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Vom Koran bis zu Tausendundeine Nacht, von Nobelpreisträgern bis zu DichterInnen im Exil: Die Autoren des Orients schrieben und schreiben Weltliteratur. Eine spannend erzählte Gesamtschau von Stefan Weidner, profundem Kenner der orientalischen Literaturen. Diese Schatzkammer hält für nicht-fachkundige wie für fachkundige LeserInnen eine Fülle von Entdeckungen bereit."Lange bevor der Mensch Politik betrieb, hat er Geschichten erzählt. Lange bevor er Städte gründete und Imperien errichtete, war er ein erzählendes Wesen. Die Größe ebenso wie das Unglück des Menschen rührt daher, dass er an seine…mehr

Produktbeschreibung
Vom Koran bis zu Tausendundeine Nacht, von Nobelpreisträgern bis zu DichterInnen im Exil: Die Autoren des Orients schrieben und schreiben Weltliteratur. Eine spannend erzählte Gesamtschau von Stefan Weidner, profundem Kenner der orientalischen Literaturen. Diese Schatzkammer hält für nicht-fachkundige wie für fachkundige LeserInnen eine Fülle von Entdeckungen bereit."Lange bevor der Mensch Politik betrieb, hat er Geschichten erzählt. Lange bevor er Städte gründete und Imperien errichtete, war er ein erzählendes Wesen. Die Größe ebenso wie das Unglück des Menschen rührt daher, dass er an seine eigenen Geschichten glaubt. Der Mensch ist ein erzählendes Tier." Bachtyar Ali
Autorenporträt
Weidner, StefanStefan Weidner, geb. 1967 Köln, Studium der Islamwissenschaften, Germanistik, Philosophie, in Göttingen, Damaskus, Berkeley, Bonn; Essayist, Arabist, preisgekrönter Übersetzer; Mitglied des Pen-Clubs (dt.), Akademie der Künste der WElt (Gründungsmitglied) engagiert für ein radikal anderes, kosmopolitisches Denken; unermüdlicher Schatzheber des literarischen, kulturellen Reichtums des gesamten Orients.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.10.2019

Koran & Divan
„1001 Buch“: Der Islamwissenschaftler, Kritiker und Übersetzer
Stefan Weidner stellt die „Literaturen des Orients“ vor
VON LOTHAR MÜLLER
Mit Verve und durchschlagendem Erfolg hat der Literaturwissenschaftler Edward W. Said vor gut einer Generation der „Orientalisierung des Orients“ den Prozess gemacht. Mit nicht nachlassendem Misstrauen untersuchte er in seinem Buch „Orientalismus“ (1978) die Polarität von Orient und Okzident als eine jener einflussreichen Diskursmaschinen, auf deren Funktionsmechanismen Michel Foucault die Aufmerksamkeit gelenkt hatte. Nichts Festes, Naturgegebenes blieb dabei von „Abendland“ und „Morgenland“ übrig, als Projektionsflächen entpuppten sich beide.
Wenn die Diskursmaschine ihr Material so verarbeitete, dass sich eine stabile Opposition des Eigenen und des Fremden ergab, arbeitete sie nicht einfach vor sich hin, sie war mit der Macht im Bunde. Bei Said waren es vor allem die Großmachtinteressen Frankreichs und Englands, denen sich der Orientalismus anschmiegte. Nicht dem Volksaberglauben maß er dabei die entscheidende Rolle zu, sondern der modernen Wissenschaft seit Napoleons Ägyptenfeldzug. Die Kritik der westlichen Orientalistik stand im Zentrum der Debatten um Saids Buch.
Stefan Weidner, geboren 1967 in Köln, studierter Islamwissenschaftler, Autor und Übersetzer, ist einer der wichtigsten Vermittler der arabischen Literatur und Kultur in Deutschland. Wenn er nun seinem Buch „Jenseits des Westens“ (2018) eine Überblicksdarstellung zu den „Literaturen des Orients“ unter dem Titel „1001 Buch“ folgen lässt, liegt darin ein programmatischer Neueinsatz, die Überzeugung, „dass sich hinter der schillernden Rede vom Orient mehr verbirgt als ein westliches Klischee“.
Es wird rasch klar, worin Weidner dieses „mehr“ sieht. Er sucht nach einem Horizont, der aus der zersplitterten Welt der Nationalstaaten herausführt, um die Autoren und Werke nicht als Repräsentanten ihrer „Nationalliteraturen“ vorführen zu müssen. Sein Orient ist in identifizierbaren kulturellen Räumen angesiedelt, er ist der Zusammenhang, den die Literatur zwischen und in ihnen stiftet. Zwischen der arabischen Halbinsel, Nordafrika und Andalusien, und innerhalb Andalusiens zwischen islamischer, christlicher und jüdischer Lyrik, zwischen den persischen Dichtern des Mittelalters und heutigen Autoren in Iran. Ein „polykultureller Imaginationsraum“ ist dieser Orient, und obwohl er gegen die Idolisierung des „Divan“-Goethe polemisiert, steckt in dieser komplizierten Formel nichts anderes als eine Variante von Goethes Konzept der Weltliteratur, das ja nicht auf die Kanonisierung von Meisterwerken abzielte, sondern auf den lebendigen Austausch und Verkehr der vielen Literaturen untereinander.
Es kann einem aber angst und bange werden, wenn man hört, was Weidner unter den „Literaturen des Orients“ versteht, nämlich alle jene, „die sich im Einflussbereich der dritten großen monotheistischen Weltreligion entwickelt haben“. Angst und bange nicht wegen des Islam, sondern wegen der damit – trotz des Verzichts auf weite Teile Asiens – anvisierten Stoffmenge: „Diese Literaturen sind in den drei weit verbreiteten, vom Islam geprägten Sprachen Arabisch, Persisch und Türkisch verfasst und werden seit dem 20. Jahrhundert um Werke bereichert, die von Autorinnen und Autoren mit biographischem Bezug zum Orient in westlichen Sprachen geschrieben werden.“
In der Tat begegnet hier der türkische Autor Orhan Pamuk mit seinem Roman „Rot ist mein Name“ über die Miniaturmalerei im Osmanischen Reich des späten 16. Jahrhunderts in unmittelbarer Nachbarschaft neben al-Hassan al-Wazzan, dem Wanderer vom nordafrikanischen Islam ins katholische Rom, der unter dem Namen Leo Africanus seine „Beschreibung Afrikas“ auf Italienisch verfasste. Und die arabische Dichterin Rabia al-Adawia aus dem 8. Jahrhundert wird zur Wegweiserin in das Kairo nach dem Sturz der Herrschaft der Muslimbrüder im Juli 2013.
Aber natürlich kann Weidner den Anspruch, die „Literaturen des Orients“ vom Mittelalter bis in die Gegenwart und quer durch die Sprachen zu verfolgen, nicht enzyklopädisch erfüllen. Sein Buch ist, zum Glück, kein Kompendium der Gelehrsamkeit, sondern die Frucht seiner langjährigen Tätigkeit als Publizist, Übersetzer und Literaturkritiker. Weidners Buch ist eine Art Reiseführer für Leser, die des Arabischen, Türkischen oder Persischen nicht mächtig sind und privilegiert deshalb die Autoren, die auf Deutsch in einigermaßen leicht zugänglichen Ausgaben greifbar sind. Er stellt die Gedichte und Traktate, Romane und Essays, die er erwähnt, knapp und kursorisch vor, wie man in einer Abendgesellschaft unbekannte Eintretende vorstellt. Sein eigenes Buch spiegelt nicht nur seine Gegenstände, sondern auch die Vorlieben und Abneigungen seines Autors. Schon zu Beginn des ersten der beiden in zahlreiche Unterkapitel gegliederten Teile („Die alte Zeit“, „Die neue Zeit“) weiß man, woran man bei ihm ist. Er mustert dort die deutschen Übersetzungen des Koran, den er, darin Navid Kermani verwandt, weniger als Buch denn als Vorlage zur Rezitation und als vieldeutiges, in vielem unübersetzbares Medium der Poesie ebenso wie als Werk der Religionsbegründung und Gesetzgebung verstanden wissen will.
Während Weidner sich durch viele Einwände hindurch zur Empfehlung der Übertragung von Hartmut Bobzin durchringt, wird klar, dass hier jemand schreibt, der von tiefem Misstrauen gegenüber der Alleinherrschaft der Philologie durchdrungen ist und gegen alle Koran-Übersetzer, die nur dieses eine Buch übertragen und nicht zugleich erfahrene literarische Übersetzer sind. Trotz aller Kritik an Friedrich Rückert, der den Koran in deutsche Poesie zu verwandeln suchte und an Joseph von Hammer-Purgstall, der sich in seiner Hafis-Übertragung, die in Goethes „West-östlichen Divan“ einging, alle erdenklichen Freiheiten nahm, stehen ihm beide, als Anwälte der Poesie, näher als die reinen Philologen unter den Orientalisten.
„Hafis wird von Hammer-Purgstall auf die Frequenz getunt, auf die das damalige deutsche Poetenohr zu hören vermochte.“ Was Weidner hier diagnostiziert, gilt auch für ihn selbst. Ob er die Übersetzungsgeschichte von „Tausendundeine Nacht“ und die bewusst prosaischen Züge in Claudia Otts Neuübertragungen erörtert oder den Rohstoff, der im „Buch der vierzig Hadithe“ des Rechtsgelehrten al-Nawawi aus dem 13. Jahrhundert, den gesammelten Sprüchen des Propheten bereitliegt und aktuell von radikalen Islamistengruppen ausgebeutet wird, stets eicht er seine Darstellung auf die Frequenz des heutigen Publikums. Zwischentitel wie „Basic Instinct im Morgenland“ zeigen, dass sein Sendespektrum auch die populären Genres umfasst. Aber nicht nur, weil sein Nachleben auch in einem Videoclip von Madonna und in spirituellen Subkulturen der Gegenwart stattfindet, zählt der persische Dichter Rumi aus dem 13. Jahrhundert zu den Autoren, denen Weidners besondere Wertschätzung gehört. Sondern als „Monotheist mit vielen Göttern“, in dessen Gedichten die Strenge des Glaubens durch das Lob der Schöpfung – und zumal der Liebe – abgemildert wird. Ibn Arabi, den Weidner selbst übersetzt hat und der wegen seiner sprachlichen Verschmelzung von Gotteserkenntnis und sexueller Hingabe attackiert wurde, ist in der mittelalterlichen arabischen Poesie das Gegenstück. Der mystische Islam der Sufis ist Weidners Kronzeuge gegen die Salafisten von heute und gegen diejenigen im Westen, die sich von letzteren ihr Bild des Islam vorschreiben lassen.
Weidner führt in Echoräume der Vergangenheit und Konfliktzonen der Gegenwart, bis nach Saudi-Arabien, wo die Fahrerlaubnis für Frauen die Repressionen gegen Autorinnen, die politisch oder sonstwie zu wenig verhüllen, nicht aufhebt. Schade nur, dass im Kapitel über „die orientalische Literatur in europäischen Sprachen“ der bosnische Erzähler Dževad Karahasan, ein großer Vermittler der islamischen Kultur, nicht auftaucht, an der Seite des französisch schreibenden Algeriers Kamel Daoud, des aus Marokko stammenden Tahar Ben Jelloun, des aus dem Iran nach Deutschland gekommenen Said, der aus dem irakischen Judentum stammenden Erzählerin Mona Yahia.
Bei einer wünschenswerten zweiten Auflage sollte jemand einige Unstimmigkeiten in den Lebensdaten der Autoren korrigieren, dem „Baedecker für das Jenseits“ das überflüssige „c“ entnehmen und dem deutschen Orientalisten „Johann Jakob Reise“ das „k“ in seinem Nachnamen „Reiske“ zurückerstatten.
Stefan Weidner: 1001 Buch.
Die Literaturen des Orients.
Edition Converso, Bad Herrenalb 2019. 432 Seiten, 30 Euro.
In Berlin hat der Kunsthistoriker Philipp Demandt die
Alte Nationalgalerie geleitet, bevor er 2016 die Hauptstadt verließ
und Direktor des Städel Museums, des Liebieghauses
und der Schirn Kunsthalle wurde. Die Stadt Frankfurt verdankt
das Städel Museum dem Bankier Johann Friedrich Städel.
Das Haus am Museumsufer wurde zwischen 2009 und 2012
saniert und erhielt einen unterirdischen Erweiterungsbau
für die Präsentation von Gegenwartskunst.

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