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Entwicklungstendenzen nationaler literarischer Felder im 20. Jahrhundert und zugleich Internationalisierungsprozesse und deren Auswirkungen auf die literarischen Felder zu erfassen sind die Intentionen der Autoren dieses Bandes.
Die Beiträge im ersten Teil – Der Kampf um die Definition der Rolle und Funktion des Intellektuellen – fokussieren auf die Frage, ob und wie die Figur des "universellen Intellektuellen", die am Ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich im Kontext der Dreyfus-Affäre auftaucht, in andere literarische Felder transferiert worden ist und welche anderen Definitionen der…mehr

Produktbeschreibung
Entwicklungstendenzen nationaler literarischer Felder im 20. Jahrhundert und zugleich Internationalisierungsprozesse und deren Auswirkungen auf die literarischen Felder zu erfassen sind die Intentionen der Autoren dieses Bandes.

Die Beiträge im ersten Teil – Der Kampf um die Definition der Rolle und Funktion des Intellektuellen – fokussieren auf die Frage, ob und wie die Figur des "universellen Intellektuellen", die am Ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich im Kontext der Dreyfus-Affäre auftaucht, in andere literarische Felder transferiert worden ist und welche anderen Definitionen der Rolle des Intellektuellen in anderen europäischen Ländern formuliert worden sind.

Im zweiten Teil – Transferprozesse, externe Konflikte und ihre Wirkungen auf das literarische Feld – werden die relativ autonomen literarischen Felder in Beziehung zu politischen, sozialen und ökonomischen Prozessen gesetzt. In Fallstudien werden Transferprozesse zwischen verschiedenen nationalen Feldern in der Zeit des Kalten Krieges und unmittelbar nach dem Mauerfall 1989 sowie die Auswirkungen der Protestbewegungen der späten sechziger Jahre auf das Feld kultureller Produktion entfaltet und analysiert.

- Ingrid Gilcher-Holtey: Prolog

I. Der Kampf um die Definition, Rolle und Funktion des Intellektuellen

- Gisèle Sapiro: Vom Schriftsteller zum Intellektuellen: Die Konstruktion eines kritischen Habitus unter der Restauration
- Hervé Serry: Die Regeln des Glaubens. Formen und Logiken des Engagements katholischer Intellektueller in Frankreich (1880-1935)
- Steffen Bruendel: Zwei Strategien intellektueller Einmischung: Heinrich und Thomas Mann im Ersten Weltkrieg
- Ingrid Gilcher-Holtey: Theater und Politik:Bertolt Brechts "Eingreifendes Denken"
- Kristina Schulz: Neutralität und Engagement: Denise du Rougemont und das Konzept der "aktiven Neutralität"
- Henning Marmulla: Internationalisierung der Intellektuellen? Möglichkeiten und Grenzen einer "communauté internationale" nach dem Algerienkrieg
- Anna Boschetti: Sozialwissenschaft, Soziologie der Intellektuellen und Engagement. Die Position Pierre Bourdieus und deren soziale Bedingungen - Dorothee Liehr: Skandal und Intervention: Adolf Muschg und seine Eingriffe in die Fichen-Affäre 1989/90 – zur Rolle der Intellektuellen seit den 1990er Jahren

II. Transferprozesse, externe Konflikte und ihre Wirkungen auf das literarische Feld

- Iona Popa: Politisches Engagement und literarischer Transfer. Ein kommunistisches Netz von Übersetzern osteuropäischer Literaturen
- Dorothea Kraus: Zwischen Agitation und Resignation: Der Künstler als Intellektueller in westdeutschen Inszenierungen der sechziger Jahre
- Claus Kröger: "Establishment und Avantgarde zugleich"? Siegfried Unseld und der Börsenverein des Deutschen Buchhandels 1967/68
- Boris Gobille: Die verlorenen Söhne André Bretons. Die französische surrealistische Bewegung auf dem Prüfstand des Mai 68 oder das Paradox der eingetretenen Prophetien
- Markus Joch: Zwei Staaten, zwei Räume, ein Feld. Die Positionsnahmen im deutsch-deutschen Literaturstreit
- Franziska Schößler: Avantgarde nach dem Ende der Avantgarde: Soziales Engagement und Aktionskunst nach 1995
- Heribert Tommek: Das deutsche literarische Feld der Gegenwart, eine Welt für sich? Skizzen einer strukturellen Entwicklung, in das Beispiel der (westdeutschen) "Tristesse-Royale"-Popliteraten mündend
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Ingrid Gilcher-Holtey ist Professorin für Allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Zeitgeschichte an der Universität Bielefeld und assoziiertes Mitglied des Centre de sociologie europénne (CSE/EHESS-Paris).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.07.2007

Intellektuelle wie wir
Ingrid Gilcher-Holtey beobachtet die Einmischer und Eingreifer

Intellektuelle nehmen sich gern wichtig. Sie schreiben sich ein öffentliches Mandat zur Kritik zu und wollen universelle Normen durchsetzen. Nicht selten zeugen ihre Selbstdeutungen von Allmachtsphantasien. Zum Repertoire ihrer eitlen Posen gehört jedenfalls auch der hehre Anspruch, für die Bedrängten, Stummen zu sprechen und wahrhaft allgemeine Interessen zu vertreten. Doch wer mag Leuten glauben, die allen möglichen anderen Akteuren Verblendung oder korrupte Bindung an bloße Partikularinteressen attestieren, sich selbst aber für Engelwesen der Vernunft halten?

Die Vielfalt der rhetorischen Strategien, mit denen Schriftsteller und Künstler sich in die öffentlichen Debatten "einmischen", wird gut sichtbar in einer Sammlung von vierzehn Fallstudien über streittüchtige Akteure im "literarischen Feld". Die Bielefelder Historikerin Ingrid Gilcher-Holtey wendet sich in ihrem "Prolog" gegen Lyotards These vom "Tod des Intellektuellen" und lässt die französischen Kontroversen um den "allgemeinen", "öffentlichen", "spezifischen" und "kollektiven Intellektuellen" auf eine emphatische Huldigung Pierre Bourdieus hinauslaufen, den auch diverse andere Autoren als theorieheiligen Evidenzgaranten preisen. Durchaus affirmativ zitiert sie sein radikal antipluralistisches arrogantes Programm: "Wenn mein nomos zum universellen nomos wird, wenn alle die Welt so sehen, wie ich sie sehe, dann habe ich die ganze Kraft der Personen, die meine Sicht teilen, hinter mir."

Gut nur, dass Intellektuelle gern streiten und viel Einflussneid ihren Habitus formt. So geht es genaugenommen gar nicht um "das literarische Feld", sondern um höchst unterschiedliche Distinktionskämpfe von schreibenden Virtuosen der Selbstinszenierung, die teils "über den Parteien" den weitesten Blick haben, teils mitten im Parteienstreit die einzig gerechte Sache vertreten wollen. Zeitlich reicht das thematische Spektrum vom Homme de Lettres des späten achtzehnten Jahrhunderts bis hin zur "Tristesse Royale" der deutschen Popliteraten. Besonders gelungen sind Studien zu den katholischen Religionsintellektuellen in Frankreich, den Gebrüdern Mann und dem deutsch-deutschen Literaturstreit, der seit 1990 nicht zuletzt im Feuilleton dieser Zeitung ausgetragen wurde.

Leider stören mancherlei Druckfehler. Die französischen Beiträge sind in ein Deutsch übersetzt worden, das den Intellektuellenglauben, dank spezifischer "Sprachmacht" politische Autorität beanspruchen zu können, barbarisch dementiert. Den George-Schülern im "akademischen Feld", also Gelehrten vom Range eines Gundolf oder Kommerell, "ein reaktionäres und antiwissenschaftliches Denken" zu attestieren lässt wenig Kenntnis ihrer Texte vermuten. Statt prägnanter Analyse wird bisweilen nur pathetischer Appell geboten. "Die Grabplatte, die über den Intellektuellen gelegt wurde, muss entfernt werden: Dieses Grabmal gehört umgestürzt!", beschließt etwa Henning Marmulla seinen Beitrag über die missglückte Internationalisierung der Intellektuellen nach dem Algerien-Krieg.

Die Gründe, dank deren Lyotard vom Tod des Intellektuellen sprach, werden gar nicht erst erörtert. So erspart man sich die gebotene Auseinandersetzung mit dem fundamentalen Reflexivitätsproblem vieler moderner Intellektueller: Sie erheben steile Wahrheitsansprüche und verkünden Orientierungswissen, erweisen sich dann aber häufig als politisch irrende, ideologietrunkene Zeitgeistgenossen. Sie treiben Kritik als Beruf, können sich jedoch nur selten angemessen zur eigenen Fehlbarkeit verhalten. Doch im machtbestimmten "Feld der kulturellen Produktion" finden die public intellectuals bald gelehrte Historiker, die, wie dieser Band vorführt, die Verblendungsgeschichten der Moderne zu einer "Realpolitik der Vernunft" umschreiben.

FRIEDRICH WILHELM GRAF

Ingrid Gilcher-Holtey (Hrsg): "Zwischen den Fronten". Positionskämpfe europäischer Intellektueller im 20. Jahrhundert. Akademie Verlag, Berlin 2006. 434 S., geb., 49,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Friedrich Wilhelm Graf hat hier einiges gelernt über die von Intellektuellen genutzte Vielfalt rhetorischer Strategien. Der zeitliche Rahmen der versammelten Texte (spätes 18. Jahrhundert bis heute) erscheint ihm imposant und einige Studien, wie zu den Gebrüdern Mann und zu Frankreichs katholischen Religionsintellektuellen, hält er für "besonders gelungen". Leider hatte Graf in den übersetzten Beiträgen mit allerlei Druckfehlern und mangelnder Quellentextkenntnis zu kämpfen, so dass er vom Glauben an die Sprachmacht der Intellektuellen gleich wieder abzufallen droht. Über das "fundamentale Reflexivitätsproblem" unter modernen Intellektuellen war Graf zufolge außerdem zu wenig zu erfahren, als dass der Leser den Band nicht für ein Korrekturprojekt der "Verblendungsgeschichten der Moderne" halten könnte.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Dieses Buch packt die widerborstigen Figuren, die man 'Intellektuelle' nennt, bei ihrem Ureigensten: der Liebe zum Kampf in Wort und Schrift." Gangolf Hübinger, In: H-Soz-u-Kult (Februar 2007) "[Der Band illustriert, dass] die Geschichtswissenschaft kaum Anlass dazu hat, den Intellektuellen als Forschungsobjekt tot zu sagen. [Er verspricht] weiteren Erkenntnisgewinn bei der Beschäftigung mit dieser Symptomfigur." Helke Rausch, In: Archiv für Sozialgeschichte (September 2007) "Der besondere Weg der Anthologie liegt in den Fallstudien, die im ersten Teil vorwiegend dem Kampf um die Definition und Funktion des Intellektuellen, im zweiten Teil Transferprozessen, externen Konflikten und ihren Wirkungen auf das litererarische Feld gewidmet sind. Insgesamt eine Folge von Beiträgen, die das Rahmenthema auf fundierte Weise abhandeln und abwandeln." Hermann Glaser, In: Das Historisch-Politische Buch, 55. Jg., Heft 2 (2007) "[Der Band] repräsentier[t] eine nun auch in der deutschen historischen Forschung wieder aufgeblühte und weiter florierende 'intellectual history'" Alexander Gallus, In: Historische Zeitschrift, Bd. 288, Heft 1 (Februar 2009)