Katja Wüstenhöfers Lebens- und Liebesgedichte tauchen tief ein in den Prozess der Auseinandersetzung mit eigenen Möglichkeiten und der Erkenntnis der eigenen Wünsche und Fehler. Dabei ist der Titel programmatisch: Aus der Stille des Rückbezuges, des Hinhorchens und sich Besinnens erwächst eine neue, facettenreiche Sinnlichkeit, die durch Rhythmus, sprachliche Bilder und wunderbare Wortschöpfungen spürbar wird. Besonders berührend sind dabei die Liebesgedichte, die angefüllt sind von Zärtlichkeit, Sehnsucht und Hingabe, aber gleichermaßen von Verletzlichkeit, Zweifeln, Misstrauen. So sprechen sie von der ewigen Paradoxie zwischen dem Wunsch nach Nähe, nach Verschmelzung und der gleichzeitig immer mitschwingenden Angst vor dem Verlust der Autonomie. Und sie bieten gerade durch das Innehalten, durch den bewussten, distanzierten Blick einen Weg, Distanz zu überwinden: Verschmelzung ist keine Versicherung. Liebe ist kein Ich, Liebe ist kein Du: Sie ist immer etwas dazwischen.
Katja Wüstenhöfer, geboren 1968, neigt zu Kurzversen aus ein bis zwei Wörtern, was zu ihrer Art Körpergedankenlyrik durchaus passt. "Liebe ist/ kein Ich,/ Liebe ist/ kein Du:/ Sie ist immer/ etwas / dazwischen." Das ist auf den Punkt gebracht, während anderes, wie "Du bleibst", auch einmal zu Allerweltsweisheiten abgleitet. Doch wirkt der Band insgesamt konzentriert. In "Verwandlung" heißt es: "An dich denken/ und pfeifen/ bis ich als Ohrwurm/ in deinem Kopf klinge". Wer sich so charmant einführt, lenkt bald auch beider Schritte aufeinander zu. Rolf Birkholz, Am Erker Nr. 66, www.am-erker.de/rez6734.php