursula Wolfs Neuübersetzung präsentiert den Text für den heutigen Leser, insbesondere für Studierende, handhabbar, indem er durch Überschriften gegliedert wird; Übersetzungsprobleme werden angemerkt, die wichtigsten Termini auf Griechisch in Klammern zugefügt.
Autorenporträt
Aristoteles (384-322 v.Chr.) gehört zu den bekanntesten und einflussreichsten Philosophen der Geschichte. Sein Lehrer war Platon, doch hat Aristoteles zahlreiche Disziplinen entweder selbst begründet oder maßgeblich beeinflusst.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.08.1998

Mühe allein genügt nicht
Verständig muß der Mensch laut Aristoteles auch noch sein

Die praktische Philosophie des Aristoteles erlebte in unserem Jahrhundert eine Renaissance. Lange stand sie im Schatten der Kantschen Pflichtethik, aber spätestens mit Heideggers Phänomenologie des Daseins in "Sein und Zeit" begann ihre Rehabilitierung. Die Grundlegung der praktischen Philosophie erfolgt im sechsten Buch der "Nikomachischen Ethik", das Hans-Georg Gadamer jetzt in einer neuen Übersetzung vorgelegt hat. Damit gibt der Autor einen weiteren Haupttext der aristotelischen Philosophie in einer griechisch-deutschen Studienausgabe heraus; er übersetzte und kommentierte bereits das zwölfte Buch der "Metaphysik".

Das sechste Buch der "Nikomachischen Ethik" hat Gadamers Denken schon früh geprägt. In "Wahrheit und Methode" bezeichnet er die "Beschreibung der ethischen Phänomene und insbesondere der Tugend des sittlichen Wissens" als "eine Art Modell der in der hermeneutischen Aufgabe gelegenen Probleme". Die Gemeinsamkeit von Wahrheit in den Geisteswissenschaften und im "praktischen Wissen" (phrónesis) bestehe darin, daß es auch Aristoteles "um die richtige Bemessung der Rolle, die die Vernunft im sittlichen Handeln zu spielen hat", gehe.

Im vorliegenden "Studienbüchlein" beschäftigt sich Gadamer zunächst mit der Einordnung des Textes in das Corpus Aristotelicum. Uns sind drei Ethiken des Aristoteles überliefert: die "Nikomachische", die "Eudemische" und die "Große Ethik" (Magna Moralia). Es ist nicht sicher, ob das sechste (und ebenso das fünfte und siebte) Buch der "Nikomachischen Ethik" tatsächlich in diesen Traktat gehört oder nicht vielmehr in die "Eudemische Ethik".

Früher wurden die inhaltlichen Unterschiede der drei ethischen Schriften durch die geistige Entwicklung des Autors erklärt. Demnach entwickelte sich das philosophische Denken des Aristoteles durch dessen allmähliche Ablösung von seinem Lehrer Platon. Gadamer lehnt diese Theorie, die auf Werner Jaeger und dessen Schüler zurückgeht, als "suggestive genetisch-historische Konstruktion" ab und führt die Differenzen "mehr auf die wechselnde Gelegenheit und Adresse als auf Veränderungen in den philosophischen Anschauungen des Aristoteles" zurück. Er stellt fest: "Einen definitiven Text der aristotelischen Ethik gibt es nicht länger. Alles, was wir zu lesen bekommen, weist über sich selber hinaus. Das im Auge zu behalten ist die neue hermeneutische Aufgabe." So sind die von Aristoteles überlieferten Texte keine Bücher, sondern vielmehr "Begleittexte zu Lehrveranstaltungen", und das bedeutet, "sie sind auch für uns nur Schultexte. Sie stellen Fragen an uns." Da das sechste Buch ein geschlossener Text ist, ist es für sein Verständnis irrelevant zu wissen, in welchen Kontext er ursprünglich gehörte.

Die Schlüsselbegriffe in der praktischen Philosophie des Aristoteles sind Phronesis und Arete. Aristoteles bezeichnet die Phronesis als eine "geistige Tugend" (areté dianoetiké) im Gegensatz zu den "ethischen", das heißt den Tugenden des Charakters (éthos). Die adäquate Übersetzung der Begriffe phrónesis und areté bereitet den Übersetzern seit jeher große Schwierigkeiten. Letzterer ist mit "Tugend" (lateinisch virtus) nur unzureichend übersetzt, denn im heutigen Sprachgebrauch sind Tugenden auf den Bereich der Moral beschränkt. Gadamer verwendet in seiner Übersetzung zwar "Tugend", spricht aber in seinen Anmerkungen von "Bestheit". Diese Unentschiedenheit macht deutlich, daß wir uns diesem Begriff nur annähern können. Er läßt sich nicht ohne Bedeutungsveränderung in unsere heutige Zeit übertragen. Das ist ein grundsätzliches hermeneutisches Problem und keine Frage der Übersetzungskunst.

Gleiches gilt für die Phronesis, deren lateinische Übersetzung mit prudentia "eine durch die Jahrhunderte gehende Fehlinterpretation" war. Prudentia ("Klugheit") "ist überhaupt keine Tugend, sondern eine Naturgabe". Phronesis ist nicht Mittel zum Zweck, sondern meint "vor allem die Urteilsfähigkeit im konkreten Fall" und ist "ein Blick, der das Ganze des eigenen Lebens umfaßt. Das macht Phronesis, die praktische Vernünftigkeit, zur ,Tugend'." Dieser Aspekt, der Blick aufs "Ganze des eigenen Lebens", ist entscheidend.

Aristoteles grenzt die Phronesis von der Techne ab. Bei der "praktischen Vernünftigkeit" geht es nicht um das Herstellen; Phronesis ist kein Können, kein "Handwerkerwissen": "Das-Richtige-Tun" (práttein) ist nicht dasselbe wie "Etwas-Machen" (poieín). Der Vernünftige (phrónimos) zeichnet sich durch ein "bestes Wissen" aus, auf Grund dessen ihm sein Tun gelingt. Ganz anders verhält es sich beim Herstellen eines Produkts: "Und in der Tat kann man sein Handwerk noch so gut gelernt haben, aber das Gelingen kann man nicht lernen." Dem Vernünftigen glückt sein Leben, weil er immer weiß, warum er "ja oder nein zu sagen" hat. "Was der Phronimos von dem bloßen Könner, die Phronesis von der Techne unterscheidet, ist, daß der Phronimos mit sich selber zu Rate geht und nicht bloßen Regeln folgt."

Tugend ist immer sowohl im Charakter als auch im Denken verwurzelt. Die Aufgabe einer praktischen Philosophie, also einer Reflexion auf die Struktur menschlichen Verhaltens im öffentlichen und privaten Raum, besteht in der Aufdeckung der Rationalität, die auch in diesem von irrationalen Triebkräften bestimmten Bereich wirksam ist. Die "besondere Art von Wahrheit", mit der wir es hier zu tun haben, besteht nicht darin, zu wissen, "daß eine Sache so und so ist, sondern daß das Gute getan wird". THOMAS PLUM

Aristoteles: "Nikomachische Ethik IV." Text griechisch-deutsch. Herausgegeben, übersetzt, eingeleitet und kommentiert von Hans-Georg Gadamer. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1998. VII, 70 S., br., 16,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.06.2020

Zwischen Übermaß und Mangel
Die „Nikomachische Ethik“ des Aristoteles klang auf Deutsch niemals frischer als in dieser Ausgabe
„Da die Mitte keinen Namen hat, scheinen sich die Extreme um ihren Platz zu streiten, als sei er leer. Wo es ein Übermaß und einen Mangel gibt, dort gibt es aber auch ein Mittleres.“ Es fällt gerade sehr schwer, Sätze wie diesen aus Aristoteles’ „Nikomachischer Ethik“ zu lesen, ohne ihn auch als Kommentar zu jüngsten politischen Ereignissen zu begreifen. Die Verführung, die über 2300 Jahre alte, immer wieder, aber von Aristoteles nie vollständig überarbeitete Vorlesung als Hilfsmittel zu nutzen, um der neuesten Unübersichtlichkeit mitsamt den alten Geistern zu begegnen, wird durch die von der Hamburger Philosophin Dorothea Frede verantwortete neue Ausgabe noch verstärkt. Doch bevor man allzuschnell glaubt, dass die sogenannte „bürgerliche Mitte“ nur mit Hilfe des Stagiriten erst zu finden und dann zu vermessen wäre, lohnt sich ein genauerer Blick auf die vorliegende Edition.
Nach ihrer Berliner Kollegin Ursula Wolf hat Frede die deutsche Fassung der „Nikomachische Ethik“ entrümpelt, weitaus radikaler und konsequenter. Entrümpelt von dem historistischen Unsinn, man dürfe keine zeitgenössischen Begriffe für die Übertragung antiker Texte verwenden. Entrümpelt von schwerfälligen und gegenüber dem Gesagten völlig unfreien Konstruktionen, die in nicht wenigen lieferbaren Übersetzungen den Text vom Leser ohne Not entfernen. Aristoteles‘ „Nikomachische Ethik“ klang auf Deutsch jedenfalls niemals frischer und klarer als in dieser Ausgabe. Und Frede befreit in ihrem Kommentar, der sich stets auf der Höhe der Forschung bewegt, von allem Ballast, den ihr Vorgänger Franz Dirlmeier in der maßgeblichen Edition des Akademie-Verlages aufgetürmt hatte.
Gleich die beiden ersten Sätze sind bei Frede frei von allen Unentschiedenheiten und Windungen: „Jede Kunst und jede Untersuchung, wie auch jede Handlung und jedes Vorhaben, scheint nach etwas Gutem zu streben. Daher hat man zu Recht das Gute als das bestimmt, wonach alles strebt.“
Man muss als Leser keine Forschungskontroversen kennen, doch die gewählte Formulierung ist ein Statement: mit der Übersetzung von „téchne“ mit „Kunst“ statt „Fertigkeit“ oder „künstlerische Tätigkeit“ zeigt Frede die angestrebte Weite von Aristoteles‘ Untersuchung an. Mit dem starken Verb „scheint“ verweist sie darauf, dass der Grieche sein Denken nicht in das Prokrustesbett der Logik zwingt, sondern einen Nachdenkraum eröffnet. Und so geht es konsequent weiter.
Fredes Sensibilität für das Gesamtgefüge wird immer dann besonders augenfällig, wenn Aristoteles‘ Sätze verdichteter, scheinbar unübersichtlicher werden. Sei es, weil er etwas Vergessenes nachholen möchte oder durch Wiederholungen betonen will. Das Deutsche wird dann biegsam, wo es nötig ist. Und Frede beherrscht die Kunst, Nebenstimmen zu Gehör zu bringen, insbesondere in den schwer nachvollziehbaren, weil sehr knapp und dann wieder äußerst verschachelt formulierten Argumenten im fünften Buch. „Wie es scheint, spricht man von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit in mehreren Bedeutungen. Weil diese aber nah beieinanderliegen, bleibt ihre Homonymie verborgen und ist nicht so offensichtlich wie bei weit auseinanderliegenden Bedeutungen. Groß ist der Unterschied nämlich dann, wenn er das Aussehen betrifft, so wie man etwa ‚Schlüssel‘ homonym für den Knochen unter dem Hals von Tieren und für das gebraucht, womit man Türen verschließt.“
Die Übernahme von „Homonymie“ zeigt Fredes Aufmerksamkeit für die Methodendiskussionen innerhalb der „Nikomachischen Ethik“. Die „Namensgleichheit“ ist für Aristoteles nämlich nicht nur ein linguistisches, sondern ein kategoriales Problem. Und als solches Ausgangspunkt für eine Vielzahl von Überlegungen darüber, wie sehr sich die Gleichheit von Worten bei der Verschiedenheit von Bedeutungen als Problem entpuppt, das nicht durch Definitionen einzuhegen ist. Aristoteles ist an solchen Stellen der Philosoph, der uns darauf drängt, stets genau zu sagen, was wir denken – sonst gehe Common sense verloren. Und damit letztlich das politische Gleichgewicht.
Fredes souveräner Übersetzung steht ein ebenso souveräner Kommentar zur Seite, der gemeinsam mit der Einleitung die Aussagekraft des klassischen Textes für die Gegenwart offenlegt. Aristoteles lebte und dachte in einer Polis, der athenische Stadtstaat ist Ausgangspunkt und Ziel seiner Reflexionen. Viele der vorgestellten Ideen und Unterscheidungen beruhen auf den Besonderheiten dieser übersichtlichen Einheit: „Ein Leben in einer wohlgeordneten Gemeinschaft erlaubt es dem Menschen, seine in ihm von Natur aus angelegten rationalen und charakterlichen Fähigkeiten auszubilden und anzuwenden. Der Mensch ist nicht nur ein Herdentier, das in einer strukturell differenzierten Organisation lebt, wie etwa Bienen und Ameisen, sondern er unterscheidet sich von ihnen durch den Besitz der Sprache, aufgrund derer er sich über Gutes und Schlechtes, über Nützliches und Schädliches, über Recht und Unrecht zu verständigen vermag.“
Fredes Edition lässt sich als Plädoyer für die unablässige Prüfung von Argumenten lesen. In der „Nikomachischen Ethik“ führt diese Prüfung dazu, den Einzelnen und seine Handlungen besser und genauer kennenzulernen, ebenso wie die Gemeinschaft, die ihn prägt und ihm die Möglichkeit lässt, sie zu formen.
Noch ein Wort zu Franz Dirlmeiers Edition. Der 1904 Geborene und 1977 Verstorbene war ebenso talentiert, wie ehrgeizig. Zwei Eigenschaften, die ihm früh eine Professur in München einbrachten. Hier entwickelte er Aktivitäten, die ihn als Nazi-Sympathisanten auswiesen und unter anderem zur Entlassung eines mit einer Jüdin verheirateten Kollegen führte. Dass er Mitglied des SS-Verbundes „Deutsches Ahnenerbe“ war, hat er nach dem Krieg gern Historikern erzählt, ganz so, als habe er damit nichts zu tun gehabt. Dirlmeiers Schriften aus dem „Dritten Reich“ widmen sich vorwiegend philologischen Spezialproblemen. Das mag ihn für Ernst Grumach, den ersten Herausgeber der Aristoteles-Edition und Überlebenden der Shoah, als kompetenten Bearbeiter attraktiv gemacht haben. Zumal man Dirlmeier eine Professur in Mainz, später in Würzburg zugestand – einzig München wollte ihn nicht mehr, nachdem eines seiner Opfer interveniert hatte. Dirlmeier schüttet den Leser im Kommentar mit gelehrten Hinweisen zu, so dass alberne Kulturkritik und die Vermengung von seriöser Sekundärliteratur mit Nazi-Literatur nur schwer zu erkennen sind. Dennoch sollte der Band keineswegs in der Asservatenkammer verschwinden, zu viel bietet er dem Ideenhistoriker.
Aber mit Dirlmeier soll diese Besprechung nicht enden. Zurück also zu Fredes beeindruckender Neuedition und einer Überlegung des Aristoteles: „Was die Klugheit ist, können wir dadurch erfassen, dass wir uns anschauen, welche Menschen wir klug nennen. Es kennzeichnet den Klugen, dass er fähig ist, richtig mit sich über das für ihn Gute und Nützliche zurate zu gehen, und zwar nicht in einer besonderen Hinsicht, wie etwa über das, was Gesundheit oder Stärke, sondern über das, was das gute Leben im Ganzen betrifft. Ein Anzeichen dafür ist, dass wir Menschen auch in Bezug auf etwas Bestimmtes als klug bezeichnen, wenn sie gute Überlegungen ein gutes Ziel betreffend anstellen“.
THOMAS MEYER
Aristoteles: Nikomachische Ethik. Hrsg., übersetzt und kommentiert von Dorothea Frede. De Gruyter Verlag, Berlin 2020. XVIII, 1016 Seiten, 189 Euro.
„Daher hat man zu Recht
das Gute als das bestimmt,
wonach alles strebt.“
Athen, die Welt der Polis,
war Ausgangspunkt
und Ziel seiner Überlegungen
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