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Das kapriziöse Leben Martha Fontanes, der"Lieblingstochter"von Theodor Fontane. Anhand von weitverstreuten Dokumenten und zahlreichen neu aufgefundenen Briefen schildert Regina Dieterle"Metes"Frauenleben im urban-intellektuellen Berlin des Fin de Siecle: angeregte Gespräche, Besuch der Reichstagsdebatten, Theater und Soirees Musicales, Reisen durch Europa, Amerikapläne, beste Kontakte zum alten Adel und zu den neuen Industriellen - und immer zu wenig Geld für all die Ansprüche. Ein lebendiges Bild der preußischen Gesellschaft im Spannungsfeld zwischen Klassendenken und Weltoffenheit und die…mehr

Produktbeschreibung
Das kapriziöse Leben Martha Fontanes, der"Lieblingstochter"von Theodor Fontane. Anhand von weitverstreuten Dokumenten und zahlreichen neu aufgefundenen Briefen schildert Regina Dieterle"Metes"Frauenleben im urban-intellektuellen Berlin des Fin de Siecle: angeregte Gespräche, Besuch der Reichstagsdebatten, Theater und Soirees Musicales, Reisen durch Europa, Amerikapläne, beste Kontakte zum alten Adel und zu den neuen Industriellen - und immer zu wenig Geld für all die Ansprüche. Ein lebendiges Bild der preußischen Gesellschaft im Spannungsfeld zwischen Klassendenken und Weltoffenheit und die bezaubernde Schilderung eines lebensklugen Freundeskreises und der Familie Fontane.
Autorenporträt
Dieterle, Regina
Regina Dieterle, geboren 1958 in Horgen, Germanistin, studierte und promovierte an der Universität Zürich. Sie unterrichtet an der Kantonsschule Enge in Zürich. Seit 1998 regelmäßige Forschungsaufenthalte in Berlin und Brandenburg, unterstützt vom SNF (Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung). Entdeckte 2001 den Nachlass von Martha Fritsch-Fontane. Ab 2004 für zehn Jahre Vorstandsmitglied der Theodor Fontane Gesellschaft, 2010 bis 2014 als deren Vorsitzende. Publikationen zu Leben und Werk von Annemarie Schwarzenbach, Karl Stauffer-Bern, Theodor Fontane und Martha Fontane. Bei Hanser erschienen zuletzt: Die Tochter. Das Leben der Martha Fontane (2006) und Theodor Fontane. Biografie (2018).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.02.2007

Zu geistreich fürs normale Leben
„Recht schwer zu hüten”: Regina Dieterle erzählt das Leben von Theodor Fontanes Tochter Martha
Gibt es im Leben der Fontanes noch Geheimnisse, sollten die Exegeten Grundlegendes übersehen haben? Oder handelt es sich bei Regina Dieterles Buch über „Die Tochter” um eine weibliche Sympathiekundgebung mit bekanntem Ausgang? Nein. Regina Dieterle beschreibt das zeitbedingt beschränkte Leben einer temperamentvollen Frau, die als Kind lieber ein „Bursche” gewesen wäre, die viel schwimmt und viel liest, offen und vertrauensvoll ist, aber auch nach „allen Seiten ausschlägt”, weshalb sie von wechselnden Ziehmüttern durchaus liebevoll gemaßregelt wird und als „recht schwer zu hüten” gilt.
Regina Dieterle hat sich in den vergangenen zehn Jahren in vier Abhandlungen mit Theodor und Martha Fontanes Vater-Tochter-Beziehung auseinandergesetzt. Sie ist also voll im „Stoff”, behandelt ihn mit souveräner Nüchternheit, verzichtet auf Psychologisiererei und stellt Marthas Biographie in den Rahmen eines bürgerlichen Berliner Künstlerlebens Ende des 19. Jahrhunderts.
Orte und Milieus der Kindheit von Theodor und Emilie Fontanes einziger Tochter Martha (1860-1917) werden beschrieben. Ein Panorama Berlins in der Zeit des Aufbruchs und der Bauwut, in der sich die Fontanes in bessere Viertel emporarbeiten, entsteht, und mit dieser Beschreibung ein dichtes Gesellschaftsportrait. Nicht die Libido einer übersteigerten Vaterliebe, nicht die Tochter als Opfer und Mündel eines besitzergreifenden Künstlers, sondern Marthas schleichende Verzweiflung über ein Leben mit beschränkten Möglichkeiten sind das Hauptthema. Ein Verlöbnis platzt, weil sich der Herr unterlegen fühlt. Leutnants und andere Kerls machten um dieses Mädchen aus verbal ausgefuchsten Verhältnissen einen Bogen. Martha redete hemmungslos und geistreich. Fontanes „Sinn für das Ideale” und seine Ironie dem Gewöhnlichen gegenüber verderben der Tochter den zeittypischen Zugang zum geplanten und von ihr erträumten Modellleben mit Mann und Kindern, bis sie 1899 im Alter von 39 Jahren endlich den 60-jährigen verwitweten Architekten K.E.O. Fritsch heiratet.
Regina Dieterle beschreibt die Stationen, die Martha von England bis Rostock, von Berlin bis zur „Villa Fritsch” in Waren durchläuft. Um die Zeit bis zur Eheschließung zu überbrücken, lässt sie sich zur Lehrerin ausbilden und wird im Winter 1876 in die Gesellschaft eingeführt. „Sie machte”, kommentiert der Vater, „als Ball-Erscheinung Glück”.
Diese hochgestimmte Person schreibt altkluge und natürlich literarische Briefe. Ihre stürmische und einseitige „Herzensaffaire” mit dem verheirateten Sänger Julius Stockhausen ist der erste Dämpfer. Sie resigniert, beginnt sich für die Politik zu interessieren und nennt sich eine „Vertreterin der Linken”.
Wir sehen einem Leben zu, durch das sich Krankheiten, Kuren und Angstzustände, unter denen auch der Vater leidet, ziehen. Regina Dieterle, die alle Schauplätze dieses Lebens kennt, jeden Brief, jeden Querverweis, fügt ihr Wissen selbstverständlich und unaufgeregt in das Gesamtbild ein. Sie muss nicht auftrumpfen, sie kennt sich aus, lässt weg, malträtiert uns nicht mit Vermutungen und Unterstellungen, zitiert gut und sparsam.
Man erfährt ebenso viel über die Eltern Fontane, den Familienalltag, die ehelichen Differenzen, wie über ihre pädagogischen Unzulänglichkeiten, besonders die Theodor Fontanes im Umgang mit seinen Söhnen. Dass er Martha vereinnahmt, sie mit Aufgaben eindeckt, in Diskussionen verwickelt, sie am liebsten immer um sich haben möchte, all das gefällt ihr sehr und missfällt Mutter Emilie. Spannungen, später dann eine kindische Eifersucht auf den Schwiegersohn, sind die Folgen. Das bekannte Chaos ganz normaler Familien.
Martha oder Mete Fontane war Muse und Vorbild fürs fontanische Personal, nicht nur für Corinna in „Frau Jenny Treibel”. Martha lieferte Fontane Material, sie berichtete aus den Häusern, in denen sie sich die Zeit vertrieb oder als Hauslehrerin angestellt war, und er nahm sich, was er für seine Romane, unter denen ihm nur der „Stechlin” uneingeschränkt gefiel, gebrauchen konnte.
Martha Fontane litt unter den damaligen beschränkten Möglichkeiten: kein Wahlrecht, kein Beruf, kein eigenes Einkommen, und für die eigenen Ansprüche immer zu wenig Geld. Nur vom gesellschaftlich sanktionierten Rückzug in die Krankheit machte sie ausgiebig Gebrauch. Regina Dieterle beschreibt nicht das Sensationelle an dieser Tochter, sondern den normalen Verlauf weiblichen Lebens, wenn auch unter besonderen Umständen. Ihre Untersuchung eines Frauenlebens ist eine ausgezeichnete Familien- und Zeitgeschichte im Fin de Siècle, und wie nebenbei entsteht neben dem Portrait Marthas ein präzises Bild des großen Erzählers Theodor Fontane.VERENA AUFFERMANN
REGINA DIETERLE: Die Tochter. Das Leben der Martha Fontane. Carl Hanser Verlag, München. 2006. 431 Seiten, 24,90 Euro.
Vater und Tochter 1886 in der Sommerfrische im Riesengebirge Foto: bpk
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.09.2006

Rotwein gegen die Angst
Die traurigen Töchter: Regina Dieterle hat die erste Biographie von Martha "Mete" Fontane geschrieben

Theodor Fontane und Thomas Mann gehören zwei Welten an. Ist der eine ganz neunzehntes Jahrhundert, bringt das Erzählen der alten Welt sozusagen auf seinen Höhepunkt, so steht der andere für das zwanzigste Jahrhundert, und seine Bücher etablieren die neue Literatur. "Der Stechlin", dessen Buchausgabe Fontane nicht mehr erlebte, erschien 1898. Nur wenige Jahre noch, dann kamen 1903 die ersten Erzählungen Thomas Manns heraus, fast hätte sich ihre Lebenszeit überschnitten.

Wie hätte der neunundsiebzigjährige Fontane wohl auf die "Buddenbrooks" reagiert, die nur sechs Jahre später erschienen? Wie der junge Thomas Mann auf den alten Fontane reagierte, weiß man ziemlich genau. Es mag dahingestellt sein, ob er wirklich von Fontane viel gelernt hat, wie er später gelegentlich sagte. Auf jeden Fall gehörte Thomas Mann zu den unbedingten Bewunderern des alten Fontane, der so wenig Glück mit seinen Büchern gehabt hatte. Selten erreichten sie mehrere Auflagen, und der Greisenerfolg des fast Achtzigjährigen kam im Grunde zu spät. Während die "Buddenbrooks" bald schon auf Hunderttausende, dann auf eine Million Exemplare zugingen, notierte es Fontane, wenn es zu einer bescheidenen zweiten oder dritten Auflage von drei- oder viertausend Bänden kam, dann wurde in der Potsdamer Straße 134 c, drei Treppen links, gefeiert. Die Rechte an seinem Werk mußten vom Verlag seines Sohnes Friedrich in das wenige Jahre zuvor gegründete Haus des jungen Samuel Fischer übergehen, um buchhändlerisch zu reüssieren.

Kaum waren die Rechte an Fontane vom S. Fischer Verlag, der sehr bald eine Gesamtausgabe vorlegte, übernommen worden, so erreichten auch sie eine Auflage von 150 000 Exemplaren, was zu Lebzeiten Fontanes ein Traum gewesen wäre. Nun war auch er ein Bestseller, und die Kinder teilten sich die reichlich fließenden Erlöse. Zudem gesellte sich der alte Herr zu den Modernsten, und das machte ihn zum Parteigänger Gerhart Hauptmanns, Paul Schlenthers, Otto Brahms und der anderen aus dem Umkreis der Freien Bühne. Der alte Fontane war ein Prophet des Allerneuesten, fast ein Revolutionär.

Es gibt eine andere Nachbarschaft beider Dichter, die ins Persönliche geht. Fast hätten sich die Familien Theodor Fontanes und Thomas Manns sogar berührt. Mete Fontane, die geliebte Tochter, mußte erleben, daß die meisten ihrer Freundinnen vorteilhafte Partien machten, aber sie selber blieb ein "spätes Mädchen" nach den Begriffen des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts. Der Vater hatte eine Zeitlang die Illusion gehabt, Mete würde eine Schönheit werden, aber bald kamen ihm selbst Zweifel an ihrer Lebenstüchtigkeit. Mete war für ihn ein "Angstkind" und blieb jahrzehntelang schon aufgrund ihrer vielen Krankheiten das Sorgenkind der Familie. Dabei war sie zureichend hübsch, wie Fotografien zeigen, aber es muß ihr an dem Flirrenden gefehlt haben, das junge Mädchen verführerisch macht. Sie war aber die beste, fast einzige Gesprächspartnerin ihres Vaters, dessen Freunde oft auch die ihren wurden. Dann wurde sie notgedrungen Begleiterin von Freunden der Familie und wohlhabenden Damen und Gesellschafterin von deren Töchtern. Als Zehnjährige hatte sie monatelang in England gelebt, mit allem Französischen war sie ohnehin gut vertraut, wie denn die ganze Fontane-Familie darauf Wert legte, von Vaters und von Mutters Seite hugenottischen Ursprungs zu sein.

Einmal begleitete sie eine reiche Amerikanerin, für deren beide Töchter sie engagiert war. Auf dieser Art von "Grand tour" kam sie zu ihrer ersten großen Italien-Reise, fuhr von der ligurischen Küste über Pisa und Florenz nach Rom, wo alle wochenlang im Luxushotel "Quirinal" lebten. Dann ging es über Neapel, mit einem Abstecher nach Capri, über Venedig und Österreich zurück ins Heimische.

In Rom traf Mete auch Eva Dohm, deren Vater Ernst Dohm ein guter Bekannter ihrer Eltern gewesen war und mit dessen kluger und schöner Frau Hedwig, der Frauenrechtlerin, sie gut bekannt wurde. Hedwig Dohm lebte mit ihren fünf Kindern inzwischen in München, und Mete Fontane freundete sich mit den Dohm-Töchtern an. Sie scheint auch mit jener Tochter befreundet gewesen zu sein, die dann den Mathematikprofessor Alfred Pringsheim heiratete und deren Tochter Katia später dem Werben Thomas Manns nachgab, der als Autor der "Buddenbrooks" schon mit Anfang Zwanzig eine Berühmtheit war. Damals lernte Mete einen großbürgerlichen Lebensstil kennen, und ihr Leben lang sollte sie Sympathie für das freie und große Leben einer Welt bewahren, die ihr selber durch das eher beengte Elternhaus verschlossen blieb.

Als die Dohms schon längst nach Berlin zurückgekehrt waren, wurden sie übrigens Freunde des Malers Karl Stauffer-Bern, zu dessen Umkreis der Bildhauer Max Klein zählte, der, wiederum Jahrzehnte später, das Fontane-Denkmal im Tiergarten schuf. So schloß sich der Kreis, und wenn auch sehr auf Umwegen, kamen die Welten Theodor Fontanes und Thomas Manns noch einmal in Berührung.

Haben die beiden Töchter, Martha Fontane und Erika Mann, sich je kennengelernt oder zumindest voneinander gehört? Überliefert ist es nicht und auch nicht sehr wahrscheinlich. Erika ging eigene Wege, lebte vom geradezu explodierenden Ruhm des Vaters, an dem sie zusammen mit ihrem Bruder Klaus nach Kräften profitierte. Erika war ein ausnehmend hübsches, ein wenig gefallsüchtiges, manche sagten: vorlautes Mädchen. Aber ihr glamouröses Treiben, mit dem sie die bürgerliche Welt faszinierte und schockierte, endete mit dem Hochkommen Hitlers, denn sie war Halbjüdin nach den Rassengesetzen der Nazis. Sie hatte gerade spektakulären Erfolg mit dem Kabarett "Die Pfeffermühle" gehabt, das nun immer mehr zu einer Arena des Kampfes gegen das Regime wurde. Wenige Tage nach dem Machtantritt Hitlers suchten alle Manns, Thomas und seine Familie und Heinrich und die Seinen, Zuflucht im Ausland, erst in Sanary-sur-Mer, dann in Küßnacht am Rigi, schließlich in Amerika. Erika aber kam in den Vereinigten Staaten nicht recht auf die Beine, vorübergehend wurde sie so etwas wie ein war correspondent, dem Beispiel von Klaus folgend.

Erika nahm immer häufiger im Alkohol Zuflucht. Damals überkamen sie ständig neue Krankheiten, wobei nicht sicher war, ob sie sich in Krankheiten rettete oder ob sie durch Krankheiten immer wieder aus der Bahn geworfen wurde. Längst war sie nicht mehr das "herrliche Mädchen", das Thomas Mann so bewundert hatte, sondern eine Belastung der Familie. Vor allem Katia, ihre Mutter, litt unter den hysterischen Zusammenbrüchen von Erika, die aber zwischendurch eine Helferin des Vaters bei der Abfassung seiner späteren Bücher, vor allem des "Doktor Faustus", war.

Mete Fontane ging einen merkwürdig parallelen Weg. Sie brauchte jetzt immer häufiger Rotwein gegen die Angst, die sie in immer kürzeren Abständen ankam, und sie ironisierte sich selber, indem sie sich ein rechtes "Flaschenkind" nannte. Beide Töchter waren nun Helferinnen ihrer Väter, willkommen zuweilen, oft genug eine Belastung der Eltern. Haben sie sich jemals aufgegeben, die Hoffnung auf ein Leben aus eigenem Recht fahrenlassen? Es scheint so. Erika hatte zuletzt eine Art von Liebesgeschichte mit einem Jahrzehnte älteren Freund des Vaters, und auch Mete rettete sich schließlich in eine Ehe mit Karl Emil Otto Fritsch, einem zweimal verwitweten entfernten Bekannten der Eltern, den Gründer einer Bauzeitschrift, der es schließlich zu richtigem Reichtum brachte.

Theodor Fontane hat die Ehe nicht mehr erlebt, aber die Verlobung wurde noch in der Potsdamer Straße gefeiert, und der Vater brachte einen Toast auf das späte Glück seiner Tochter aus. Die Ehe, wohl ohne Leidenschaft, scheint ruhig und besänftigend gewesen zu sein. Inzwischen war Fritsch so vermögend geworden, daß sich das Ehepaar eine Art von Sommerresidenz in Waren an der Müritz gekauft hatte, ein Anwesen, das so weitläufig war, daß ständige Gäste nicht als Bedrängung, sondern als Belebung empfunden wurden. Aber das häufige Kranksein Metes, mitunter brauchte sie drei bis vier Ärzte, brachte sich immer stärker zur Geltung, und ihre Neigung zum Alkohol war nicht mehr zu übersehen. Einmal mußte Mete auf der Reise von Berlin nach Waren von einem Arzt und einer Pflegerin begleitet werden, und der Ehemann war erst beruhigt, als ihm gemeldet wurde, seine Frau sei gut in ihrem Zweitwohnsitz an der Müritz angekommen. Es war wohl, alles in allem, eine glückliche Ehe mit dem Jahrzehnte Älteren, sofern man unter solchen Umständen von Glück sprechen kann. In diesem Gleichmaß kam der Erste Weltkrieg heran, und 1915 starb Karl Emil Otto Fritsch, der nun siebenundsiebzig Jahre alt war.

Mete kam mit dem Alleinsein nicht zurecht. Sie verlegte ihren Hauptwohnsitz wieder nach Berlin, und zwar in die westlichen Vororte zwischen Halensee und Grunewald, wo sie alle paar Jahre ein neues Quartier suchte. Alle Straßennamen, die in der Korrespondenz auftauchen, sind uns bekannt. So liest man diese Biographie Regina Dieterles mit Empfindungen der Vertrautheit, man erfährt von Metes Leben soviel wie von dem Berlin der Kaiserzeit. Es ist ein Buch über das Berlin der Jahrzehnte vor und nach der Jahrhundertwende, und insofern ist es fast ein Roman einer beginnenden Weltstadt. Das behagliche Berlin der Mitte des Jahrhunderts, in dem Fontane zu Hause gewesen war, ging in diesen Jahrzehnten dem Ende zu. "Die Brücke", der "Blaue Reiter" und "Das Bauhaus" zogen herauf, aber das war eine ganz andere Welt, zu der weder der Vater noch die Tochter einen Zugang hatten.

Kinder hatte sie nicht, und die Verbindung zu den Geschwistern war nicht besonders eng. So scheint sie beschlossen zu haben, diesem Leben ein Ende zu machen. Am 12. Dezember 1916, nur ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes und auf dem Höhepunkt des großen Krieges, der ein Weltkrieg geworden war, setzte sie mit einem Sprung aus dem Fenster einen Schlußpunkt.

Regina Dieterle: "Die Tochter". Das Leben der Martha Fontane. Hanser Verlag, München 2006. 432 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit einem Gefühl der Vertautheit hat Wolf Jobst Siedler diese Biografie über Theodor Fontanes Tochter Martha von Regina Dieterle gelesen. Zu seiner Freude erfährt der Leser darin nicht nur viel über Martha Fontane, genannt "Mete", sondern auch über das Berlin der Kaiserzeit, dessen in der Korrespondenz Metes auftauchende Straßennamen ihm wohlbekannt sind. So ist das Buch für ihn "fast ein Roman einer beginnenden Weltstadt". Ausführlich schildert Siedler auch das Leben Metes. Er berichtet über ihre zahlreichen Reisen, die späte Ehe, Angstzustände und Alkoholmissbrauch und verweist auf Parallelen zu Erika Mann, die wie Mete nicht unproblematisch war.

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