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Von dem Leitgedanken "Wissen ist Macht" ausgehend entwickelt Bernd-Olaf Küppers eine Philosiophie des Wissens, die das aufgeklärte wissenschaftliche Denken zum Maßstab aller Dinge macht. Wir werden uns, so die Grundthese des Buches, in der Wissensgesellschaft der Zukunft auf einen uneingeschrjänkten Szientismus einstellen müssen, der unter der Vorherrschaft der modernen Lebenswissenschaften die grenzenlose Manipuliebarkeit der Natur ermöglichen wird. Und wir werden es lernen müssen, den wissenschaftlichen Fortschritt nicht als Fluch, sondern als Chance zu begreifen, uns endlich von den Fesseln…mehr

Produktbeschreibung
Von dem Leitgedanken "Wissen ist Macht" ausgehend entwickelt Bernd-Olaf Küppers eine Philosiophie des Wissens, die das aufgeklärte wissenschaftliche Denken zum Maßstab aller Dinge macht. Wir werden uns, so die Grundthese des Buches, in der Wissensgesellschaft der Zukunft auf einen uneingeschrjänkten Szientismus einstellen müssen, der unter der Vorherrschaft der modernen Lebenswissenschaften die grenzenlose Manipuliebarkeit der Natur ermöglichen wird. Und wir werden es lernen müssen, den wissenschaftlichen Fortschritt nicht als Fluch, sondern als Chance zu begreifen, uns endlich von den Fesseln und Widersprüchlichkeiten eines über zweitausend Jahre alten Natur- und Menschenbildes befreien.
Autorenporträt
Bernd-Olaf Küppers - geb. 1944, ist Physiker und Philosoph. Er war lange Jahre einer der profiliertesten Köpfe des Göttinger Max-Planck-Instituts für Biophysikalische Chemie und ist seit 1994 Professor an der Naturphilosophie in Jena.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.08.2008

Zuwachs an Kenntnis ist Zuwachs an Unruhe
Nur Wissen kann Unwissen beherrschen: Bernd-Olaf Küppers’ große Studie über Macht und Verantwortung der Wissenschaft
Wissen ist ein vielfältig schillernder Begriff, der leicht in die Irre führen kann. Wissenschaftliches Wissen, das strengen, methodischen Überprüfungsvorschriften unterworfen ist, wie sie das institutionelle System „Wissenschaft” sichern soll, kann allerdings nur vermeintlich den Anspruch erheben, der „Goldstandard” des Wissens zu sein. Carl von Linné hat den Menschen nicht ohne Grund als Homo sapiens bezeichnet, als wissensfähigen Primaten, dessen gewaltig gewuchertes Gehirn ihm Wissen ermöglicht.
Das gewann er aber sicherlich schon viele Zehntausende Jahre, bevor er es durch die Wissenschaft systematisierte und institutionalisierte. Unsere Vorfahren waren sicherlich alles andere als unwissend. Praktisches Können und praxistaugliches Wissen mussten sie aus eigener Erfahrung und durch kulturelle Tradition erlangen, bevor ihre Pfeile die richtige Beute zielgerecht trafen oder bevor das Sammeln und Aufbereiten von Feldfrüchten ihnen ein Mehrfaches an Nahrung pro Fläche lieferte als unwissenderen Wettbewerbern.
Aber damit nicht genug: Künstlerisches, vor allem musikalisches (Einfühlungs-)Wissen vereinte die Gruppe, zusätzlich zur eigenen Sprache; religiös-mythologisches Wissen hat den Wissensdurst über Herkunft und Zukunft – wie über die eigene Sonderstellung – zu stillen vermocht; und – da gemeinschaftlich geglaubt – den Menschen gleichen Glaubens das Gefühl der Zusammengehörigkeit und oftmals auch noch das des Ausgewähltseins gegeben, besonders enthusiastisch im Kampfe mit Konkurrenten.
Wissen, das erstmals, soweit wir es wissen, griechische Philosophen von bloßem Meinen unterschieden haben, kann also viele Formen annehmen. Zuverlässiges und besonders praxistaugliches Wissen, – das wir heute gerne wissenschaftlich-technisch nennen, – genauso wie jene anderen, nach denen im Alltagsleben nicht minder großer Bedarf verlangen kann, wie Hunger und Durst. Pseudowissen dazu, wenn es bohrende Fragen verstummen lässt oder betäubt. Meine übrigens niemand, man bräuchte kein Wissen oder jedenfalls dessen Vorspiegelung, wenn etwa durch Regenzauber nach langer Trockenheit rechtzeitig vor einem Platzregen der Himmel zu beschwören ist. Menschen glauben die haarsträubendsten Lügen, solange diese trösten oder begeistern können!
Ein wohlaufgeräumter Kopf
Wissen kommt etymologisch von Sehen. Der „blinde Seher” ist daher gar kein Widerspruch in sich selbst, sondern allenfalls ein Litotes, ein rhetorischer Kunstgriff, um das Besondere hervorzuheben. Selbst die Theorie – als der Inbegriff wissenschaftlichen Wissens, das hinter den Wechselfällen der Wirklichkeit die grundlegenden Gesetze erkennbar macht – kommt von dem griechischen Begriff für die Schau, die das Wesentliche erfasst. Deshalb ist es das Streben der Wissenschaft, zu in sich widerspruchsfreien „Einsichten” zu gelangen, die die Einzelfälle – die aber doch einzig real bleiben – wenigstens nominal „durchschauen”. Eine Theorie des Wissens ist somit die Betrachtung des eigenen Erkenntnisvermögens, eine höchst selbstbezügliche Betrachtung, deren Zirkelkausalität Ursache mancher Verwirrung sein kann.
Bernd-Olaf Küppers, wie mancher Quantenphysiker erst zum Molekularbiologen und dann zum Naturphilosophen emporgestiegen, dem wir schon 1986 ein wichtiges Buch über den „Ursprung biologischer Information” verdankten, hat mit dem vorliegenden Werk eine große Summe langer Befassung mit den Grundlagen wissenschaftlichen Wissens gezogen. Er beschreibt die Geschichte der Philosophie der Erkenntnis und ihrer wissenschaftlichen Entwicklung seit ihren vorsokratischen Anfängen bis in unsere Tage, verkleistert dabei auch die begrifflichen Anstrengungen der Geisteswissenschaftler nicht mit den Mühen empirischer und theoretischer Naturwissenschaftler, weicht auch den Fragen an die ideologische Voreingenommenheit und die – gerechtfertigten oder illusionären – Machtansprüche der Wissenschaften nicht aus, und huldigt dabei nur selten dem Zeitgeist – etwa in gelegentlichen Ausflügen (oder Ausflüchten?) in zen-asiatische Harmonisierung von Subjekt und Objekt, so als wolle er sich von cartesianischer Rationalität erholen.
Ein ganz überwiegend gut zu lesendes, umfassendes Nachdenken. Selten begegnet einem ein so wohlaufgeräumter Kopf, und es ist schade, dass wohl diese sehr zu empfehlende Abhandlung nicht vor allem von praktizierenden Naturwissenschaftlern gelesen werden wird, sondern eher von ausgedienten Leuten wie unsereinem, die im Ruhestand dafür Zeit finden zu bedenken, was sie besser vor Jahrzehnten bedacht hätten. Das Ganze mit feinen Goethe-Zitaten verziert, wovon eines mir besonders im Gedächtnis haften wird : „Zuwachs an Kenntnis ist Zuwachs an Unruhe”!
Man mag das, was einer hier umfassend über die Entstehung wissenschaftlichen Wissens, vor allem in Europa, darlegt, nicht immer neu finden, es aber so durchargumentiert wie hier anzutreffen, ist Neuigkeit genug für jene, für die die Lektüre antiker oder neuzeitlicher Texte von Philosophen nicht zum Alltagsgeschäft gehört. Mehr als 300 weiterführende Literaturangaben führen in größere Tiefen (manchmal auch Untiefen). Wenn – ebenfalls nicht ganz neu, aber stärker akzentuiert – die Annahme das Buch durchzieht, die Kreativität menschlicher Sprache und der evoluierenden Natur hätte ihre tiefere, nicht nur metaphorische Entsprechung in der „Sprachartigkeit” des ganzen Kosmos, so mag das zwar manche Frage nach der erstaunenden Passgenauigkeit unseres Denkens und der Naturgesetze beantworten. Darin wird dem Autor mancher hinsichtlich der „Sprache der Gene” folgen, wie sie in der Evolution der Organismen zum Ausdruck kommt, die zur Unterscheidung zwischen Syntax und Semantik, wie zwischen einer Gensequenz und ihrer systembiologischen Ausprägung führt, dem eine allgemeine „Lesbarkeit der Welt” (Hans Blumenberg) in der Verwendung des Sprachbildes für tiefere Natureinsichten doch zu weit geht. Dennoch, bedenkt man zum Beispiel mit Galilei, dass das Buch der Natur in der „Sprache der Mathematik” geschrieben ist, so kann Informationen und Zeichen für die Verstehbarkeit der Wirklichkeit gewiss nur größte Bedeutung zugemessen werden. Genau dies geschieht hier.
Die Grenzen unserer Einsichten
In sieben großen Abschnitten schreitet der Autor Ursachen und Folgen wissenschaftlichen (und sonstigen) Wissens ab: von Sprache, Wahrheit, Methodik, Einheit, Grenzen, Perspektiven und von der Verantwortung der Wissenschaft handelnd, dennoch niemals ermüdend, leichtfüßig von Überlegungen der Philosophie zu Beispielen aus Physik, Evolutionsgenetik oder Entwicklungsbiologie gehend, dabei stets den Kern der Aussagen klar herausarbeitend, ohne sich in zu vielen Verästelungen, zu denen der Baum des Wissens wahrlich genug Anlass gäbe, zu verlieren.
Nur manches Mal erliegt der Autor der Versuchung – oder der Berufskrankheit? – getreuer Chronisten, zu lange auf dem Zaune sitzen zu bleiben und dabei verständnisvoll nach rechts und links blickend ein wenig aus dem Auge zu verlieren, wohin der Leser nun eigentlich springen soll. Doch bleibt zuzugestehen, dass manches sprachphilosophische Paradox, manch unlösbare Aporie, manch ungeklärter Forschungsstand und wohl auch manches Erkenntnisinteresse es schwierig machen, endlich den Eindruck zu geben, die „Wissenschaft” wüsste 2008, wenn sie es mehr als 2000 Jahre lang nicht wusste und wenn selbst der Gipfel wissenschaftlichen Verständnisses – die Quantentheorie – in komplementärer Unentschiedenheit verharren muss.
Allerdings lässt schöpferischer Freiraum glücklicherweise viele Fragen offen. Zwar mag retrodiktiv – von der Evolution bis zur Menschheitsgeschichte – manche Kausalbeziehung erkennbar werden, doch ermöglichen die Grenzen unserer Einsichten (oder Rechenleistungen) oder tatsächlich unüberwindbare Schranken wissenschaftlicher Reduktion hochkomplexer, nichtlinearer Systeme – und alle interessanten Systeme sind nun einmal so: ob Erdbeben, Wetter, Klima, Leben oder menschliche Gesellschaft! – oftmals keine prädiktiv zwingenden Schlüsse. Oft verstehen wir daher leichter, was war und warum, als was sein wird und weshalb. Glücklicherweise wohlgemerkt deshalb, denn hätte der kausale Determinismus so recht, wie er es manchmal gerne vorgibt, so wäre es vielleicht ebenso schlecht um die schöpferischen Leistungen des Kosmos wie um die Einfallskraft der Menschen bestellt!
Ein letztes Wort zum Titel „Nur Wissen kann Wissen beherrschen”. Der ist zwar sehr schön, aber doch nicht ohne Probleme. Zunächst möchte man sagen, dass er nicht falsch sein kann, wenn man selbst so oft von ihm rhetorischen Gebrauch gemacht hat. Aber ernsthafter: Dass er tautologisch wahr sei, ist noch der geringste Vorwurf. Geht es doch in jedem Fall darum, dass nur bessere Einsichten mit den unvorhergesehenen Folgen des Wissens fertigwerden können. Auch dass er dem Witzwort ähnele, der Unterschied zwischen Kapitalismus und Kommunismus bestehe darin, dass im ersteren der Mensch den Menschen ausbeute, während es im letzteren umgekehrt sei, sollte wohl nicht zu ernst genommen werden. Dass aber das genaue Gegenteil des Titels genauso evident wahr ist, wie er es selber beansprucht, dass nämlich nur Wissen Unwissen beherrschen kann, zeigt nicht nur ein weiteres sprachphilosophisches Paradox des Wissens, es kann auch lehren, dass wir uns dem Wissen weder auf die eine noch die andere Weise verweigern können, wenn es sich denn überhaupt denken lässt. Insofern lässt Friedrich Dürrenmatt seinen Physiker zu Recht räsonieren – von Küppers zitiert -:„Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden.” Aber eine „Heuristik der Furcht” (Hans Jonas) könnte die Menschen nur blind machen, nicht wie wissenschaftliches Wissen zu verantwortlichem Handeln die Augen öffnen. Der Blick in den Rückspiegel der Geschichte mag zwar manchmal eine – vermutlich nur vermeintlich – besonntere Vergangenheit zeigen, dennoch führt kein Weg in sie zurück. Oder wollen wir den Primaten Mensch durch Verzicht auf Wissen „entmenschlichen”, also wieder zum bloßen Naturwesen machen?
Es bleibt lebensgefährlich
„Wahrnehmung” ist von schicksalshafter Doppeldeutigkeit: Sie verheißt Einsicht, aber sie setzt diese auch um, ohne dass der einzelne Wissenschaftler oder die ganze Gesellschaft – der man die Verantwortung gerne zuschiebt – alle Folgen vorauszusehen vermöchte. Deshalb hat Erich Kästner mit seinem gewohnt lockeren Neujahrsvers schon durchaus bedrückend recht: „Wird’s besser, wird’s schlimmer, fragt man alljährlich; sind wir uns ehrlich, Leben bleibt immer lebensgefährlich”! Wer dies dem unaufhörlich fortschreitenden Wissen der Menschen anlastet, hat wohl recht, da verhält es sich fast wie bei der fortwährenden Evolution neuer Krankheitserreger. Aber man sollte auch an das Diktum frei nach Winston Churchill erinnern: Wem Wissen – berechtigte – Angst macht, der möge es doch einmal mit Unwissenheit versuchen. HUBERT MARKL
BERND-OLAF KÜPPERS: Nur Wissen kann Wissen beherrschen. Macht und Verantwortung der Wissenschaft. Fackelträger Verlag, Köln 2008. 570 S., 32 Euro.
Bücher für Wissbegierige wollte der pietistische Theologe und Pädagoge August Hermann Francke bereit stellen. 1698 legte er die Bibliothek gemeinsam mit Kunst- und Naturalienkammer an. 1728 beschloss er, ein eigenes Gebäude dafür einzurichten. Foto: Schuetze / Bildarchiv Monheim
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Vielfalt der Formen des Wissens ist sich der Rezensent bewusst. Sehr erfreut es Hubert Markl darum, dass ein gut aufgeräumter Kopf das einmal ordnet. Bernd-Olaf Küppers macht das vorzüglich, wenn wir Markl Glauben schenken, zieht eine Summe aus seiner Beschäftigung mit den Grundlagen wissenschaftlichen Wissens und liefert eine Geschichte der Philosophie der Erkenntnis von ihren Anfängen bis heute. Wenn Küppers dabei sauber Geistes- und Naturwissenschaften scheidet und die ideologischen Fährnisse des Wissens erörtert, ohne zu oft dem Zeitgeist zu huldigen oder - alte Chronistenkrankheit - zu sehr auf der Stelle zu treten, bedauert Markl schon, dass die Praxis davon wenig mitbekommen und der Leserkreis sich aus älteren Semestern im Ruhestand rekrutieren wird. So ein Leser, räumt der Rezesent ein, wird nicht alles im Band neu finden, doch hat selbst Markl mit den großen Abschnitten über Sprache, Wahheit, Methodik usw., den Ausflügen in die Physik und Evolutionsgenetik und den über 300 Literaturhinweisen genug zu tun. Erst recht, da der Autor so gut ist, Fragen offen zu lassen und keine "prädikativ zwingenden Schlüsse" zu ziehen.

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