Zum 400. GeburtstagAndreas Gryphius hat wie kein anderer unser Bild von der Literatur des 17. Jahrhunderts geprägt. Kein anderer Dichter hat so hinreißende Verse für die Leiden am Dreißigjährigen Krieg und die Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz gefunden. Zugleich aber ist Gryphius auch ein Autor der beginnenden Moderne - verwurzelt in einem tiefen Glauben und offen für das expandierende Wissen seiner Zeit. Uwe Kolbe versammelt in seiner Auswahl die schönsten und wichtigsten Texte des großen Barock-Dichters und fragt nach der Faszination, die von Gryphius' Sprachlust und bildmächtiger Melancholie bis heute ausgeht.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.10.2016NEUE TASCHENBÜCHER
Leben auf der
Renne-Bahn
Wenn man von den großen mittelalterlichen Dichtungen absieht, ist Andreas Gryphius sicherlich der erste große deutsche Dichter, der bis heute ein breites Publikum erreicht: Weil er so plastisch formuliert, weil er die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges so hautnah schildert, dass man sich der Wirkung seiner Sprachbilder gar nicht entziehen kann. Die Verzweiflung über die Zustände, die Flucht in die Religion, all dies wird zu intimster Betrachtung. Mit hochdramatischer Empathie hetzt der Dichter den Schrecken des Daseins hinterher. „Diß Leben kömmt mir vor alß eine renne bahn“, schreibt er in einem seiner oft drastischen und doch wieder poetisch verhaltenen Sonette, und dem Herausgeber Uwe Kolbe ist es zu danken, dass er die originale Schreibweise und Interpunktion beibehalten hat, sodass die historischen Sätze nicht als Kalenderspruchbanalitäten daherkommen. „Was ist die Freyheit doch / die nirgend wird gefunden / Du bist eh’ als du bist.“ Aufschlussreicher als die Gedichte sind allerdings die Dramolette und Singspiele, die Gryphius ebenso elegant aufs Papier wirft und auch aufgeführt hat. Da finden sich echte Entdeckungen. HELMUT MAURÓ
Andreas Gryphius: Das große Lesebuch. Hrsg. von Uwe Kolbe. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016. 398 Seiten,
14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Leben auf der
Renne-Bahn
Wenn man von den großen mittelalterlichen Dichtungen absieht, ist Andreas Gryphius sicherlich der erste große deutsche Dichter, der bis heute ein breites Publikum erreicht: Weil er so plastisch formuliert, weil er die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges so hautnah schildert, dass man sich der Wirkung seiner Sprachbilder gar nicht entziehen kann. Die Verzweiflung über die Zustände, die Flucht in die Religion, all dies wird zu intimster Betrachtung. Mit hochdramatischer Empathie hetzt der Dichter den Schrecken des Daseins hinterher. „Diß Leben kömmt mir vor alß eine renne bahn“, schreibt er in einem seiner oft drastischen und doch wieder poetisch verhaltenen Sonette, und dem Herausgeber Uwe Kolbe ist es zu danken, dass er die originale Schreibweise und Interpunktion beibehalten hat, sodass die historischen Sätze nicht als Kalenderspruchbanalitäten daherkommen. „Was ist die Freyheit doch / die nirgend wird gefunden / Du bist eh’ als du bist.“ Aufschlussreicher als die Gedichte sind allerdings die Dramolette und Singspiele, die Gryphius ebenso elegant aufs Papier wirft und auch aufgeführt hat. Da finden sich echte Entdeckungen. HELMUT MAURÓ
Andreas Gryphius: Das große Lesebuch. Hrsg. von Uwe Kolbe. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016. 398 Seiten,
14,99 Euro.
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Einer der sprachmächtigsten, -lustigsten, -süchtigsten Dichter deutscher Zunge! Benedikt Erenz Die Zeit 20161124